Vor wenigen Tagen erhielten wir die traurige Nachricht, dass die Autorin Leonora Carrington am 25. Mai 2011 im Alter von 94 Jahren in Mexiko-Stadt gestorben ist. Leonora Carrington war eine der letzten Künstlerinnen des klassischen Surrealismus. Die Malerin und Dichterin war nicht nur die oft beschriebene Muse ihrer männlichen Kollegen. Wohl war sie mit Max Ernst liiert, und Breton erzählte bewundernd, wie sie einst in einem vornehmen Pariser Restaurant ihre Schuhe auszog und ihre Füße mit Senf bestrich. Doch Carrington war vor allem eine selbstbewusste surrealistische Künstlerin. Ihre Malerei stellte sie in Amsterdam und Paris aus und später in Mexiko, wo sie seit 1942 lebte.
Leonora Carrington kam am 6. April 1917 als Tochter eines reichen Tuchhändlers in Lancashire zur Welt. Sie zeigte früh ihre künstlerische Begabung und studierte an der Chelsea School of Art und an der Academy von Ozenfant in London. 1937 lernte sie Max Ernst kennen, kurz darauf wurden sie ein Liebespaar in Paris, wo sie in den Kreisen der Surrealisten um Dalí, Breton und Picasso verkehrten. In der großen Surrealisten-Ausstellung in Paris von 1938 präsentierte Leonora Carrington eigene Werke. 1940, beim Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich, floh sie über Spanien und die USA nach Mexiko, wo sie heute als große zeitgenössische Künstlerin etabliert ist – der mexikanische Staat verlieh ihr 2005 die Goldmedaille der Schönen Künste und den Premio Nacional de Bellas Artes.
Im Herbst 2009 veröffentlichte die Edition Nautilus den Band „Die Windsbraut“, in dem ausgewählte Prosa Carringtons von den dreißiger bis zu den achtziger Jahren versammelt ist, etwa die Hälfte der Erzählungen liegt hier erstmals in deutscher Übersetzung vor. Ausgewählte Gemälde korrespondieren mit den „bizarren Geschichten“, so der Untertitel, und ermöglichen im Zusammenspiel einen Blick auf die grenzüberschreitende Künstlerin Leonora Carrington. Sie wird uns fehlen.