Ein Armenviertel ist ein extrem fremdes Milieu für mich

In deinem Schreiben finden sich immer wieder Romane mit „deutschen Themen”, die oftmals mit deiner Familiengeschichte verbunden sind. Zugleich hast du auch viele Texte vom Deutschen ins Spanische übertragen, du hast an mehreren Übersetzungen von Walter Benjamin mitgearbeitet, Schriften von Kafka übersetzt. Woher kommt diese Nähe zu der Kultur, aus der deine Vorfahren verstoßen wurden?

Seit meiner Kindheit hatte ich ein sehr enges Verhältnis zur deutschen Kultur, ich war hier in Buenos Aires auf einer deutschen Schule, der Pestalozzi-Schule, war zum Schüleraustausch in Deutschland. Ich bin dann mit 22 Jahren nach Deutschland gezogen, habe dort sechs Jahre gelebt, zwischen 1999 und 2005, zunächst in Heidelberg und dann in Berlin.

Es tauchen in meinen Romanen immer wieder Bezüge zur deutschen Kultur auf, Figuren, historische Ereignisse. La abuela erzählt die Lebensgeschichte meiner Großmutter, die sich auf der Suche nach ihrer Mutter ins Konzentrationslager deportieren ließ und die Welt der Vernichtungslager durch Zufälle überlebt hat, und meine Beziehung zu ihr.

Mein soeben in Deutschland erschienener Roman „Die Schachspieler von Buenos Aires» verwebt ebenso Biographisches und Historisches, nun am Beispiel meines Großvaters, der auch vor den Nazis aus Deutschland fliehen musste. Der Roman Muñecas, der 2008 erschienen ist, spielt in Heidelberg.

Auch mein nächster Roman, der demnächst erscheinen wird, El aborto (una novela ilegal) (Der Schwangerschaftsabbruch, ein verbotener Roman), hat zum Beispiel einen deutschen Protagonisten, einen Schauspieler. Es ist ein weiteres deutsches Thema, das mit meiner Familiengeschichte verbunden ist und aus der Perspektive des Enkels, der zugleich der Autor ist, geschrieben ist.

In deinen Romanen, die in Argentinien spielen, greifst du Themen aus der Gegenwartskultur und gesellschaftlich-politisch brisante Sujets auf. Du hast einen Roman über die Einwanderung aus China und den Rassismus in der argentinischen Gegenwartsgesellschaft (Un chino en bicicleta), über Rockmusik (La cuadratura de la redondez: interpretación anotada de las canciones de Patricio Rey Y Sus Redonditos De Ricota), über die Pilgerschaft in die in der Provinz Buenos Aires gelegene Stadt Luján (A Luján. Una novela peregrina) geschrieben und über das Elendsviertel Villa 31 in Buenos Aires (La 31. Una novela precaria). Nach welchen Kriterien suchst du dir die Stoffe aus? Wie gehst du vor?

Bei dem Roman über die Rockmusik und die Band Patricio Rey y sus Redonditos de Ricota ging es mir darum, mich über Akademiker lustig zu machen. Die Songtexte dieser Band versteht eigentlich niemand. In dem Roman habe ich die Figur eines Philologen erfunden, der sich in eine junge Frau verliebt, die auf diese Band steht, und der, um sie zu verführen, versucht, diese unverständlichen Texte zu interpretieren. Er interpretiert Text für Text, und diese Figur des Philologen und der Roman dienen mir dazu, mich über die Welt der Universität lustig zu machen.

