Die Yaqui

Paco Ignacio Taibo II hat die Kampf- und Leidensgeschichte der Yaqui, eines indigenen Volkes in der Provinz Sonora im Nordwesten Mexikos, rekonstruiert. Seit der Invasion der Spanier im 16. Jahrhundert kämpfen sie um ihr Land am Yaqui-Fluss und um ihre Freiheit. Taibos Buch „gegen die umfassende Gedächtnislosigkeit“ beschreibt den Guerilla-Kampf der Yaqui von 1867 bis 1909. Mit fast 42 Jahren Dauer war dieser erbitterte Widerstand der längste bewaffnete Kampf in der Geschichte Mexikos. Um im Namen des „Fortschritts“ den Kapitalismus durchzusetzen, organisierte die mexikanische Regierung mit Massenverhaftungen und Deportationen schließlich einen Völkermord. Von ursprünglich 30.000 Yaqui blieben lediglich 7000 übrig; viele von ihnen befanden sich am Ende dieser Phase verstreut außerhalb ihres Territoriums.

In acht Dörfern lebten die Yaqui von Landwirtschaft, Jagd und Fischfang. Ihre Gemeinschaft war mit Versammlungsstrukturen basisdemokratisch aufgebaut. Die Türen standen offen und das Land war Gemeinschaftseigentum. „Die Indios sind im Wesentlichen kommunistisch“, meinte ein mit ihrer Bekämpfung beschäftigter Militär. Mit dieser Kultur standen die Yaqui der kapitalistischen Verwertung ihres Landes im Weg. Der Landraub wurde per Gesetz vorbereitet: In der Verfassung der Provinz Sonora wurde 1857 das Individualeigentum an Land festgeschrieben; später ermöglichte das „Gesetz über die Erschließung von Brachland“ die Privatisierung von Land durch den Staat. Im Jahr 1873 wurde die Staatsbürgerschaft der Yaqui annulliert. Diese wehrten sich jedoch gegen die Parzellierung ihres Landes, mit Aufständen und dem Bau einer Festung. Im Jahr 1886 genehmigte Präsident Porfirio Díaz einen Feldzug der Bundestruppen. Die Armee konnte die Festung einnehmen und das Tal besetzen, aber die Yaqui zogen sich zurück und setzten den bewaffneten Kampf mit Guerillataktiken fort. Die Barone von Sonora, die auf die Arbeitskraft der Yaqui angewiesen waren, boten Geld und Saatgut für diejenigen, die im Flusstal blieben. Aber auch die Versuche, die Rebell*innen zu kaufen, scheiterten. Die Yaqui gingen ins Exil in andere Landesteile, als Perlenfischer nach Niederkalifornien, sie arbeiteten als Tagelöhner auf den Haziendas und als Dienstpersonal in Haushalten, auf dem Bau sowie in den Kupfer- und Silberminen. Auch Arizona in den USA wurde zum Ort des Exils; die dort lebenden Yaqui unterstützten die Bewegung mit Waffen und Munition.

Militärs und agroindustrielle US-Unternehmen eigneten sich immer mehr Land an. Die Barone wurden immer reicher. Verschiedene Friedensverhandlungen scheiterten. Im Jahr 1895 bat das Militär bei der Zentralregierung um Erlaubnis, gefangene Yaqui zu deportieren. So begann die Route des Todes in die 3200 Kilometer entfernte Provinz Yucatán, wo die Gefangenen, die nicht auf dem Weg zu Fuß, auf Schiffen und in Viehwaggons gestorben waren, als Sklaven auf die Sisalplantagen verkauft wurden. Im Jahr 1908 befahl Präsident Díaz, sämtliche Yaqui – Männer, Frauen und Kinder – gefangen zu nehmen und zu deportieren. Soldaten erhielten Belohnungen für getötete Yaqui; als Beweis mussten sie die abgeschnittenen Ohren mitbringen. Der Massenmord wurde 1909 von der Regierung gestoppt. Wegen des gesunkenen Sisalpreises wurden auf den Plantagen in Yucatán weniger Arbeitskräfte benötigt; außerdem hatten sich Rancher und Bergwerksbesitzer in Sonora über die Deportation ihrer billigen Arbeitskräfte beschwert.

Wie viele Yaqui dem Morden zum Opfer fielen, lässt sich nicht beziffern. In den mexikanischen Geschichtsbüchern wird der Völkermord verschwiegen. Von der Relation her stellt Taibo ihn in eine Reihe mit dem Mord der türkischen Regierung am armenischen Volk und der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten. Als letzte Anmerkung schreibt er: „Ich beende das Buch in der Hoffnung, dass seine Lektüre diese bittere Mischung aus Abscheu, Bewunderung und Scham erzeugt, die ich empfunden habe.“ Das ist ihm in meinem Fall gelungen. Es ist quälend, so viele Berichte über Gemetzel, Tote auf Schlachtfeldern, Massaker, Folter und Mord zu lesen. Aber sie zeigen auch ein beeindruckendes Beispiel für unglaublich hartnäckigen Widerstand, der mit diesem Buch dem Vergessen entrissen wird. Leider gibt es kaum schriftliche Aufzeichnungen von den Yaqui selbst. Taibo hat Kontakt zu den Yaqui und sich 2011 ausdrücklich deren Erlaubnis geben lassen, dieses Buch zu schreiben. Ihre Geschichte musste er aber aus Militärberichten, Artikeln von Journalist*innen und offiziellen Dokumenten herausdestillieren. So erfahren wir teilweise fast zu viele Details über die Militärs, bis hin zu ihrem Aussehen, während die Seite, wie die Yaqui ihr Zusammenleben und ihren Widerstand organisiert haben, blass bleibt.

Taibos Erzählung endet mit der Rückgabe eines kleinen Teils ihres ursprünglichen Territoriums an die Yaqui im Jahr 1937. Aber sie sind immer noch da und ihr Widerstand geht bis heute weiter – gegen eine Ölpipeline durch ihr Gebiet oder Staudämme im Yaqui-Fluss, mit denen Wasser für die Städte und die Agroindustrie abgeleitet wird.

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