Der Vertrag zum Kupferabbau besteht schon seit 1997. Warum sind jetzt so viele Panameñxs auf der Straße?
Alles begann mit dem Vertrag von 1997 zwischen Panama und dem Unternehmen Minera Petaquilla. Dieser Vertrag wurde 2017 für verfassungswidrig erklärt. Die aktuelle Regierung verhandelt dennoch seit 2021 neu darüber. Auch der neue Vertrag, der im Gesetz 406 geregelt ist, wurde bereits von mehreren Seiten als verfassungswidrig deklariert und führte zu der Krise, in der wir uns im Moment befinden. Etwa 2005 begann die Ausbeutung durch die Mine mitten im mesoamerikanischen Biokorridor. Bereits 2004 gab es eine Bewegung namens „Contramina“ gegen die Mine. Sie bestand aus Umweltgruppen, die ein Panama frei vom Bergbau forderten. Sie hatten nicht die gleiche Stärke wie jetzt, doch seit dieser Zeit ist das Bewusstsein für den Umweltschutz immer stärker geworden.
Die ursprüngliche Konzession wurde an Minera Panamá übertragen, eine Tochtergesellschaft des kanadischen Unternehmens First Quantum Minerals. Nachdem 2017 festgestellt worden war, dass der Vertrag mit dem Unternehmen gegen die Verfassung verstößt, wurde der Staat von mehreren Seiten davor gewarnt, neu darüber zu verhandeln. Der gleiche Fehler wie damals würde passieren, als der Vertrag zum ersten Mal abgeschlossen wurde. Vorgeschrieben für diese Art von Verträgen beziehungsweise Konzessionen sind nämlich eine öffentliche internationale Ausschreibung und eine vorherige Befragung der lokalen Bevölkerung, die jedoch nicht stattfanden. Das war einer der Gründe, weshalb der Oberste Gerichtshof den Vertrag für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Regierung verhandelte dennoch ab 2021 mit dem Unternehmen erneut darüber. Im Verlauf dieses recht unschönen Prozesses wurde deutlich, dass das Unternehmen auf die Forderungen des Staates, vor allem auf die Erhöhung der „regalías“, der Lizenzgebühren, nicht eingehen würde. Mit einigen kleinen Änderungen, die dem Unternehmen keine Nachteile bringen, ist das neue Gesetz zum Vertrag (Ley 406) dann innerhalb von drei Tagen vom Kongress verabschiedet worden. Dabei sind für die Verabschiedung neuer Gesetze eigentlich drei Debatten vorgeschrieben, die jeweils mindestens einen, normalerweise jedoch mehrere Tage benötigen.
Diese fragwürdige Express-Bewilligung wurde am 20. Oktober bekanntgegeben. Am 22. Oktober begannen vor allem junge Menschen damit, sich an der Cinta Costera[fn]Die Cinta Costera ist ein 26 Hektar großes Landgewinnungsprojekt in der panamaischen Hauptstadt, das die Altstadt von Panama-Stadt umgibt.[/fn] zu versammeln, um gegen den Vertrag und die Regierung zu protestieren. Die Regierung sah sich gezwungen, zwei Gesetzesprojekte im Kongress zu präsentieren. Eines, um zukünftig anders mit Bergbauprojekten umzugehen, und eines, um eine Volksabstimmung über den Vertrag abzuhalten. Ein Moratorium für neue Projekte ist bereits beschlossen worden, die Volksabstimmung über den Vertrag jedoch auf Eis gelegt. Der Vertrag kann allerdings nicht so einfach aufgehoben werden, weil das Unternehmen gegen den Staat auf Schadensersatz klagen könnte. Deshalb wird nun auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes über die Verfassungswidrigkeit des Vertrages gewartet, ohne eine vorherige Volksabstimmung.
Welches sind die Hauptgruppen, die gerade auf der Straße sind?
Natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen zum „Contrato Minero“. Viele Menschen gehen auf die Straße, weil sie gegen den Bergbau und den Vertrag sind. Eine weitere Gruppe, eine Minderheit, stellt sich gegen den Vertrag, aber nicht generell gegen den Bergbau. Sie sagen, der Vertrag würde Souveränitätsrechte an das Unternehmen abtreten und müsse lediglich modifiziert werden. Diese Gruppe ist aber bei den Protesten kaum mehr zu vernehmen. Die Mehrheit fordert ein Panama, das frei von Bergbau ist. Im Westen des Landes sind vor allem indigene Gruppen auf der Straße. In der Hauptstadt tun sich viele junge Leute, Lehrer*innen, Arbeiter*innen und Studierende zusammen und protestieren. Sie alle, wie auch die Gewerkschaften, fordern die sofortige Aufhebung des Vertrages, ohne auf den Gerichtsentscheid zu warten. Die Studierenden halten in der Hauptstadt Straßensperren aufrecht und blockieren wichtige Zugangsstraßen. Gleichzeitig äußern sich die Gruppen, die verlangen, auf den Gerichtsentscheid zu warten. Sie halten Wache am Obersten Gerichtshof, versammeln sich an Feiertagen. Auch die Jugendlichen, die sich an der Cinta Costera versammeln, sind der Meinung, es sei besser, auf das Gerichtsurteil des Obersten Gerichtshofes zu warten. Aber sie halten ihre Mobilisierung aufrecht und demonstrieren jede Nacht, besonders jetzt in diesen Tagen, in denen Panama seine Unabhängigkeit von Spanien (28. November 1821) und Kolumbien (3. November 1903) feiert. Das sind wichtige Tage für Panama.
Die Ausbeutung durch die Mine wird auch in Zukunft schwere Folgen für die Umwelt haben. Womit rechtfertigt die Regierung das Projekt?
Der Vertrag habe schon vor der aktuellen Regierung existiert – dieses Argument nutzt die Regierung oft, um den Vertrag zu verteidigen. Sie hätten lediglich etwas, das schon da war, neu verhandelt. Im Hinblick auf die Umweltschäden behauptet die Regierung, dass der Vertrag Mechanismen für Entschädigungszahlungen aufweise. Da die Institutionen in Panama aber schwach sind, glaubt die Bevölkerung nicht wirklich an die Wirksamkeit dieser Mechanismen und das Argument überzeugt nicht. Es fehlt auch an den notwendigen technologischen Verfahren und gut ausgebildetem Personal, um diese Schritte durchzuführen. Die Regierung ist nun mit dem Misstrauen der Zivilbevölkerung konfrontiert. Trotz aller Gesetze oder Organismen ist die Korruption am Ende meist stärker. Umweltschäden, die durch diese Mine verursacht wurden, wurden bereits angezeigt, doch es passierte nichts. Die Mine liegt mitten in einem Wald des mesoamerikanischen Biokorridors, in einem Naturschutzgebiet. Ein großer Teil dieses Waldes ist bereits zerstört worden.
Die Proteste werden immer wütender, gleichzeitig wird gewaltsames Vorgehen von Seiten der Polizei angeprangert. Wie hat der Staat auf diese Vorwürfe reagiert?
Die Regierung hat sich nicht dazu geäußert. Und ja, es gab Gewalt. Ein Fotograf und Umweltaktivist verlor ein Auge. Vier Menschen sind ums Leben gekommen, unter ihnen zwei, die bei einer Straßenblockade von einem 75-jährigen Mann erschossen wurden. Der Täter ist zwar angeklagt worden, aber es gab bisher keine Reaktion von Seiten der Regierung, die diese Tat verurteilen würde. Über polizeiliche Gewalt wird innerhalb der Polizei nicht diskutiert. Und die gab es bei den Protesten.
Die Krise, die Panama aktuell erlebt, ist von der Regierung selbst hervorgerufen worden. Mehrere Seiten haben auf die Verfassungswidrigkeit des Vertrages hingewiesen und gewarnt, dass er deshalb nicht neu verhandelt werden dürfe. Die Regierung hat das gewachsene Umweltbewusstsein der Bevölkerung unterschätzt, zu dem sich ihre Frustration darüber gesellt, dass seit Jahren, gar Jahrzehnten den Forderungen der Zivilgesellschaft nicht nachgekommen wird. Diese Frustration ist über die Jahre gewachsen und explodiert irgendwann. Heute ist der Kipppunkt der „Contrato Minero“, morgen kann es etwas anderes sein.
Wie werden sich die Proteste in den nächsten Wochen weiter entwickeln?
Alle warten und hoffen darauf, dass der Vertrag für verfassungswidrig erklärt wird. Aber was würde passieren, wenn er doch als verfassungskonform definiert wird? Das Land würde in eine noch größere Krise schlittern. Die Gruppen, die aktuell auf der Straße sind, werden weiterhin präsent sein, bis das Urteil gefällt wird. Wir sind alle abhängig vom Urteil des Obersten Gerichtshofes, das nach dem 23. November bekanntgegeben wird. Nach dem 23. werden wir es wissen. Bis dahin hoffen wir.[fn]Am 28. November 2023 erklärte das Oberste Gericht den Contrato minero für verfassungswidrig. Das Unternehmen kündigte bereits eine Klage dagegen an.[/fn]