Alemania
Die Toten Hosen, „Carnival in Rio (Punk was)“, 1991
Band aus Düsseldorf mit riesiger Fangemeinde in Argentinien. Der Song vom Album „Learning English, Lesson One“ hat mehr mit Punk als mit Karneval zu tun, wurde aber in Rio de Janeiro aufgenommen, weil Ronnie Biggs als Sänger dabei war. Der legendäre Postzugräuber aus Großbritannien konnte aus dem Knast fliehen und sich nach Brasilien absetzen. Er hatte schon 1978 mit den Sex Pistols den Song „No one is innocent“ aufgenommen.
https://www.youtube.com/watch?v=Ttm3BIryhFw
Argentinien
Los Fabulosos Cadillacs, „Carnaval toda la vida“, 1992
Eines der schönsten melancholischen Lieder dieser Band vom Album „El León“, ein Aufruf, das Leben nicht verstreichen zu lassen, sondern zu feiern, und sich davon nicht durch Schatten der Vergangenheit und Ängste abhalten zu lassen.
https://www.youtube.com/watch?v=G1kIEg9TsoQ
Los Auténticos Decadentes, „El Murguero“, 1995
Loblied auf den Karneval in den Barrios und den Rhythmus der Murga, als Tradition des Volkes und Erbe der Schwarzen (Album: „La vida loca“).
https://www.youtube.com/watch?v=IqpY8oO6nBc
Ein weiterer Tipp von dieser Band, kein explizites Karnevalslied, aber absolut partytauglich: „La Guitarra“ – Ich will nicht arbeiten, ich will nicht studieren, ich will nicht heiraten, ich will nur den ganzen Tag Gitarre spielen, und dass sich die Leute in meine Stimme verlieben.
https://www.youtube.com/watch?v=ID-iJOw9rLo)
La Semilla, „Carnevalito“, 2015
Carnevalito ist ein indigener Kollektivtanz aus dem Norden Argentiniens. Die Folk-Rock-Band aus Rosario fusioniert auch andere traditionelle Rhythmen wie Candombe und Huayno mit Reggae, Rock oder Ska und nutzt traditionelle Instrumente wie die Charango oder die Andenflöte Quena (vom Album „Dónde van tus pasos“).
https://www.youtube.com/watch?v=GEOCU0JR3AE
Las Manos de Filippi, „Organización“, 2002
Aber das ist doch kein Karnevalslied?? Nö, aber nach einer Reminiszenz an Gloria Gaynors „I will survive“ ist am Ende dieses Combat-Rock über die revolutionäre internationale Organisation gegen das Kapital auch noch „La vida es un carnaval“ von Celia Cruz zu erkennen.
https://www.youtube.com/watch?v=JNaPKpCeWNQ
Bolivien
Evo Morales (!), „Coplas machistas“, 2012
Für den bolivianischen Karneval sind Coplas typisch, Wechselgesänge von Männern, oft mit Frauen (im Beispiel hier nicht), leider häufig ziemlich sexistisch. Der Auftritt von Evo Morales in La Paz war damals selbst in Bolivien, als sich Evo noch auf dem Höhepunkt seiner Popularität befand, sehr umstritten (Kostprobe: „Dieser großherzige Präsident / zieht all seinen Ministerinnen die Slips aus“. Evo singt zwar nicht selbst, amüsiert sich aber köstlich.)
https://www.youtube.com/watch?v=uA4AapKS3qQ
Betty Veizaga, „Justicoplas“, 2023
Das Gegenprogramm, in dem es bezeichnenderweise keinen Wechselgesang mit Männern gibt, entwirft Betty Veizaga mit ihren „Justicoplas“ (Coplas gegen die Gewalt), in denen vielstimmig geschmettert wird: „Adios para siempre al feminicidio!“.
https://www.youtube.com/watch?v=vxYhTpMz6nY
Radicales de Evo, „Coplas carnavaleras para Evo Morales“, 2023
Eine aktuelle Wahlkampf-Copla, in der Anhänger*innen von Evo für eine erneute Kandidatur gegen den aktuellen Präsidenten Arce ansingen: „Evo ist der Präsident für 2025, Verräter, notiert euch das in eure Kalender!“.
