Das Thema ist nicht neu. Schon der guatemaltekische Literaturnobelpreisträger Miguel Angel Asturias hatte in den 1940er- und 1950er-Jahren in seinen Romanen und Erzählungen das Treiben der United Fruit Company (UFC) in Mittelamerika thematisiert. Vor allem seine Bananen-Trilogie ist eine leidenschaftliche Anklage der Ausbeutung der indigenen Landbevölkerung durch den US-Früchtekonzern auf den Bananenplantagen in seiner Heimat. Sein Diktatoren-Roman „El Señor Presidente“ (1933 verfasst, aber erst 1946 in Mexiko erschienen) setzte dem unseligen Wirken von Diktator Manuel Estrada Cabrera (1898-1920) ein Denkmal. Der korrupte Potentat hatte dafür gesorgt, dass die UFC ganz nach Belieben im Land schalten und walten konnte und darüber hinaus das Transportmonopol zwischen dem an der Karibikküste gelegenen Hafen Puerto Barrios und den US-Häfen erhielt. In den acht Kurzgeschichten seines Erzählbandes „Weekend in Guatemala“ thematisierte Asturias bereits 1956 den Sturz der demokratisch gewählten Reformregierung von Jacobo Árbenz Guzmán zwei Jahre zuvor. Bekannt sind auch die Fakten und Hintergründe: die auf Betreiben der UFC von der CIA und der Eisenhower-Administration gesteuerte Revolte des guatemaltekischen Putschisten, Oberst Carlos Castillo Armas. Dessen internationale Söldnertruppe startete von Honduras aus, mit Unterstützung der Diktatoren Somoza und Trujillo, einen Angriff auf sein Heimatland, der als „Bananenkrieg“ in die Geschichte einging. Nachzulesen etwa in dem spannenden und aufschlussreichen Buch „Bananenkrieg. CIA-Putsch in Guatemala“ von Stephen Schlesinger und Stephen Kinzer, das auch auf US-Dokumenten basiert, die erst in den 1980er-Jahren freigegeben wurden.
Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa hat das Thema nun aufgegriffen. In dem spannenden Politthriller beziehungsweise Tatsachenroman „Harte Jahre“ hat er den Ablauf, die Vor- und Nachgeschichte sowie die internationalen Verwicklungen des Bananenkrieges nacherzählt und mit einigen fiktiven Elementen verwoben. Kaum eine Facette des Ereignisses wird ausgelassen. Das Werk zeugt von umfangreichen Recherchearbeiten vor Ort in Guatemala, Honduras, Washington, Miami und Santo Domingo. Dort hatte Vargas Llosa schon vor mehr als 20 Jahren für seinen Diktatorenroman „Das Fest des Ziegenbocks“ (2001) recherchiert. Auch dieses Kapitel der lateinamerikanischen Geschichte – die Auswüchse der Diktatur Trujillos in Santo Domingo, der Tyrannenmord und die Umstände seines Sturzes – hatten den Autor gefesselt. Vor Ort war er mit Autor*innen, Historiker*innen und Zeitzeug*innen in Kontakt, die ihm viele Details und Episoden aus der Trujillo-Zeit berichteten. Hier stieß er auf Figuren und Fakten, die in „Harte Zeiten“ wieder einflossen.
Die 32 Kapitel des Romans sind von einer Vor- und einer Nachgeschichte umrahmt, die die Titel „Vorher“ und „Nachher“ haben. In der Vorgeschichte geht es um den UFC-Direktor Sam Zemurray, der 1944 den Werbefachmann Edward Bernays anheuert. Vargas Llosa schildert das Zusammentreffen der beiden ungleichen Männer. Der PR-Experte und Autor von „Propaganda“ soll das miserable Image der UFC aufpolieren. „Offenbar sind Sie der Mann, der das in Ordnung bringen könnte. Ich möchte Sie engagieren, als Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Unternehmen. Wie auch immer, wählen Sie die Bezeichnung, die Ihnen am besten gefällt. Und um Zeit zu sparen, bestimmen Sie auch gleich das Honorar.“ So erhielt Bernays Gelegenheit, seine umstrittene Theorie von der „bewussten und intelligenten Manipulation der formierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen“ und von denjenigen, die jenen „verborgenen Mechanismus steuern“ und die eine „unsichtbare Regierung“ bilden, in der Vorbereitung des guatemaltekischen Bananenkrieges in der Praxis anzuwenden.
