In einer Welt, die zur Homogenisierung der Lebensweisen tendiert, ist die unverständliche „andere Art zu leben, zu sein und zu denken“ der Beginn der Ausgrenzung: Eine Mehrheit, die die eigene Lebensweise für allgemeingültig, normal und in der männlichen Logik für angemessen hält, schließt andere Lebensweisen aus. Dies ist der Ausgangspunkt von Rassismus und Gewalt. Die als „machistisch“ beschriebene Gewalthandlung zeigt sich als der Versuch, das weibliche Andere auszuradieren. Dieses Anderssein der Frau, das sich anscheinend nicht eliminieren lässt, gibt den Aussagen der männlichen Patienten zufolge Anlass für die Gewalttat: „Sie erledigt die Dinge nicht so, wie ich es will, sie denkt anders“, „Sie muss so denken wie ich“, „Mir gefällt es nicht, dass sie eigenständig Dinge tut. Sie muss mir vorher Bescheid sagen“, „Warum hält sie nicht einfach den Mund und tut, was ich ihr sage?!“
Jegliche Gewalt abzulehnen bedeutet gleichzeitig den radikalsten Respekt vor der Aussage des oder der anderen, während Gewalt als Versuch der Ausübung von Macht immer ein Zeichen der Unfähigkeit ist, ehrlich zu kommunizieren. Wenn das Gespräch mit einer Beleidigung an seine Grenze kommt und diese Grenze überschritten wird, dann wird mit dem Griff zur Gewalt das Unbeschreibliche oder Unerklärliche geschlagen, das sich im Anderen (dem Weiblichen) manifestiert hat. Nur mit einem absoluten Respekt vor der jeweiligen anderen sexuellen Identität kann die Gleichberechtigung in der sozialen Wirklichkeit umgesetzt werden. Die Übernahme dieses logischen und ethischen Prinzips ist schon für sich genommen eine Form der Vorbeugung gegen Gender-Gewalt.
Für therapeutische Maßnahmen mit Männern, die wegen familiärer Gewalt angeklagt sind, gibt es soziale wie psychologische Motive. Sozial wird die Therapie dadurch gerechtfertigt, dass sie zu einer Reduzierung der Gewalt an Frauen und zu mehr Sicherheit und Wohlbefinden in den Familien beiträgt. Dem Mann sollte die Chance gegeben werden, sein Verhalten zu ändern, um das heutige und mögliche künftige Opfer zu schützen. Denn erfahrungsgemäß gehen die Männer auch nach einer Trennung neue Beziehungen ein. Ziel ist es also, den Zyklus der Gewalt zu unterbrechen. Zwangsmaßnahmen wie Gefängnis oder Körperstrafen sind dafür unzureichend, weil ihnen die therapeutische Komponente fehlt. Es klingt absurd, dass die bolivianischen Gefängnisse offiziell „Rehabilitationszentren“ genannt werden, geschieht doch dort genau das nicht. Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, lediglich zu bewachen und zu strafen. Die psychologische Ursachendiagnose, die Förderung der individuellen Verantwortung und die Behandlung der Ursachen werden vernachlässigt.
Es gibt aber auch psychologische Gründe, die die Therapie von Männern, die Gewalt ausüben, rechtfertigen. Als Psychologe verzichte ich darauf „gegen Gewalt zu kämpfen“. Denn ich glaube nicht, dass man mit Gewalt (stärkerer Gewalt als der der Täter?) das Problem löst. Es gibt Institutionen, wie etwa die Polizei, die von Amtes wegen Gewaltmittel anwenden. Aber für die Psychologie gilt das nicht. Die psychologische Intervention folgt klinischen und ethischen Kriterien. Unsere Aufgabe ist es, Gelegenheiten und Raum zu schaffen, wo die Personen ihr Unwohlsein und ihr Leiden zum Ausdruck bringen können. Gewiß nicht nur, um allein zu reden und zu klagen. Mit dem professionellen Anhören, dem Interpretieren und Nachfragen können vielmehr individuelle Ressourcen zur Problemlösung mobilisiert werden: Damit die sich immer wiederholenden Verhaltensmuster aufgebrochen werden, die nicht nur anderen, sondern auch ihnen selbst schaden.
