Anerkennung muss an Bedingungen geknüpft werden

Nachdem am 27. Januar Pepe Lobo seinen Amtseid als neuer Präsident von Honduras geleistet hatte und am selben Tag sein gestürzter Vorgänger, Manuel Zelaya, im Exil in der Dominikanischen Republik gelandet war, kommentierten einige deutsche Zeitungen „Putsch vollendet“. Sie meinten, dass die Rechnung derjenigen, die den Staatsstreich vom 28. Juni letzten Jahres ausgeheckt und durchgeführt hatten, voll aufgegangen sei. Doch noch ist das letzte Kapitel dieser Geschichte nicht geschrieben.

Vieles hängt davon ab, wie Pepe Lobo agieren und ob er seine Ankündigung, eine Regierung der nationalen Einheit anzustreben und die Ereignisse um den Putsch aufzuarbeiten, erfüllen wird. Immerhin hat er seinen Versprechungen erste Taten folgen lasssen: Er hat sich zum Abkommen von Tegucigalpa/San José bekannt und verkündet, die darin enthaltene unabhängige Wahrheitskommission auf den Weg zu bringen – und zwar so, dass auch die Resistencia vertreten sein wird und ein externer Moderator die Kommission leitet. Allerdings deuten erste Personalentscheidungen sowohl in dieser Kommission als auch in der Regierung in eine andere Richtung. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die Kommission in keiner Weise die internationalen Standards für solche Wahrheitskommissionen erfüllt.

Lobo hat in seine Regierung der „nationalen Einheit“, die zwar klar von seiner Partei dominiert wird, auch Vertreter aller anderen Parteien berufen – einschließlich der sozialis-tischen UD, die Teil der Resistencia ist. Große Teile der Widerstandskoordination lehnen die Regierungsbeteiligung der UD aber ab und bezeichnen sie als Verrat. Lobo hat Zelaya freies Geleit gewährt, ihn zum Flughafen begleitet und ihn ins vorübergehende Exil in die Dominikanische Republik verabschiedet. Beide einigten sich auf die Sprachregelung, Zelaya werde sich „für eine gewisse Zeit“ in der Dominikanischen Republik aufhalten, aber eines Tages nach Honduras zurückkehren. Den Zeitraum ließen beide freilich offen. Das deutet darauf hin, dass Zelaya keine Perspektive mehr darin gesehen hat, weiter in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa auszuharren und die Welt davon zu überzeugen, die neue Regierung nicht anzuerkennen und durch Boykotte und Sanktionen in die Knie zu zwingen.

Meinem Kollegen Klaus Riegert und mir gegenüber erklärte ein entspannt wirkender Zelaya kurz vor seiner Ausreise, dass er unter gewissen Umständen bereit sei, mit der Regierung Lobo zusammenzuarbeiten und sich dafür einzusetzen, dass auch die mit ihm befreundeten Regierungschefs Lateinamerikas die Beziehungen zu Honduras normalisierten. Zu seinen Bedingungen gehörten eine tatsächliche Regierung der nationalen Einheit, in der auch Vertreter des sozialliberalen Flügels der Liberalen Partei vertreten seien, und vor allem ein definitives Ende der Verfolgung von AktivistInnen der Resistencia. Ohne eine wirklich deutlich spürbare Verbesserung der Menschenrechtslage (vgl. Ländernachrichten in dieser ila) könne es jedoch weder Kooperation noch Normalisierung der Beziehungen geben, meinte Zelaya.

Doch gerade daran, dass die internationale Gemeinschaft seine Regierung anerkennt und die Beziehungen zu Honduras normalisiert, ist Pepe Lobo brennend interessiert. Wie kann es anders sein, dass er uns – zwei einfache Abgeordnete aus dem deutschen Bundestag – zum Essen einlädt und drei Stunden lang davon zu überzeugen versucht, dass er dem „christlich-demokratischen Humanismus“ verpflichtet sei, soziale Reformen in Angriff nehmen, die schwierige Vergangenheit aufarbeiten und die Menschenrechtslage verbessern wolle. Er versprach, die Reichen durch eine Steuerreform stärker zur Kasse zu bitten und der Armutsbekämpfung oberste Priorität einzuräumen. Lippenbekenntnisse? Die meisten VertreterInnen der Zivilgesellschaft sowie fast alle MenschenrechtsverteidigerInnen nehmen Pepe Lobo die neue Gesinnung nicht ab. Sie haben ihn auch schon anders erlebt. „Der sagt das alles nur, um ausländische Gäste zu beruhigen und die Hähne der internationalen Hilfe wieder aufzudrehen“, fasste der Geschäftsführer des Dachverbandes der honduranischen Nichtregierungsorganisationen die Einschätzung der sozialen Bewegungen zusammen.

Und dennoch sind die meisten NRO zu dem Schluss gekommen, dass es jetzt am besten sei, Lobo beim Wort zu nehmen – auch wenn sie ihm nicht wirklich trauen. Sie haben deshalb Mindestforderungen formuliert, die er erfüllen müsse, bevor sie zu einer Kooperation bereit seien und in einem Versöhnungsprozess mitwirken würden. Und auch in ihrem Forderungskatalog taucht zuallererst eine deutlich spürbare Verbesserung der Menschenrechtslage auf. Sicherlich – man könnte bei der Haltung bleiben, die der harte Kern der Resistencia nach wie vor vertritt und die in sich durchaus konsequent und schlüssig ist: Da Lobo zumindest indirekt am Putsch mitgewirkt hat und die Wahl vom 29. November in einem Klima der Repression stattfand, dürften weder er noch seine Regierung anerkannt werden.