In der Vorgeschichte liefert Vargas Llosa zudem einen kurzen Abriss der historischen Ereignisse: Er schildert den Sturz des Diktators Jorge Ubico durch die Oktoberrevolution 1944, die ersten freien Wahlen und die arbeitsrechtlichen Reformen der Regierung Juan José Arévalo (1945-1951). Bernays sorgt dafür, dass die Brüder und Anwälte John Foster und Allan Dulles (1954 US-Außenminister beziehungsweise CIA-Chef) das Mandat für die UFC übernehmen, bevor er eine Informationsreise nach Guatemala unternimmt und anschließend dem UFC-Aufsichtsrat in Boston einen Bericht mit konkreten Empfehlungen liefert. Arévalo sei genauso wenig Kommunist wie die Mitglieder des UFC-Aufsichtsrats, und es bestehe keine Gefahr, dass Guatemala ein sowjetischer Brückenkopf werde. Die wahre Gefahr sei eine andere, Arévalo wolle aus Guatemala eine Demokratie machen wie die USA. Sein Arbeitsgesetz erlaube die Gründung von Gewerkschaften, verpflichte die UFC, für die Arbeiter*innen und deren Familien Krankenversicherung und Rentenbeiträge zu zahlen. Sein Antimonopolgesetz schütze den freien Wettbewerb und bringe der UFC Gewinneinbrüche und ein Ende der Steuerfreiheit, kurz: Die Reformen bedrohten ihre privilegierte Stellung im Land. Zudem könne der Funken überspringen und könnten Nachbarländer angesteckt werden. Die Gefahr sei nicht der Kommunismus, sondern die Demokratisierung.
Als Strategie schlägt Bernays vor, auf die US-Regierung und -Öffentlichkeit einzuwirken, „auf eine Weise, dass man von dem Ernst der Lage überzeugt ist und die Gefahr für so groß hält, dass sie auf der Stelle gebannt werden muss.“ Die Öffentlichkeit müsse mit allen Mitteln über Presse, Rundfunk und Fernsehen von der angeblichen Bedrohung eines Trojanischen Pferds der Sowjetunion im Hinterhof der USA überzeugt werden. Gelinge das, werde Guatemala auf Jahrzehnte keine moderne Demokratie und die UFC werde weiterhin sehr viel Geld verdienen. Diese Strategie ging auf. Guatemala wurde zu einer Meldung in den Medien, Journalist*innen zu „Marionetten eines genialen Puppenspielers“ und selbst die liberalen Zeitungen wiesen bald auf „die wachsende Gefahr für die freie Welt“ hin.