Das psychologische Betreuungsangebot muss allen gelten, auch Männern, die Gewalt angewendet haben oder dies noch immer tun. Auch wenn eine Reihe von öffentlichen und privaten Institutionen dies immer noch aus Kostengründen, politischen Motiven oder einfach aufgrund von diskriminierenden Vorurteilen ablehnen. Ihnen sei gesagt, dass das Problem die Gewalt ist, nicht der Mann. Die klinische Arbeit muss allerdings ohne die fixe Idee angegangen werden, dass alle heilbar oder in unserem Sinne zu beeinflussen seien. Das behindert nur eine angemessene Vorgehensweise. Vielmehr geht es darum, in der psychologischen Intervention beim Patienten die persönlichen und unbewussten Bedeutungen zu identifizieren, die mit dem Griff zur Gewalt einhergegangen sind. Und selbst bei Männern, die noch nicht gewalttätig geworden sind, ist es möglich, Spuren unbewusster Wünsche aufzudecken, damit derjenige Alternativen zur Gewalt entwickeln kann. So unterstützt der Psychologe Patienten, die zwar strafrechtlich voll verantwortlich für ihre Taten sind, die aber dennoch sprachliche und soziale Defizite haben, die es ihnen erschweren, sich gewaltfrei in Konflikten mit der Partnerin auseinanderzusetzen. Durch die Interventionen entdecken die Patienten, dass es nicht nur eine einzige „richtige“ Lebensform gibt. Der Respekt vor dem Anderen ist in diesem Fall der Respekt vor dem Weiblichen, um davon ausgehend neue gewaltfreie Formen der sozialen Beziehungen zu entwickeln. Der therapeutische Prozess versucht, dass sich der einzelne Mann in Bezug auf Liebe, auf die Frauen und seine Partnerbeziehung selbstverantwortlich und unabhängig von ihn umgebenden sozialen Mustern und Prägungen positioniert, die häufig Gewalt vorschreiben: „Mein Großvater sagte mir, dass ich mir mit Schlägen bei den Frauen Respekt verschaffen muss“, erklärte ein Patient. Ein anderer entschuldigte die Taten damit, dass die Gesellschaft ihn gelehrt habe, gewalttätig zu sein. Oder: „Man hat uns beigebracht, dass der Platz der Frauen an Heim und Herd ist.“ Die Gestaltung neuer Formen in einer Beziehung jenseits der Schädigung beider verdrängt die Gewalt als übliches Verhaltensmuster.
Für mich als Therapeut ist es wichtig, Etikettierungen und Verallgemeinerungen zu vermeiden. „Gewalttätige Männer“ oder „Aggressoren“ sind Kategorien, die die Person auf ein einziges Merkmal reduzieren. Dabei wird jedoch der Unterschied zwischen Persönlichkeit und Handlung verwischt, was zu irrationalen Verurteilungen führt. Sie unterscheiden nicht zwischen der Persönlichkeit („Wer ist das, der vor dem Therapeuten sitzt?“, „Ist er permanent gewalttätig oder nur unter Alkoholeinfluss? Hat er einmal zur Gewalt gegriffen oder immer wieder?“) und der Gewalthandlung selbst: Mit welchem Ziel wurde sie angewandt? Verallgemeinerungen und Etiketten erschweren die therapeutische Arbeit, die von einer individuellen Diagnose ausgeht. Hinter dem „Gewalttäter“ kann sich ein ohnmächtiger Mann verbergen, dem andere, sprachliche Artikulationsmöglichkeiten fehlen; oder ein Mann, der seine Frau gestoßen oder eingesperrt hat, oder auch ein Paranoiker, der in seinem Delirium glaubt, die Frau wolle ihm schaden. Es kann eine gewohnheitsmäßig Gewalt anwendende Person sein, oder ein Mann, der mit dem ernsthaften Interesse in die Therapie kommt, sich über seine Handlungen klar zu werden und Verantwortung dafür zu übernehmen.
Die meisten Männer, die zur Gruppen- oder Einzeltherapie kommen, werden von der Staatsanwaltschaft oder dem Richter geschickt. Manche kommen auch freiwillig. Viele von ihnen, weil sie eine Krise ihrer Beziehung erleben, die Partnerin sie verlassen will. In allen drei Gruppen hört man häufig die Begründung, dass der Staatsanwalt, der Richter, die Partnerin, die Familie oder die Polizei sie „geschickt“ haben. Hier ist die Erfahrung des Therapeuten gefragt, damit aus dem äußeren Druck eine intrinsische Motivation wird, damit der Patient aus eigenem Willen teilnimmt, weil er das Problem und seine eigene Verantwortung dafür wahrnimmt. Es gilt, den furor curandis zu vermeiden, diesen Willen, auf Teufel komm raus den Patienten heilen zu wollen, ohne dessen Selbstbestimmung zu respektieren. Wir wissen, dass von den Patienten Widerstände kommen, vor allem am Anfang, aber auch im Verlauf der Therapie. Darauf muss man mit Zwischendiagnosen, Supervision, gegebenenfalls Einzeltherapien etc. reagieren. Neben der klinischen Ausbildung ist es dabei nötig, dass der Therapeut Gruppenprozesse leiten kann und den Gender-Diskurs verinnerlicht hat. Er muss einen entsprechenden persönlichen Prozess durchlaufen haben, damit eigene Probleme nicht auf den Patienten übertragen werden. Aber vor allem muss er bereit sein, bei schwierigen Fällen Supervision in Anspruch zu nehmen. Bei dem erwähnten Therapieleitfaden werden im Idealfall meist 16 je zweistündige Gruppensitzungen innerhalb von vier Monaten absolviert. Hinzu kommt eine variable Zahl von Vor- und Nachbesprechungen. Das alles abhängig vom Fortschritt der einzelnen Person. Die Gruppensitzungen dienen dabei auch dazu, die individuellen Sitzungen vorzubereiten, bei denen auch intimere Fragen behandelt werden können.
Es bleibt aber noch viel zu tun, bis die therapeutische Arbeit mit Männern in Bolivien Teil der staatlichen Strategien zur Verringerung häuslicher Gewalt wird: durch Vermittlung der Methode an Fachpersonen aus anderen Landesteilen und Monitoring ihrer Interventionen. Lobbyarbeit mit den Verantwortlichen im Staatsapparat und auch die kritische Prüfung und Weiterentwicklung der Methode selbst sind dafür nötig.