Doch da sich fast die Hälfte der Wahlberechtigten – nur unwesentlich weniger als sonst – an der Wahl beteiligt hatte und mit großer Mehrheit Lobo oder Santos, seinen ebenfalls in den Putsch verwickelten Gegenkandidaten von der (rechts)liberalen Partei, gewählt hatte, muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich Lobo auf einen nicht kleinen Teil der Bevölkerung stützen kann. Ob nun er oder seine GegnerInnen mehr AnhängerInnen haben, lässt sich zur Zeit nicht ergründen. Vieles spricht dafür, dass die Gesellschaft gespalten ist. Die Resistencia ist nicht stark genug, um die Regierung Lobo zum Straucheln zu bringen. Aber auch Lobo würde es nicht gelingen, Politik gegen die Hälfte – oder etwas mehr als die Hälfte – der Bevölkerung zu machen. Und schließlich meinen viele BeobachterInnen, Lobo hätte die Wahl am 29. November nur gewonnen, weil der rechtsliberale Santos offensichtlicher in den von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnten Putsch verwickelt gewesen sei und Lobo erfolgreich auf das Image des „Versöhners“ gesetzt habe. Viele HonduranerInnen seien der Krise und des Streits überdrüssig und wünschten sich tatsächlich eine „Regierung der nationalen Einheit“.

Bei dieser Gemengelage ergäbe es keinen Sinn, wenn die internationale Gemeinschaft die Wahl völlig ignorierte und jede Kooperation mit der Regierung Lobo verweigerte. Es wäre aber mindestens genauso falsch, jetzt einfach zur Tagesordnung überzugehen, als sei nichts gewesen. Wer zu schnell alles normalisiert und die Hähne der finanziellen Hilfe voll aufdreht, verhindert möglicherweise die Verwirklichung der angekündigten Kompromisse. Noch ringt die Regierung Lobo um internationale Anerkennung und die Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit. Und wer überzeugen will, der ist einfacher dazu zu bewegen, Bedingungen zu akzeptieren und Beweise für seine Versprechungen zu liefern.Es wäre fatal, wenn jetzt alle BotschafterInnen im Galopp nach Tegucigalpa zurückkehrten, die Verhandlungen bezüglich des Assoziierungsabkommens unverzüglich wieder aufgenommen und Kredite und Hilfsprogramme in vollem Umfang fließen würden.

Eine solche Haltung, auf die zumindest einige AkteurInnen in der EU und der Bundesregierung dringen, wäre charakterlos und würde die Bekenntnisse zu den Menschenrechten als Leitfaden europäischer und deutscher Außenpolitik Lügen strafen. Lobo muss aufgefordert werden, seinen Worten Taten folgen zu lassen und zu beweisen, dass seine Ankündigungen ernst gemeint sind. Anerkennung und Wiederaufnahme der Zusammenarbeit müssen an die Einhaltung konkreter und nachprüfbarer Bedingungen gekoppelt werden. Dazu müssen die Umsetzung der noch umsetzbaren Vereinbarungen des Abkommens von Tegucigalpa/San José gehören und vor allem eine deutlich spürbare Verbesserung der Menschenrechtslage. Um dies auch überprüfen zu können, ist eine enge Zusammenarbeit der EU und ihrer Mitgliedsländer mit den honduranischen MenschenrechtsverteidigerInnen, mit Amnesty International und der Interamerikanischen Menschenrechtskommission notwendig.

Wenn das gelingen sollte, wäre die Rechnung der Putschisten eben nicht aufgegangen. Sie hätten zwar Mel Zelaya vorzeitig aus dem Amt gejagt, eine Volksbefragung vorerst verhindert und mit Pepe Lobo einen scheinbar „zuverlässigen“ Vertreter der Oligarchie in den Präsidentenpalast gebracht. Aber der wäre gezwungen, auch mit der linken Opposition zusammenzuarbeiten, soziale Reformen in Angriff zu nehmen, Licht in die dunkle Vergangenheit zu bringen und vor allem die Menschenrechtslage zu verbessern und damit auch den sozialen Bewegungen mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu geben. Bedingungen, unter denen sich aus mehreren kleinen Parteien, dem sozialliberalen Flügel der Liberalen Partei und den sozialen Bewegungen ein Bündnis schmieden ließe, das den beiden etablierten Großparteien bei den Wahlen 2013 Paroli bieten könnte.

Jedenfalls sind viele HonduranerInnen, die bisher als unpolitisch und duldsam galten, aufgewacht. Alle bestätigen, dass in Honduras in den letzten Monaten so viel über Politik diskutiert wurde wie niemals zuvor. Und viele sind der Meinung, dass die soziale Spaltung der Gesellschaft nicht länger ignoriert werden kann. „Es ist viel Druck auf dem Kessel. Um soziale Reformen, die die Lage der armen Bevölkerungsmehrheit verbessern, kommt Honduras nicht herum“, meint der ehemalige christdemokratische Kongressabgeordnete Efraín Diaz Arrivillaga, der jetzt für eine NRO tätig ist, die mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) zusammenarbeitet. Konnten die beiden von der Oligarchie dominierten etablierten Parteien in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten ihre Machtspielchen im Verborgenen betreiben, so hat der Putsch das Land in die Schlagzeilen der Weltpresse gebracht, den sozialen Bewegungen Zulauf beschert und in Honduras einen Diskussionsprozess hervorgebracht, der sich nicht mehr mit Gewalt unterdrücken lässt.Wenn sich die internationale Gemeinschaft jetzt klug und wertorientiert verhält, dann könnte die Zukunft erweisen, dass die Putschisten am 27. Juni 2009 ein Eigentor geschossen haben. Wenn…