Die 32 Romankapitel sind nicht chronologisch aufeinander aufgebaut, sondern springen in der zeitlichen Abfolge immer wieder vor oder zurück. Sie stellen die ganze Vielfalt des meist historisch verbrieften Personals vor, was die Lektüre für nicht eingeweihte Leser*innen nicht immer einfach macht, zumal ein Register der auftretenden Personen und ihrer Rolle im Geschehen fehlt. Der Autor liefert eine teilweise starke Psychologisierung der Hauptakteur*innen, etwa wenn er Jacobo Árbenz oder Carlos Castillo Armas („Mister CACA“) in all ihrer Kreatürlichkeit darstellt, ihre Stärken und Schwächen hervorhebt: Árbenz‘ Alkoholismus, aber auch seine Intelligenz („akademische Brillanz“, „Jahrgangsbester“, „junger Mann mit großer Zukunft“) und CACAs Minderwertigkeitskomplex („aus dem Volk, unehelich, arm und indianischen Blutes“); Árbenz‘ Tatkraft (seine Rolle bei der Absetzung Ubicos) und Antrieb (die Modernisierung und Verbesserung der Lebensverhältnisse der Landarbeiter*innen) und CACAs obstinaten Verfolgungswahn, seine Missgunst und seinen unbändigen Hass („er hatte ihn [Árbenz] schon gehasst, als sie Kadetten an der Militärakademie waren“). Bislang wenig bekannte Aspekte greift Vargas Llosa auf, etwa die Rolle der aus El Salvador stammenden Ehefrau von Árbenz, María Cristina Vilanova, die der Oberschicht entstammte und fortschrittliche Einstellungen hegte sowie KP-Führer José Manuel Fortuny, Revolutionäre wie Carlos Manuel Pellecer oder liberale Intellektuelle zu ihrem Freundeskreis zählte. Sie sensibilisierte Árbenz für die sozialen Probleme Guatemalas und hatte großen Einfluss auf seine Reformagenda.
Breiter Raum wird dem berühmt-berüchtigten US-Botschafter John Peurifoy eingeräumt, „dem Cowboy“, der zuvor als US-Botschafter in Athen im griechischen Bürgerkrieg entscheidend dazu beigetragen hatte, „mit den Kommunisten aufzuräumen, für die sei er der Schlächter von Griechenland“ gewesen. Der Dialog zwischen ihm und Árbenz im Privatsalon des Präsidenten gleich nach der Akkreditierung ist verbürgt. Peurifoy überreicht Árbenz eine Liste mit 40 Namen, angeblichen Kommunisten, mit den Worten: „Im Namen der Vereinigten Staaten fordere ich Sie auf, sie unverzüglich aus ihren Ämtern zu entfernen.“ Árbenz: „Das ist kein guter Anfang, Herr Botschafter. Sie sind schlecht informiert… Oder haben Sie vergessen, dass Guatemala ein souveränes Land ist und Sie nur ein Botschafter sind, kein Vizekönig und kein Statthalter?“
Weniger bekannt als die Umstände des CIA-Putsches sind die Umstände der Ermordung von Castillo Armas 1957, sozusagen die zweite Geschichte, die im Roman erzählt wird. Die Tat ist nie aufgeklärt worden, weshalb sich viele Legenden um den Tod des Putschisten ranken. Eine lautet, ein junger indigener Soldat und Mitglied der Palastwache, Romeo Vásquez Sánchez, habe auf CACA geschossen, um den Tod seines Vaters zu rächen, der der unbändigen Repression zum Opfer gefallen sei, die der Machthaber seit 1954 entfesselt hatte. Vargas Llosa verfolgt eine andere Spur. In „Harte Jahre“ ist der junge Soldat ein Opfer der Attentäter, die ihn ermorden und benutzen, um eine falsche Fährte zu legen. Dabei stützt sich Vargas Llosa auf das Buch „Rhapsodie eines Verbrechens. Trujillo vs. Castillo Armas“ des dominikanischen Autors Tony Raful, das 2017 erschienen ist. Er schildert die Ermordung als eine Tat im Auftrag des dominikanischen Diktators Trujillo, der sich an CACA habe rächen wollen, weil der die ihm gegebenen Versprechen wie die Auslieferung eines oppositionellen Militärs, eine Einladung nach Guatemala und die Verleihung des Quetzal-Ordens nicht eingehalten und zudem bei einem Cocktail-Empfang Trujillos Sohn Ramfis beleidigt habe. Trujillo habe deshalb den Oberst des Geheimdienstes, Johnny Abbes García, mit dem Mord beauftragt, und der habe sich in Guatemala mit CACAs Geheimdienstchef Enrique Trinidad Oliva zusammengetan, um den Auftrag gemeinsam auszuführen. Trujillos Motivation schildert Vargas Llosa im siebten Kapitel, in dem er in rascher Abfolge mit den Dialogen zwischen Trujillo und CACA beziehungsweise Trujillo und Abbes García jongliert. Abbes García spielte bereits in „Das Fest des Ziegenbocks“ eine zentrale Rolle als Scherge und Folterknecht des Trujillo-Regimes. In „Harte Jahre“ endet er 1962 in Port-au-Prince, wo er von den Todesschwadronen Duvaliers, den Tontons Macoutes, getötet wird, weil er gegen den haitianischen Diktator Papa Doc konspiriert hatte. Dieses Ende schildert Vargas Llosa im letzten Kapitel seines neuen Romans.
