Die Zuschüsse denen, die sie benötigen

Die FMLN-Regierung hat das Subventionsprogramm umgestaltet, was manche linke Kritiker, auch aus der FMLN, allerdings auf den Druck des Internationalen Währungsfonds, mit dem El Salvador neue Kredite aushandelt, zurückführen. Nun sollen jedenfalls die unteren und mittleren Gesellschaftsschichten die Beihilfe erhalten. Nach dem Vorbild der von der UN-Wirtschaftskommission CEPAL entwickelten IT-Plattform Panorama 2005 erstellte das Wirtschaftsministerium ein Datenbanksystem, das die Armutsregionen des Landes, den Energieverbrauch der einzelnen Haushalte (zwischen 1 und 200 KW monatlich berechtigen zum Bezug) und die Auszahlung der monatlichen Beihilfe von 8,50 Dollar an die Berechtigen durch Banken und Sparkassen ausweist.

Ein Netz von Informationsstellen und ein ausführliches Internetangebot des Wirtschaftsministeriums vervollständigen das Projekt. Im März 2011 startete das Programm nach gut eineinhalb Jahren intensiver Vorbereitungen und den üblichen Geburtsschwierigkeiten: Schlangen in auszahlenden Banken, Beschwerden über die Datenkrake, die den WahlkämpferInnen der FMLN mit Blick auf die Parlamentswahl 2012 Sorgen bereiten, und eine politische Rechte, die in ihren Medien jeden Fehler lauthals anprangert und für den eigenen Wahlkampf nutzt. Das ändert jedoch nichts daran, dass El Salvador eine gerechte Subventionspolitik braucht und ebenso Daten für die wirtschaftliche Modernisierung des Landes. Darüber sprach ich mit Oscar Samayoa, dem Leiter des Plan de Ordenamiento y Transparencia del Mercado del Gas Licuado del Petróleo – und erhielt einen Einblick in den Alltag einer linken Regierung.

Weshalb die Neuordnung des Subventionsprogramms?

Erstmal weil es Bestandteil des Regierungsprogramms ist, der Plattform, mit der Mauricio Funes damals als Kandidat in den Wahlkampf gezogen ist. Und zweitens mit Blick auf die schwere Finanzkrise des Staates. Die Politik, Subventionen am Angebot, also an der Industrie, auszurichten, hat zur Verzerrung des Marktes geführt. Es waren dringend ordnende Maßnahmen nötig angesichts der enormen Finanzmittel, die überall ankamen, nur nicht bei den Leuten, die den Zuschuss brauchen.

Und wer bekommt jetzt die Beihilfe? Wie wurde das festgelegt?

Alle, deren Lebensbedingungen eine solche Beihilfe nötig machen. Um diese zu erfassen, hatten wir die Ergebnisse eines Zensus, der vor drei Jahren durchgeführt wurde. Daraus erarbeiteten wir die lokale Zuordnung dieser Bevölkerungsschichten auf der Grundlage einer Landkarte der Armutsregionen, die gemeinsam mit CEPAL ausgearbeitet wurde. Zu diesem Zeitpunkt hat der Präsident entschieden, dass das Programm ausgeweitet werden sollte, da nicht nur die ärmsten Schichten von der Wirtschaftskrise betroffen sind, sondern auch Mittelschichten, die unter anderen Voraussetzungen eine Erhöhung der Gaspreise hätten verkraften können, unter den gegebenen aber nicht. Wir haben dann beschlossen, den Energieverbrauch der einzelnen Haushalte als Grundlage für die Entscheidung nehmen. 