Un chino en bicicleta, der Roman über die Pilgerschaft nach Luján sowie der über die Villa 31 sind Romane, die mit einem spezifischen Ort oder mit einer Zeit zu tun haben. Die Pilgerschaft hat natürlich mit dem Ort und dem Durchschreiten des Raums zu tun, die auch durch einen langen Zeitraum gekennzeichnet ist, sie dauert ja mehr als 20 Stunden. Der Roman ist inspiriert durch die Reiseliteratur von dem spanischen Autor Camilo José Cela, Nobelpreisträger, der unheimlich gut geschrieben hat (leider auch unheimlich reaktionär war). Es ging mir darum, im Anschluss an Cela jenes Milieus der Pilger zu skizzieren, das Religiös-Populare jener Pilgerkultur zu porträtieren. Das sind Themen, die mir aus meinem Alltagsleben zugeflogen sind, aus meiner Erfahrung im Alltag oder durch meine Lektüren. Die Villa 31 habe ich immer vom Zug aus betrachtet, der soziale Kontrast, der auf den beiden gegenüberliegenden Seiten des Zuggleise deutlich wird, auf der einen Seite das Elendsviertel, auf der anderen Seite Recoleta, ein wohlhabendes Stadtviertel. Dieser starke Kontrast mitten in der Stadt, das ist ein Ort, der mich interessiert hat als Stoff für einen Roman.

Wie kamst du auf die Idee, über die Villa 31 zu schreiben?

Meine Idee war es, über die Villa einen humoristischen Roman zu schreiben. Das ist paradox, weil es ja kein Stoff ist, der unbedingt geeignet ist für eine humoristische Behandlung. Ich war ein paar Mal in der Villa 31. Es ist ein Ort, in dem du dir ein Leben vorstellen kannst. Es gibt Villas, die sind viel schlimmer. In der Villa 31 ist es nicht so drastisch wie in anderen Elendsvierteln in Argentinien oder in Brasilien. Aber es ist dennoch ein Ort, über den du kein lustiges Buch schreiben würdest und deswegen wollte ich auch kein allzu enges Verhältnis zu diesem Viertel aufbauen. Ich wollte eine humoristische Perspektive in dem Roman zum Ausdruck bringen, denn in diesem Ton ist noch nie über die Villas geschrieben worden: über die Leute, die dort leben, über den Kontrast mit den „Weißen“ (das heißt denjenigen, die nicht in den Villas leben; die Villa-Bewohner*innen werden im hegemonialen rassistisch-klassistischen Stereotyp als cabecita negra, Schwarzköpfchen, bezeichnet) und die gesellschaftlichen Stereotype dieses Kontrastes.

Die Villa 31 ist das sichtbarste aller Elendsviertel in der Metropolenregion Buenos Aires, über das auch international berichtet wird, von The Economist bis zum Deutschlandfunk. Du hast dir quasi das „typischste“ der armen Viertel als Grundlage für deinen Roman ausgesucht.

Genau wie du sagst, ist die Villa 31 die sichtbarste, die in den Medien sehr präsent ist. Sie liegt mitten in der Stadt und hat eine lange Geschichte, existiert schon seit 100 Jahren. Bernardo Verbitsky hat in seinem Roman América latina es también una villa miseria den Begriff villa miseria erfunden, zumindest für die argentinische Debatte, um die prekären Lebensbedingungen derer zu bezeichnen, die in Karton- oder Blechhütten leben. Es ist ja eigentlich ein ironischer Begriff, der das im Italienischen ganz anders konnotierte Villa (Prunkhaus) mit miseria (Elend) verbindet. Heutzutage ist Villa das Synonym für Elendsviertel. So wird es in der Alltagssprache verwendet, auch wenn es sich in den argentinischen Toponymen heutzutage noch in einem anderen Sinne wiederfindet, als „Siedlung“ und ohne die negative Konnotation, so in Villa Belgrano, Villa Ballester, Villa Esperanza und so weiter. Auch hier im Norden (im Norden der Stadt liegen die wohlhabenden Stadtviertel des Conurbano) gibt es zahlreiche Villas mitten in wohlhabenden Gegenden, und wenn ich mal wieder an einer Villa vorbeikomme, merke ich, dass ich Interesse habe, einen weiteren Roman über jenes Phänomen und die krassen Kontraste zu schreiben. Die Villa ist ein Ort mit bestimmten Regeln, ein Milieu, das sich auf der Ebene der Sprache und vielen anderen ausdrückt. Ich wollte diese Welt nicht im Sinne eines Realismus darstellen, sondern mein Interesse war es, neue Perspektiven auf jenen Stoff zu entwickeln.