https://www.youtube.com/watch?v=tsKbenl9tQA&t=10s
Brasilien
Donga (Ernesto Joaquim Maria dos Santos), „Pelo Telefone“, 1916
Der erste in der Nationalbibliothek von Rio de Janeiro offiziell registrierte Samba.
https://www.youtube.com/watch?v=woLpDB4jjDU
Martinho da Vila, „Pelo Telefone“, 1974
Eine der unzähligen Cover-Versionen (ebenfalls empfehlenswert: die Version vom Kölner Humba e.V., leider nur auf der Humba Party CD Nr. 2, nicht online).
https://www.youtube.com/watch?v=UvBHC8N5o7A
Chiquinha Gonzaga, „Abre Alas“, 1899
Die Pianistin und Komponistin Chiquinha Gonzaga (1847-1935) war die erste Person, die einen Marsch für den Karneval kreierte. Sie war Tochter einer versklavten Schwarzen Frau, die am Taufbecken befreit wurde. Von ihrem Vater, einem Weißen, erhielt Chiquinha eine musikalische Ausbildung und schuf eine Synthese aus Karnevalsmusik und Schwarzer Kultur.
https://www.youtube.com/watch?v=m_vaRKqCDYM
MPB-Version von Ivan Lins, 1974
https://www.youtube.com/watch?v=OwtnVuAR6bc
Escola de Samba Mangueira, „História Para Ninar Gente Grande“, 2019
Mit seiner dezidiert politischen Message gewann dieser Song knapp ein Jahr nach dem Mord an Marielle Franco den Wettbewerb der Saison: „Brasilien, es ist an der Zeit, auf die Marias, Mahins, Marielles und Males zu hören“.
https://www.youtube.com/watch?v=Fbeto2Xqj_I
Daniela Mercury & Caetano Veloso, „Proibido o Carnaval“, 2019
Als Bolsonaro die Präsidentschaft gewann, bekam dieses Lied viel Aufmerksamkeit, gesungen von niemand Geringerem als Axé-Sängerin Daniela Mercury und MPB-Übervater Caetano Veloso.
https://www.youtube.com/watch?v=73Dp_gGsWOw
Cuba
Irakere, „Baila mi ritmo!“, 1980
Ganz anders die funky Conga von den legendären Latin Jazz-Fusion-Veteranen unter der Leitung von Chucho Valdés.
https://www.youtube.com/watch?v=_dCpQEEEL38
Ricardo Leyva y Sur Caribe, „Añoranza por la Conga“, 2006
Die Conga im poppigen Gewand und ein großer Hit 2006: „Oigan santiagueros, sigan adelante!“
https://www.youtube.com/watch?v=3e6QP1AoGkk
Kolumbien
Checo Acosta, „La canción del carnaval“, 2001
Mit dem Klang der „Flauta de millo“ (Hirseflöte) und der Trommeln beginnt der Karneval von Barranquilla. Zu diesem Song verwandeln sich die Straßen in eine Bühne, auf der die Menschen eine fröhliche Choreografie mit Schaum und Maisstärke aufführen.
https://www.youtube.com/watch?v=YptACY9VHao
Dolcey Gutiérrez, „No me maten“, 1984
Anspielung auf Kriminalität und Gewalt im kolumbianischen Alltag: Dolcey Gutiérrez singt davon, wie er während des Karnevals überfallen wird, und seine Angreifer beschwört: „Bringt mich nicht um, lasst mich feiern, nehmt ruhig alles! Nach Karneval könnt ihr mich umbringen!“ Bezieht sich angeblich auf ein wahres Erlebnis des Sängers, der mit dem Leben davonkam, weil der Angreifer Fan des Karnevalsstars war.
https://www.youtube.com/watch?v=5ph6FGRIXGo
Dolcey Gutiérrez, „La Pesadilla“, 1993
Hier bewies Komponist Daniel Sepherín schon vor über 30 Jahren prophetische Begabung: Er besingt den Albtraum, dass der Bürgermeister von Barranquilla den Karneval verbietet. Was tatsächlich im Jahr 2021, während der Corona-Pandemie, geschah.
