Die US-amerikanischen Umweltsoziologen beziehen sowohl politisch wie wissenschaftlich unmissverständlich Position: Der Kapitalimus kann nur funktionieren, wenn er die Kapitalakkumulation, also die Verwandlung von Geld in immer mehr Geld, ohne Ende vorantreibt (insbesondere Kapitel 9, Die Tretmühle der Akkumulation). Das kann nur bedeuten, dass Stoff- und Energieverbrauch ihrerseits immer weiter steigen, der Kohlenstoffhaushalt der Erde also aus dem Gleichgewicht gerät (insbesondere Kapitel 5, Der Kohlenstoffmetabolismus und die globale Kapitalakkumulation). Wir haben es neben dem von Marx benannten „absoluten allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation“ (also der Krisenhaftigkeit, die aus der dauernden Tendenz zur Überproduktion zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft entsteht) mit einem „absoluten allgemeinen Gesetz der Umweltschädigung unter dem Kapitalismus“ zu tun. Dabei handelt es sich um „eine Tendenz zur Anhäufung von Reichtum auf der einen Seite und zur Akkumulation von Ressourcenverarmung, Umweltverschmutzung, Arten- und Lebensraumzerstörung, urbaner Überlastung, Überbevölkerung und zur Verschlechterung des gesellschaftlichen Lebensumfelds auf der anderen Seite.“ (S.195f).
Von neun „planetarischen Grenzen“, die von Wissenschaftlern des Stockholm Resilience Center aufgezeigt wurden, sind sieben mit quantifizierbaren Messmethoden versehen. Drei davon gelten als Umkipppunkte, „die bei Erreichung eines gewissen Levels zu ausgedehnten qualitativen Veränderungen im System der Erde führen“ und sie unbewohnbar machen würden. Einer davon, der Klimawandel, und zwei weitere „haben ihre planetarischen Grenzen bereits überschritten“ (S. 16). Ohne einen Ausstieg aus dem Kapitalismus ohne wenn und aber werden diese Prozesse, die Folge der beiden oben erwähnten „absoluten Gesetze“, nicht zu beenden oder gar umzukehren sein.
Diese Aussage erscheint so regelmäßig im Buch, dass man nicht weiß, an welcher Stelle man sie zitieren soll. Das verweist auf ein Problem: Das Buch besteht aus 18 Kapiteln und einer Einleitung, von denen nur wenige gezielt für diese Veröffentlichung geschrieben oder völlig umgearbeitet wurden. Die meisten sind aktualisierte frühere Aufsätze. Das macht vor allem die wertenden Aussagen redundant, ohne dass man beim Lesen Teile überspringen könnte, da der Text sehr dicht und die Argumentation eng aufeinander aufbauend ist.
Für ila-LeserInen dürfte das 15. Kapitel „Imperialismus und ökologischer Metabolismus“ von besonderem Interesse sein. Die Autoren verfolgen die Spuren eines „ökologischen Imperialismus, (der) anders als Vorstellungen von ökonomischem, politischem und kulturelem Imperialismus kaum sichtbar gewesen“ ist (S. 329). Justus von Liebig und John C. Morton hatten darauf hingewiesen, dass der Transport von immer mehr Lebensmitteln und Kleidung vom Land in die Stadt dem Land Nährstoffe entzieht, die „künstlich“ wieder zugeführt werden mussten, und dafür u.a. den Transport von Guano (Vogeldung) von Galapagos nach Europa untersucht. Marx kannte diese Arbeiten genau und war der Meinung, dass die Probleme der industriellen Landwirtschaft unter einem Regime der Kapitalakkumulation nicht vermeidbar und unlösbar seien (u.a. S. 333).
Das Kapitel stellt die unglaubliche Geschichte des Guanoabbaus detailliert dar. An manchen Tagen wurden bis zu 20.000 Tonnen verschifft (S. 344). Die Arbeitsbedingungen der ganz überwiegend chinesischen „Kontraktarbeiter“ waren kaum vorstellbar, die Lebenserwartung auf den Inseln lag bei wenigen Monaten. Marx schrieb am 10.4.1857 in der New York Daily Tribune, die Kulis würden „zu einem schlechteren Preis verkauft als in der Sklaverei an der Küste von Peru“. Großbritannien als führende kapitalistische Macht liefert die chinesischen Arbeiter und der Vogeldung dient vor allem zur Düngung britischer Felder, was wiederum beides den Kapitalbeständen dortselbst nützlich ist.
Als nach der Mitte des 19. Jahrhunderts der Guano praktisch völlig abgebaut ist, fand sich ganz in der Nähe eine Alternative: In der peruanischen Provinz Tarapacá und der bolivianischen Atacama gab es riesige Nitratvorkommen, die nicht nur für die industrielle Landwirtschaft, sondern auch nach einem 1857 von DuPont erfundenen Verfahren für die Herstellung von Sprengstoff dienten. „Um 1857 erreichten die britischen Investitionen in Peru eine Gesamtsumme von einer Million Pfund.“ (S. 347) Der Wohlstand, den das auch der herrschenden Klasse in Peru einbrachte, „führte jedoch nicht zu irgendeiner nennenswerten ökonomischen Entwicklung“. Im Gegenteil, Peru verpfändete seine Exporte und verschuldete sich dramatisch. Im folgenden „Pazifikkrieg“ nutzte Chile die Gunst der Stunde und die Unterstützung der Briten, um den größten Teil der Nitratreserven an sich zu bringen. Allerdings auch in diesem Fall so, dass die Lagerstätten zwar chilenisches Territorium, die Felder selbst aber meist britischer Besitz waren (S. 352). „Der ökologische Imperialismus ermöglicht es den imperialen Ländern, eine ‚ökologische Kontoüberziehung’ vorzunehmen, die auf die natürlichen Ressourcen der peripheren Länder zurückgreift.“
Insgesamt ist „Der ökologische Bruch“ ein faszinierendes Buch mit einer überwältigenden Fülle an Material. Nirgendwo ist so umfassend vor allem die gesamte höchst umfangreiche Arbeit von Marx zum Ökologiethema aus den verstreutesten Quellen zusammengetragen – allerdings leider auf Grund der Lektorierung durch den Verlag mit wenig Nutzen für die deutschsprachigen LeserInnen: Alle Zitate sind nach den englischsprachigen US-Ausgaben angegeben. Das wie die insgesamt äußert schlampige Rechtschreibung trüben den Spaß ein wenig.
John Bellamy Foster, Brett Clark, Richard York: Der ökologische Bruch. Der Krieg des Kapitals gegen den Planeten, LAIKAtheorie Band 6, Laika-Verlag Hamburg 2011, ISBN 978-3-942281-97-3, 494 Seiten, 39,90 Euro