Der Titel „La 31“ deutet ja an, dass du ein Kürzel verwendest und damit an die Alltagssprache und den Alltagsverstand anknüpfst. Der Leser (zumindest der ortskundige Leser) kann damit ja sofort jenes Elendsviertel der „Villa 31“ assoziieren.

Zugleich ist der Titel für mich aber noch mehr als das, worauf du zurecht hinweist. Er besteht nämlich aus 31 unabhängigen Geschichten. In dieser Hinsicht müsste es heißen: „Las 31“, aber das fehlende „s“ im Titel verweist auf den spezifischen Soziolekt, der vor allem in clases populares und in der Villa gesprochen wird und in dem das „s“ am Ende in der Regel nicht ausgesprochen wird.

Nicht nur der Titel spielt mit dem Selbstverständlichen, das Titelfoto unterstreicht das auch, es zeigt eine bekannte Einstellung auf die Villa 31, und mit dem Offensichtlichen, der ganze Roman spielt mit den Selbstverständlichkeiten des Alltagslebens, mit Stereotypen, entwirft „typische“ Sozialcharaktere und so weiter.

Sicherlich. Wenn ich einen Stoff mit Humor behandeln möchte, dann spiele ich gerne mit Stereotypen und dem Selbstverständlichen, um es ins Lächerliche zu ziehen. Ich erschaffe die Figuren und erst in einem zweiten Schritt mache ich mich über sie lustig. Ich kann nicht sagen und entscheiden, wie viel Wirklichkeit in dem Roman enthalten sein muss oder wie viel Anstrengungen unternommen werden müssen, um jener irgendwie gerecht zu werden, aber die humoristische Distanz ist mir sehr wichtig.

Die Villa 31 ist ein dir fremder Ort. Wie viel, denkst du, musst du wissen, inwiefern musst du Insider sein, um über eine so „fremde“ soziale Welt schreiben zu können?

Zunächst denke ich, dass man nicht allzuviel wissen muss. Ich war ja ein paar Mal dort, bin über private Kontakte an eine Person vermittelt worden, die in der Villa für das Sozialministerium gearbeitet hat und dort Erhebungen durchgeführt hat. Diese Kontaktperson habe ich ein paar Mal begleitet und da haben wir die Villa nicht nur von außen betrachtet, sondern waren auch in den Wohnräumen. Mein Bekannter hatte den Auftrag zu erheben, wie die Leute leben, er musste notieren, die Lebensbedingungen erfassen. Diese Einblicke in die Lebens- und Wohnbedingungen waren ausreichend für mich. Ich hatte dadurch Material für mehrere Romane. Ich schreibe meine Romane von der Realität her, ich brauche schon diese Erdung, aber sobald ich diesen Ausgangspunkt habe, will ich in meiner Literatur entwerfen und hinausspringen aus jener Realität. Im Schachbuch war das ein Problem, die Distanz zum Stoff. Ich kann Schach und hatte zudem viel dazu gelesen und am Ende fiel es mir schwer, die Distanz wiederzugewinnen. So habe ich schon die Kritik bekommen, dass die Erzählung zu viel Bezüge zur Schachwelt herstelle und für Leser, die nicht mit der Schachwelt vertraut sind, nicht zugänglich sei. Die Schachspieler hingegen waren begeistert. Das mit dem Expertenwissen ist ein Problem. Es geht darum, irgendwie mitspielen zu können, aber nicht zu dozieren.

Es muss also kein exaktes Expertenwissen vorliegen, um über ein Thema zu schreiben? Du schreibst ja letztlich auch keine ethnographische Studie, sondern einen Roman, bist kein Ethnograph, sondern Schriftsteller.

Das stimmt schon, doch auch als Schriftsteller ist eine gewisse Ethnographie nötig, zumindest habe ich für mich diesen Anspruch; auch wenn man humorvoll vorgehen möchte. Das mit dem Expertenwissen ist jedoch ein Problem, denn ich will mit diesem Wissen ja nicht dozieren, ich bin kein Lehrer. Aus diesem Grund muss man vorsichtig sein, es ist wichtig hier das richtige Maß zu finden.