Es gab aber trotzdem noch vier Bereiche, die auf eine andere Weise erfasst werden mussten: Erstens alle, die nicht über Elektrizitätsversorgung verfügen. Zweitens die Leute an der Küste, die aber keine Häuser oder Grundstücke besitzen, sondern als Pächter leben oder als Wachleute und Personal in den Strandresidenzen. Drittens Wohnanlagen, die für mehrere Wohnungen nur einen einzigen Stromzähler haben. Und zu guter Letzt Wohnungen mit mehreren Haushalten. Diese Bereiche zu erfassen hat über ein Jahr gedauert. Im Januar hatten wir die Wohnanlagen mit gemeinsamen Stromzählern beisammen, die Information stammte hauptsächlich von den Energieversorgern, die diese Zähler anbringen. Und die vierte Gruppe wurde in den Centros de Atención por Demanda (CENADE) erfasst, von denen es landesweit einundzwanzig gibt.

Online erfasst werden auch die Auszahlungen der Beihilfe, alle fünf Sekunden werden die Zahlungen aktualisiert, die diejenigen Banken und Sparkassen auszahlen, die bereits im System sind. Bisher sind das ca. 75 Prozent landesweit, wir hätten gerne 100 Prozent. Dabei sind aber nicht wir das Problem, sondern die privaten Banken, die Probleme haben, Kapazitäten freizusetzen, um sich uns anzupassen. Aber zum Beispiel jede Filiale von FDEDECREDITO, jede Puntoexpress, jede Filiale der staatlichen Banco de Fomento, und der Banco Hipotecario ist hier im System und jederzeit mit Zeit und Ort abrufbar. 

Das ist ein ziemlicher Aufwand. Lohnt sich denn die enorme Investition? Wäre es nicht besser gewesen, sich an das alte System zu halten, das zwar nicht sehr effizient war, aber keine zusätzlichen Kosten verursacht hätte?

Darin sehe ich eben einen Denkfehler, zu sagen, dass das alte System, so wie es war, nicht zuviel gekostet hat. Und ob es das hat! Denn das Geld, das wir der Industrie gegeben haben, haben wir dem Steuerzahler abgenommen. Und die Industrie nimmt das Geld und investiert es, um Gaszylinder nach Guatemala oder Honduras zu exportieren. Das heißt, es kostet sogar eine ganze Menge. Allein in diesem Jahr hätten wir nach unseren Berechnungen über 156 Millionen Dollar als Subvention an die Industrie ausgezahlt. 

Und das System, das wir hier entwickelt haben, wird ja nicht nur für das Subsidio de Gas verwendet. Mit der gleichen Plattform arbeiten wir am Programm für die Ausgabe von Saatgut im Rahmen des Plan de Agricultura Familiar. Dafür werden die Angaben von über 235 000 kleinen ProduzentInnen aufgenommen, die Mais für ihren eigenen Bedarf anbauen. Und wir können auf dieser Landkarte nachvollziehen, in welchen Gebieten sie angesiedelt sind, wie ihre Produktionsbedingungen aussehen, unter welchen Umständen sie leben und welche Art Hilfe sie für ihre Landwirtschaft brauchen. 

Aber es geht noch weiter: Wir haben hiermit zum Beispiel ein System, um die Einhaltung der Benzinpreise zu überwachen. Als wir die Regierung übernommen haben, hat dieses Ministerium landesweit alle drei Monate den Tankstellen einen Besuch abgestattet. Mit diesem System machen wir das täglich und können denjenigen schnell auf die Finger klopfen, die sich nicht an die Preise halten. Es geht also nicht nur um eine Investition für das Subsidio de Gas. Es geht um eine ganze Reihe von Maßnahmen der öffentlichen Hand. Unsere Idee ist, weiter daran zu arbeiten und das System zu konsolidieren, weil es ein sehr wichtiges Werkzeug ist, um Politik für die Öffentlichkeit in El Salvador zu machen.

Aber wie nehmen die Leute diese Politik auf? Könnt ihr das einschätzen?

