Werke deutschsprachiger Autoren, die ab 1933 emigriert waren, wurden zwischen 1933 und 1950 nicht nur in Europa in deutscher Sprache gedruckt – da vor allem in Holland, Schweden und der Schweiz –, sondern auch in Laterinamerika.

In Argentinien gab es über zwanzig Verlage, die deutsche Bücher verlegten; einige nur ein Buch, andere mehrere und einige, wie vor allem Estrellas und Cosmopolita, eine ganze Anzahl. Die meisten der damals dort verlegten Autoren lebten selbst in Argentinien, z.B. Paul Zech, Paul Walter Jacob, Doris Dauber, August Siemsen und Jan Luzian. Von zwei berühmten Autoren, die nicht persönlich in Argentinien waren, kam dort je ein Buch heraus, und zwar die „Schachnovelle“ von Stefan Zweig und „Eine blassblaue Frauenschrift“ von Franz Werfel.

Die Bücher, die dort entstanden, haben meistens gar nichts mit dem Exilland zu tun, sondern behandeln andere Themen, sowohl die Romane wie die übrigen Schriften. Ausnahmen sind Paul Zech und Paul Walter Jacob, dessen Werk „Sieben Jahre Deutsche Freie Bühne in Buenos Aires“ über das deutsche Theater berichtet, das er in Buenos Aires gegründet und geleitet hatte. Sehr intensiv mit Südamerika, vor allem mit Paraguay und Argentinien, beschäftigte sich Paul Zech in seinen Romanen, die aber zum großen Teil erst posthum in Ostdeutschland herauskamen. In Argentinien selbst erschien sein Gedichtband „Neue Welt – Verse der Emigration“, ein Roman und eine kleine Gedenkschrift für Stefan Zweig, mit dem er befreundet war. Zech starb 1946 in Buenos Aires.

Einige der übrigen Autoren blieben auch nach dem Krieg in Argentinien oder anderen südamerikanischen Ländern, aber die meisten kehrten nach Europa zurück.

In Brasilien durfte in den vierziger Jahren (das heißt nach dem Anschluß Brasiliens an die Alliierten) kein Buch in deutscher Sprache gedruckt werden, daher erschienen einige Exilbücher dort in französischer Sprache, z.B. ein Buch über den Präsidenten Getulio Vargas von Hans Klinghoffer und ein Erinnerungsbuch an Frankreich von Susi Eisenberg: „A la recherche d’un monde perdu“. Auch in portugiesischer Sprache erschienen einige Bücher von exilierten Autoren, z.B. „Diálogos dos grandes deste mundo“ von Ernst Feder und verschiedene Werke von Otto Maria Carpeaux, der in Brasilien blieb und dann nur noch Portugiesisch schrieb. Vor dem Verbot der deutschen Sprache erschien „Zeitlose Glossen von heute und morgen“, eine Sammlung von Texten von Polgar, Tucholsky, Joseph Roth und anderen, außerdem „Judenfrage und Welt von heute“ von Ernst Oppler und einiges andere, aber nichts, was sich auf Brasilien bezieht, wo diese Autoren doch lebten. Stefan Zweig schrieb dort sein großes Buch „Brasilien – ein Land der Zukunft“, dessen Erstausgabe aber (1942) in Stockholm herauskam, nur die portugiesische Übersetzung erschien in Rio de Janeiro.

Ulrich Becher, der selbst in Brasilien war, schrieb zwei schöne, von seiner Umgebung inspirierte Gedichtbände: „Reise in den blauen Tag“ und „Brasilianischer Romanzero“, die aber etwas später in Europa herauskamen. Später schrieb Becher auch Theaterstücke, die in Brasilien spielen. Hier muß auch Richard Katz erwähnt werden, dessen Bücher „Seltsame Fahrten in Brasilien“, „Mein Inselbuch“ und „Begegnungen in Rio“ dort entstanden sind, wenn sie auch in der Schweiz verlegt wurden.

Nun kommen wir zu Mexiko und dem Verlag „El Libro Libre – das Freie Buch“. Hier wurden zwischen 1942 und 1946 etwa zwanzig literarische oder politische Werke in deutscher Sprache gedruckt. Die Auflagen waren klein, meist um die 500 Exemplare, so daß diese Bücher jetzt hier fast so selten sind wie die Wiegendrucke des 15. Jahrhunderts.

Von Autoren, die nicht selbst in Mexiko waren, erschienen bei El Libro Libre „Lidice“ von Heinrich Mann, „Die Tochter“ von Bruno Frank und „Unholdes Frankreich“ von Lion Feuchtwanger. Von den in Mexiko lebenden Autoren war wohl Egon Erwin Kisch der rührigste, der sich eingehend mit Land und Leuten beschäftigte, was in seinen Büchern „Entdeckungen in Mexiko“ und „Marktplatz der Sensationen“ zum Ausdruck kam. Die bedeutendste Schriftstellerin, die damals in Mexiko lebte und schrieb, war Anna Seghers, wenn auch ihr Hauptwerk „Das siebte Kreuz“, 1942 in Mexiko erschienen, schon kurz vorher, noch in Europa, geschrieben wurde.

Ein anderer sehr guter und schon damals bekannter Autor war Ludwig Renn, dessen „Adel im Untergang“ 1944 bei El Libro Libre erschien. Es hat nichts mit Mexiko zu tun, aber später, nach seiner Rückkehr in die DDR, schrieb er noch ein Buch über Morella, eine mexikanische Universität, an der er selbst auch gelehrt hatte.

Außer Anna Seghers und Ludwig Renn waren damals noch Alexander Abusch, Paul Mayer, Theodor Balk, Bodo Uhse, Theodor Plivier, Paul Merker, Leo Katz, F.C. Weiskopf und Ernst Sommer in Mexiko. Diese Autoren behandelten in ihren Werken meistens politische Themen, auf jeden Fall nichts, das mit Mexiko zu tun hatte.

Von 1941 bis 1946 existierte in Mexiko auch die kommunistische Zeitschrift „Alemania Libre – Freies Deutschland“, bei der neben anderen auch die genannten Autoren mitarbeiteten.

 

Über deutsche Exilliteratur in Mexico vgl. auch den Artikel in ila 115 „Deutsche in Mexico“, Mai 1988.