Neben der Frage, wie du die Informationen gewonnen hast über jenes Milieu, das du beschreibst, über jenen „fremden Ort“ und die Kontraste, die ihn konstituieren, mit denen du in deinem Roman spielst: was denkst du über deine Perspektive, über jenes „fremde“ Milieu zu schreiben. Hat dir das Thema eine andere Sensibilität abverlangt als andere Themen?

Ich stamme aus der oberen Mittelschicht. Ich wäre niemals in eine Villa gekommen. So ein Armenviertel ist schon ein extrem fremdes Milieu für mich. Ich würde mich dorthin alleine nicht einmal trauen, ich bin ja auch dorthin nur vermittelt über jenen Bekannten gekommen. Mein Vorhaben, einen Roman mit einem humoristischen Ton zu schreiben, über ein Thema, das gar nicht humoristisch ist, das habe ich auch in El aborto (una novela ilegal) gemacht. Bei einem solchen Vorgehen wirst du mit deinen eigenen Vorurteilen, deiner eigenen Scham konfrontiert. Das scheint mir ein sehr wertvolles Vorgehen zu sein. Ich kann mich nicht erinnern, wie es genau war, ob ich eine besondere Sensibilität an den Tag gelegt habe. Ich war vielleicht ein wenig beschämt, als ich anfing,  über das Thema zu schreiben, aber als ich später dann auch in der Villa war, habe ich mich dort richtig wohl gefühlt. 2010, als das Buch in der Schlussphase war, hatte ich eine Einladung für ein Schreibstipendium in Zürich erhalten, das heißt, ich habe das Buch über die Villa in der reichsten Stadt der Welt abgeschlossen. Das war schon eine krasse Erfahrung, ein Schock. Ich bin aufgewacht, habe an dem Roman gearbeitet, war den ganzen Morgen mental in der Villa und dann tagsüber in dieser Stadt. Es war eine sehr extreme Erfahrung, über die Armut schreiben in dieser solchen Umgebung, die nur so vor Reichtum strotzt.

Die Villas sind Gegenstand stigmatisierender Darstellung in den Massenmedien, die auch die öffentliche Meinung prägen. Es sind Räume, die mit Gewalt, Kriminalität, Drogen assoziiert werden – Darstellungen, die auf klassistischen Vorurteilen beruhen und hinter denen die Lebensrealitäten der entsprechenden Viertelbevölkerung verloren gehen.

Davon wollte ich auch schreiben. Alle Vorurteile, die schichtspezifisch sind und die die Realität so verengen. Deshalb interessieren mich auch die Figuren der „anderen Seite“, die vorurteilsbeladen auf die Villa blicken und über sie und ihre Bewohner*innen sprechen und urteilen. Das alles nur zu beschreiben, das ist nicht meine Art. Das Darstellen auf eine andere Art, es anders auszuleuchten, um auch etwas Neues entstehen zu lassen, das hat mich interessiert.

Die Darstellung der anderen Seite, der wohlhabenden Schichten, ist ebenso stereotyp gestrickt und reflektiert auf sarkastische Weise die Vorurteilsstruktur des Milieus der Upperclass aus Recoleta. Die sozialen Kontraste werden hier auf der Ebene der Beobachtung und Wahrnehmung des Anderen gezeigt: Hausangestellte, die sich in den Wohnungen ihrer Dienstherren schmutzig fühlen und an sozialer Scham leiden, schließlich Repräsentant*innen jener wohlhabenden Schichten, die sich allein vom Anblick der Villa schon angeekelt fühlen und jene am liebsten ausradiert wissen möchten.

Was hier in Argentinien so frappierend ist, ist der Reichtum in einem relativ armen Land. In Zürich ist das anders. Dort ist die Wahrnehmung der sozialen Kontraste auch eine andere. Aber hier in Argentinien ist der Reichtum gegenüber der Welt des Elends so drastisch, dass man ihn eigentlich nur sarkastisch beschreiben kann. Ich kann es mir nicht vorstellen, darüber in einem anderen Ton zu schreiben. Es war mein Anliegen, jene Schichten zu porträtieren, die den Villeros gegenüber eindeutig rassistische Einstellungen haben. Nicht alle, aber die meisten schon. Ein Großteil dieser reichen Leute wünscht sich nichts mehr, als dass diese Viertel vom Erdboden und aus dem Blickfeld verschwinden. Das ist sarkastisch, aber realistisch…und natürlich zugespitzt. Niemand würde dir das so direkt sagen, aber diese Vorurteilsstrukturen existieren gerade so, und jene habe ich durch die Stereotype in den Roman eingeführt.

