Asbest ist ein immer noch weit verbreiteter Dämmstoff. Freigesetzte Fasern, die unsichtbar, geruch- und farblos sind, können die Lungenkrankheit Asbestose und Krebs auslösen. Dies ist seit Jahrzehnten bekannt. In den meisten Industriestaaten ist Asbest verboten, in Deutschland seit 1993, in Argentinien seit 2003. Trotzdem werden weiterhin Arbeiter*innen wissentlich der tödlichen Gefahr ausgesetzt. So auch in der Subte, der U-Bahn von Buenos Aires.
2011 wurden in Madrid U-Bahn-Waggons aus den 70er-Jahren von der Strecke genommen, wegen ihres schlechten Zustands und weil sie Asbest enthielten. Genau diese Waggons des Typs CAF 5000 kaufte der damalige Chef der Stadtregierung von Buenos Aires und spätere Präsident Argentiniens, Mauricio Macri. Sie wurden in Buenos Aires auf der Subte-Linie B eingesetzt. Einige wurden zerlegt, um an Ersatzteile zu kommen. So breitete sich das Asbest aus den Zügen auch in den Werkstätten der Subte aus. 2013 wurden weitere alte Waggons des Folgemodells von Madrid nach Buenos Aires gebracht. Niemand informierte die Kolleg*innen der Subte, welchem Risiko sie (und auch die Nutzer*innen) durch die Waggons ausgesetzt waren. Sie erfuhren davon erst 2018, aber nicht etwa durch die Betriebsleitung, sondern durch Gewerkschafter*innen aus Madrid. Diese meldeten sich bei der Gewerkschaft in Buenos Aires: Ein Kollege sei gestorben, und es sei erwiesen, dass seine Arbeit auf dem Zug der Marke CAF Ursache seines Todes gewesen sei – dem Zugmodell, das Macri gekauft hatte. Ohne diesen Hinweis hätte es wahrscheinlich weitere Jahre gedauert, die Gefahr in der Subte zu erkennen.
Nach der Nachricht aus Madrid am 16. Februar 2018 beschließen die Kolleg*innen sofort, nicht mehr auf den CAF 5000 zu arbeiten. Auf einer Pressekonferenz machen die Metrodelegadxs die Asbestverseuchung und die beschlossene Maßnahme öffentlich. Da sie der Unternehmensleitung nicht vertrauen, nehmen sie selbst mehr als 50 Proben und beauftragen eine unabhängige Wissenschaftlerin, sie zu untersuchen. In vielen Proben bestätigt sich die Asbestbelastung. Am 13. März 2018 wird die Subte zum ersten Mal wegen der Gesundheitsgefährdung durch das Asbest bestreikt – der Auftakt für zahlreiche weitere Streiks bis heute. Alle Arbeiter*innen werden mit Flyern über die Gefahr aufgeklärt. 2019 beginnen die Kolleg*innen, belastete Geräte und Bereiche mit Plakaten und Aufklebern zu kennzeichnen. Sie bilden Gesundheitskommissionen in den Abteilungen. In der Werkstatt Rancagua weigern sich die Kolleg*innen, verseuchte Gerätschaften zu reparieren. Ein Teil der Belegschaft wird in ein Programm mit regelmäßigen Untersuchungen auf arbeitsbedingte Erkrankungen aufgenommen. Bei CNN Español erscheint eine ausführliche Doku über Asbest in der Subte. Ein dreistündiger Streik auf allen sechs Linien setzt das Thema erneut auf die Tagesordnung und findet großes Echo in den Medien. Ende 2019 kündigt das Unternehmen an, mit der Asbestbeseitigung zu beginnen. Die schreitet aber nur langsam voran. 2023 wurde gemeldet, dass 90 Tonnen Asbest und asbestverseuchte Gegenstände entfernt wurden – das ist noch nicht einmal ein Drittel der bisher festgestellten Menge. Währenddessen sind laut offiziellen Angaben bereits drei Kollegen an asbestbedingten Krankheiten gestorben. Weitere 86 sind erkrankt.