Der Roman erzählt noch eine dritte Geschichte, nämlich die der jungen Schönheit Marta Borrero Parra, genannt Miss Guatemala. Fast noch ein Kind, wird sie von einem engen Freund ihres Vaters verführt und schwanger. Um den „guten Sitten“ zu genügen, wird sie mit ihm zwangsverheiratet, doch die Ehe hat keine Zukunft. Marta verlässt Mann und Kind und sucht im Präsidentenpalast bei Castillo Armas, ebenfalls Freund ihres Vaters, Zuflucht. Sie wird seine Geliebte und hat auch ein Verhältnis mit Abbes García, der dafür sorgt, dass sie nach CACAs Ermordung nach San Salvador und von dort nach Ciudad Trujillo gebracht wird. Sie wird Mitarbeiterin der CIA und kann nach der Ermordung Trujillos 1961 in die USA ausreisen. Im „Nachher“ titulierten Schlusskapitel des Romans führt Vargas Llosa ein Interview mit Marta, das Tony Raful ihm vermittelt hat. Die leidenschaftliche Antikommunistin ist hochbetagt, lebt in Virginia, nicht weit vom Sitz der CIA in Langley, und entpuppt sich als Apologetin der lateinamerikanischen Diktatoren der 1950er-Jahre. Castillo Armas sei „die große Liebe ihres Lebens gewesen“, auch Abbes García sei „ein vollendeter Kavalier“ gewesen, der seine Mutter verehrt habe, was „immer ein Zeichen für einen guten Menschen“ sei. Sie bringt kaum Klarheit in die Umstände von CACAs Ermordung, bleibt im Ungefähren und antwortet nicht auf die Fragen des Autors, sondern gibt allenfalls Informationen zu Vorgängen, die „in Zeitungsreportagen und Geschichtsbüchern nur allzu gut dokumentiert“ sind.
Auf den beiden letzten Seiten kommt Vargas Llosa zur Kernthese seines Romans: Es sei ein großer Fehler der USA gewesen, für den Putsch gegen Árbenz Castillo Armas auszuwählen. Der Sieg sei kontraproduktiv gewesen, weil er die Stimmung gegen die USA in Lateinamerika angeheizt und zur Radikalisierung der linken Parteien geführt habe, die fortan im Kommunismus, Trotzkismus oder Marxismus ihr Heil suchten. Vielleicht wäre die cubanische Revolution anders verlaufen, „hätten die USA die Modernisierung und Demokratisierung Guatemalas, wie von Arévalo und Árbenz angestrebt, akzeptiert.“ Und in Guatemala habe Castillo Armas‘ Triumph für jahrzehntelange diktatorische Militärregime, Guerillakriege und Terrorismus gesorgt, in ganz Lateinamerika habe die US-Intervention die Demokratisierung um Jahrzehnte verzögert und „kostete Tausenden von Menschen das Leben, denn sie trug erheblich dazu bei, den Mythos von der bewaffneten Revolution und vom Sozialismus in ganz Lateinamerika zu verbreiten“, schreibt der Autor.
Hier kommt natürlich bei Vargas Llosa der Politiker durch, der seinen neoliberalen Prinzipien treu bleibt. Man muss dem eigenwilligen Autor darin nicht folgen, um seinen Roman als ein spannendes, raffiniert komponiertes und aufschlussreiches Meisterwerk zu loben.