Eine zentrale Figur in dem Roman ist Lungo, der als Outsider in die Villa gekommen ist, um über sie einen Roman zu schreiben. Nachdem dieser Plan gescheitert ist, widmet er sich der politischen Mobilisierung der Jugend der Villa. Er konzipiert ein politisches Programm der Unabhängigkeit der Villa, die sich mit sämtlichen Villas in Lateinamerika zusammenschließen soll, um einen eigenen Staat mit eigenem Geld etc. zu gründen. Welche Rolle spielt die Figur des Lungo, in dem sich verschiedene Intellektuellenkonzeptionen verdichten und die ja ebenso wie du eine Person ist, die sich dem Villa-Milieu als Outsider annähert?

Ja, es ist in klassischer Weise mein Alter Ego. In allen meinen Romanen gibt es Figuren, die jene Funktion erfüllen. Ich brauchte diese Figur, die die Villa-Bewohner*innen zur Revolution bringen will, was sie aber nicht schaffen kann. Dieser Umsturz muss schon von innen heraus kommen. Ich weiß nicht genau, welche weitere Idee ich dabei hatte. Es ist immer wichtig für mich, bei Romanen, die ein brisantes Thema behandeln, eine Alter-Ego-Figur zu erfinden, die meine eigenen widersprüchlichen Einstellungen und Ansichten reflektiert und mit der ich spielen kann.

Zum Abschluss noch eine Frage zum Label der „jüdisch-argentinischen Literatur“. Zahlreiche argentinische Schriftsteller*innen sind jüdischer Herkunft und haben sich damit in ihrem Schreiben beschäftigt, was Kommentator*innen der argentinischen Literatur dazu geführt hat, jene Kategorisierung einzuführen. Zugleich werden unter jener Kategorie unterschiedlichste Phänomene gefasst, die sie fast schon wieder fragwürdig erscheinen lassen. In deinen Familienromanen sind thematische Bezugnahmen auf das Judentum selbstverständlich essentiell, aber auch in „La 31“ nimmst du augenzwinkernde Gesten auf, wenn du vom sozialen Kontrast zwischen den jüdischen Gemeinden und den villeros sprichst oder wenn du in polemischer Absicht die Villa-Grenze mit dem Grenzzaun des Gaza-Streifens vergleichst. Was ist jüdisch-argentinische Literatur für dich und wie würdest du dich darauf beziehen?

Mein Vater meinte einmal kritisch, dass ich immer und sogar im Roman über die Villa diese Themen miteinbeziehe. Bei meinen Büchern über meine Großeltern ist es eindeutig, dass es um die Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte geht; und in dem Buch über meine Großmutter, das ja keine Fiktion ist, erzähle ich auch, warum ich das geschrieben habe. Es hat aber schon einen Stellenwert für mein Schreiben, dass ich Jude und Argentinier bin. Das heißt nicht, dass ich jetzt nur über die Einwanderung und über den Nazismus schreiben will. Aber die ausschließliche Auseinandersetzung damit vor dem Hintergrund des Nazismus langweilt mich, aber das ist auch das, was in Deutschland bekannt ist. Dieses Thema spielt letztlich aber auch nur in zwei von den acht Büchern, die ich bislang veröffentlicht habe, eine Rolle. Ich möchte mich als Schriftsteller nicht in ein Ghetto begeben, mich nur in bestimmten Themenkreisen bewegen, aber die Frage der kulturellen Identität spielt natürlich eine Rolle. Da ich Jude und Argentinier bin, kommen bestimmte Themen natürlich immer auf. Ich weiß nicht, was mein Thema ist, aber ausschließlich jüdische Themen sind es nicht.