Jene Kaffeeproduzenten waren Großgrundbesitzer innerhalb lateinamerikanischer, feudaler Strukturen. Die Landbesitzverhältnisse stammten aus der Zeit der Kolonialisierung durch die portugiesische Krone, die die brasilianischen Ländereien unter wenigen Aristokraten und Militärs hauptsächlich portugiesischen Ursprungs aufteilte. Seit damals hat sich die Situation der Landverteilung kaum verändert: Heutzutage befinden sich 56,7 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche in den Händen von nur drei Prozent der LandbesitzerInnen. Auf der anderen Seite haben 4,8 Millionen ländliche Familien keinen Zugang zu landwirtschaftlicher Fläche und warten vergebens auf die Durchführung einer Agrarreform, welche theoretisch als Regierungspflicht und Völkerrecht in der brasilianischen Verfassung von 1988 eingeschrieben ist, jedoch bis heute eher ein Lippenbekenntnis als dessen praktische Umsetzung darstellt. Somit zeichnet die derzeitige Situation nicht nur ein Abbild der Besitzverhältnisse aus Kolonialzeiten nach, sondern erweist sich als Zuspitzung des Großgrundbesitzes, welcher zwischen 2003 und 2010 laut des INCRA (Instituto Nacional de Colonização e Reforma Agrária) um 48,3 Prozent gewachsen ist. Seit den 1960er-Jahren dehnt sich die industrielle Landwirtschaft kontinuierlich nach Norden aus und beginnt, Regionen wie das Amazonas-Gebiet zu erreichen. Unter diesen veränderten Umständen erwuchs eine Diskussion von internationalen Ausmaßen über den Schutz von natürlichen Ressourcen und führte 1965 zur Verabschiedung einer zweiten, umfassenderen Version des Código Florestal. Die neue Version des Gesetzes etablierte Reservate und permanente Schutzgebiete (Áreas de Preservação Permanente), zum Beispiel die mata ciliares, die Auwälder.

Die Schwachstellen des Código Florestal, hervorgerufen durch fehlende politische Werkzeuge zur Umsetzung und Überwachung der Gesetzgebung, kulminierten in einer neuen Krise, die 2012 schließlich eine dritte Gesetzesversion hervorbrachte. Dies führte zu zahllosen Diskussionen, Protesten sowie einer klaren Trennung zwischen zwei Interessengruppen: auf der einen Seite die sogenannten ruralistas, überwiegend GroßgrundbesitzerInnen und GegnerInnen der Landreform, auf der anderen Seite die Umweltschutzgruppen. Denn die neueste Fassung des Código Florestal gibt Anlass zu Kritik und Auseinandersetzungen. Es wird eine Amnestie für bereits begangene Umweltvergehen erlassen –  in der Mehrheit verantwortet durch die Expansion des brasilianischen Agrobusiness. Darüber hinaus ermöglicht die neue Version in besonderen Fällen die Aufforstung von abgeholzten Gebieten mit Eukalyptus-Monokulturen, welche erhebliche negative Auswirkungen auf das Ökosystem haben. Weiterhin eröffnet die Verbindung zwischen Gebietsgröße und zu schützendem Bestand unklare Auslegungsmöglichkeiten. Eigentlich wird aus den Vorschriften des Código Florestal deutlich, dass auf großen Ländereien dementsprechend größere Anteile natürlicher Vegetation als Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Daraus entsteht die Notwendigkeit, dass Landbesitz entsprechend registriert wird, um die jeweiligen Eckdaten, die Vegetationszone sowie den noch vorhandenen Bestand an natürlicher Vegetation zu bestimmen. Doch in der Realität findet eine konsequente staatliche Erfassung von Daten nicht statt. Daher gibt es auch Raum für bewusste Falschangaben von Gebietsgrößen, welche es LandbesitzerInnen ermöglicht, die Vorschriften des Código Florestal zu umgehen und der Umwelt weiterhin zu schaden.

Gegen eine konsequente Vermessung von Gebieten sprechen sich aber auch weite Teile des Movimento dos Sem Terra (Bewegung der Landlosen) aus, da diese befürchten, durch die Bereitstellung von detaillierten Datensätzen der Agrarspekulation und dem Agrobusiness in die Hände zu spielen. Die Umweltschutzgruppen, die sich gegen die neue Version des Código Florestal positionierten, verteidigen die Lebensweisen von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie der indigenen Bevölkerung, deren Lebensgrundlage auf natürlichen Ressourcen basiert. Die Bevorteilung des Agrobusiness im neuen Código Florestal stellt sich grundlegend gegen diese Menschen. Ein eindeutiges Beispiel für diesen Konflikt ist die Ermordung des Umweltaktivisten Zé Cláudio. Er setzte sich intensiv für eine Verhinderung des neuen Gesetzes ein und wurde am Tag der Verabschiedung erschossen.

Die Landwirtschaftsministerin Kátia Abreu spitzt in ihren Aussagen den Konflikt zu: Sie unterstreicht im Kontext der Landfrage, dass es in Brasilien keinen Großgrundbesitz gebe und ein Landkonflikt nur bestehe, da indigene Völker aus den bewaldeten Gebieten in Zonen landwirtschaftlicher Produktion eindrängen und nicht umgekehrt. Das derzeitige Panorama in Brasilien wird mittelfristig zu einer Ausweitung der sozialen Kämpfe und der Intensivierung der Forderung nach gerechter Landverteilung führen. Ein Kampf, der seit 500 Jahren zunimmt.