Wir sind immer vor Ort und in Kontakt mit Tausenden von Leuten. Allein in der letzten Februarwoche haben ungefähr 70 000 Menschen die CENADEs aufgesucht und jeder mit einer anderen Problematik. Wir haben allein rund 16 000 Menschen in den Küstenregionen in ihren Wohnorten aufgesucht. Diese Politik hat zum Beispiel zur Folge, dass Leute, die in abgelegenen Orten wie Cinquera, Nuevo Edén de San Juan, Carolina, San Simón, San Gerardo leben, sich ihre Beihilfen auszahlen lassen können, ohne den Bezirk verlassen zu müssen. Weil wir darauf geachtet haben, dass die Leute nicht irgendwo hinfahren müssen, um eine Bankfiliale aufzusuchen, sondern dass wir zu ihnen kommen. Klar, es gibt Fehler, aber wir arbeiten täglich daran, das Programm zu verbessern. Im Vergleich mit dem Zuspruch der Bevölkerung, die den Plan gerecht findet, und den Beschwerden über seine Mängel stehen wir sehr gut da. Die Leute hier kennen ihre Rechte und sie verstehen etwas von Protest.

Welche Entwicklungsmöglichkeiten hat der Plan denn noch?

Wir prüfen zum Beispiel, wie wir dazu beitragen können, den Preis der Tortilla stabil zu halten. Dazu haben wir berechnet, wie viele Tortillas mit einem Zylinder Gas produziert werden können. Und davon ausgehend haben wir drei Kombinationen entwickelt, die haben wir uns testweise auf dem Markt von Santa Tecla angesehen. Selbst auf diesem kleinen Markt gibt es rund 200 Stände, die Mahlzeiten anbieten. Wir haben den BesitzerInnen drei Vorschläge vorgelegt: Erstens, dass wir ihnen einen gemeinsamen Gastank anlegen und das Gas zu Großhandelspreisen beschaffen. Damit würden sie 20 % sparen im Vergleich zum Marktpreis. Zweitens, dass wir die Herstellung der Maismasse mechanisieren. Und drittens, dass wir ihnen das Subsidio de Gas geben. Das ist im Moment gesetzlich noch nicht möglich, da sich das Gesetz nur auf private Haushalte bezieht. Aber es liegt schon ein Gesetzesprojekt dafür vor. In der Zwischenzeit drehen wir hier nicht Däumchen.

Also insgesamt ein runder Erfolg?

Es gibt sogar den einen oder anderen positiven Nebeneffekt, der jedenfalls mich sehr zufrieden stimmt. Der wichtigste ist die finanzielle Unterstützung, die für den Sektor der Mikro- und Kleinunternehmen im Finanzbereich dabei herausgekommen ist. Deren Einkünfte aus ihrer Teilnahme an der Auszahlung des Subsidio de Gas übertreffen weit die der privaten Banken. Und das ist ein Wirtschaftsbereich, der immer benachteiligt wurde und für den es keine staatliche Förderung gab: die Kreditkassen, die Bancos de los Trabajadores, die Spargenossenschaften, wo mehrere Leute gemeinsam sparen, um sich kleine kurzfristige Kredite auszahlen zu können. 

Wir nennen diesen Sektor MYPES (micro y pequeña empresa, d.A.), weil sie winzig sind im Vergleich mit den staatlichen Finanzinstrumenten und den privaten Banken. In unserem System sind sie die großen Gewinner, weil sie mehr als jeder andere Auszahlungen an Berechtigte geleistet haben. Als Beispiel: FEDECACES ist eine Vereinigung von Spargenossenschaften, die in den kleinen Dörfern aktiv sind. Wir setzen uns mit den jeweiligen BürgermeisterInnen in Verbindung und legen einen Termin fest, an dem wir das Subsidio auszahlen. Das tun wir über die Einrichtungen von FEDECACES, den ganzen Tag, so kommen gut 500, 600, 700 Auszahlungen zustande. Für jede Transaktion bekommen sie vom Staat eine Kommission, die ebenso hoch ist wie die der anderen Banken. So unterstützen wir die MYPES, die ja selbst auch an der Krise zu tragen haben, die die ärmsten Haushalte hierzulande trifft.