https://www.youtube.com/watch?v=pyVWWXvPOPo
Bomba Estéreo y Systema Solar, „Carnavalera“, 2019
Karnevalssong zwischen Tradition, Elektro und Rap.
https://www.youtube.com/watch?v=ZxE-XHSetac
Panama
Samy y Sandra Sandoval „La Barredora“, 2009
Samy und Sandra ist vielleicht eines der bekanntesten Duos in Panama, „La Barredora“ ist ihr großer Karnevals-Hit.
https://www.youtube.com/watch?v=cemdegKMBNE
„Tonada de Carnaval Viva Calle Abajo“, 2022
Eine der bekanntesten Karnevalsfeiern in Panama findet in Las Tablas statt. Die beiden Stadtteile Calle Arriba und Calle Abajo treten mit ihren „Tunas“ (Karnevalswagen) und Königinnen gegeneinander an, um am Ende ein Siegerdorf zu krönen. Dieser Song ist die Hymne des Stadtteils Calle Abajo:
https://www.youtube.com/watch?v=ctVu23Q_5eg
Puerto Rico
Willie Colón und Héctor Lavoe, „La Murga de Panamá“, 1970
Die beiden Salsa-Götter setzen den Straßenkarnevalsgruppen in Panama ein epochales Denkmal. Jahrhundert-Hymne!
https://www.youtube.com/watch?v=xSGXNc8T9S0
Uruguay
La gran Muñeca, „Los pibes sin futuro“, 2023
Eines der bekanntesten und traditionsreichsten Murga-Ensembles, gibt es schon seit (mindestens) 100 Jahren, berührt mit diesem Song über die „Jungs ohne Zukunft“.
https://www.youtube.com/watch?v=Mr_U77EiyL8
Rumbo, „A redoblar“, 1980
Eine der ersten Hymnen gegen die Diktatur in Uruguay, siehe S. 25
https://www.youtube.com/watch?v=sijfKfqubnw
Jaime Roos, „Adiós Juventud“, 1982
Siehe „Lieder der Murgas wurden zu Hymnen gegen die Diktatur“, S. 25
https://www.youtube.com/watch?v=GahvHvSqfc8
Jaime Roos, „Brindis por Pierrot“, 1985
Siehe Artikel „Mehrstimmige Kritik, Murgas in Uruguay“, S. 23
Das Video wurde 1985 in der für Montevideo typischen Bar Congreso gedreht, mit dem Sänger Canario Luna, der durch diesen Hit zu einem der populärsten Karnevalssänger Uruguays wurde.
https://www.youtube.com/watch?v=DAYfzCVQnPg
Das gleichnamige Album, das mit seinen Bezügen auf das Exil, den Karneval und die Bohème den Zeitgeist absolut getroffen hat, gehörte fast 20 Jahre lang zu den meistverkauften Schallplatten/Kassetten in Uruguay.
https://www.youtube.com/watch?v=R6S1JpAjwWE
Jaime Roos, „La Despedida del Gran Tuleque“, 1987
Noch eine Murga-Despedida, die zur Hymne wurde, das Nunca Más – Nie wieder – nach der Diktatur. Der Text stammt von dem Schriftsteller Mauricio Rosencof, zu dessen Theaterstück „El Regreso del Gran Tuleque“ Jaime Roos die Musik geschrieben hat. Mauricio Rosencof war Mitglied der Stadtguerilla MLN-Tupamaros und von 1972 bis 1985 im Knast, worüber er zusammen mit „El Ñato“ Fernández Huidobro ein beeindruckendes Buch geschrieben hat (auf Deutsch bei Assoziation A erschienen). Auch dieses Lied wurde von der Murga Falta y Resto gespielt, hier in einer Version von 2019, bei der sich die aktuellen Mitglieder der Murga mit früheren auf der Bühne trafen.
https://www.youtube.com/watch?v=-PDJDeeKxFU