Ein Rückblick auf feministische Kämpfe weltweit

Letztes Jahr feierten die Organisation und die Zeitschrift Frauen*solidarität (die Zeitschrift schreibt sich mit einem kleinen „f“) in Wien ihr 40-jähriges Jubiläum. Aus diesen Anlass erschien das Buch „Global Female Future: Wie feministische Kämpfe Arbeit, Ökologie und Politik verändern“ – ein faszinierender Rückblick auf vier Jahrzehnte internationale Arbeit, Kämpfe und Analysen. Gemeinsam mit vielen internationalen Autor*innen, darunter viele intersektionale Schreiber*innen, blicken die Herausgeberinnen und Gründungsmitglieder Andreea Zelinka, Andrea Ernst, Gerda Neyer, Ulrike Lunacek und Rosa Zechner auf die feministischen Kämpfe und Stimmen zurück, die sie mit ihrer Organisation sichtbar gemacht haben. Das Buch beginnt und endet mit einer Widmung an Sigrun Berger, ebenfalls Mitbegründerin von Frauen*solidarität. Die Herausgeberinnen erinnern an ihre „herzliche Zugewandtheit und unbedingte Solidarität“, die mittlerweile zwei Generationen der Frauen*solidarität begleitet und geprägt haben. Beim Lesen wird schnell klar, wie viele feministische Kämpfe in der Organisation theoretisch und praktisch miteinander verknüpft wurden. Ob durch Diskussionsrunden, Lesungen oder Kampagnen – über viele verschiedene Medien trägt die Frauen*solidarität zur bildungspolitischen Auseinandersetzung und solidarischen internationalen Vernetzung in Österreich bei.

In diesen 220 Seiten stecken die Stimmen von 53 Autor*innen, deren Freund*innen, (Wahl)Familien, Mitstreiter*innen. 53 Stimmen, die vor allem eins zeigen: Der feministische Kampf ist nicht einer, es sind viele Kämpfe. Schließlich können nur in ihrer Pluralität die verschiedenen verschachtelten und miteinander verwobenen Formen, Strukturen und Netze soziopolitischer Ungerechtigkeit(en) betrachtet werden. Eine Analyse ist nicht im Buch festgeschrieben, sondern wird mit den Leser*innen fortgeführt. Auf unterschiedliche Art und Weise und in unterschiedlicher Intensität klingen die Texte in den verschiedenen Körpern nach, immer unter Rückbezug auf seine/ihre/deren momentane Lebenswirklichkeit. So laden alle Beiträge zur wiederholenden Lektüre ein und stoßen neue Gedanken an, die angegebene weiterführende Literatur weist Wege zur eigenen Auseinandersetzung und Recherche.

Die Texte führen durch sechs Themenfelder: (Anti-)Rassismus und Postkolonialismus, Gewalt, Reproduktion, Politik, Arbeit sowie Umwelt und Klima. Jedes Themenfeld wird auf einer Seite eingeführt. Die Beiträge sprechen aus verschiedenen Realitäten und benutzen vielfältige literarische Formen. Ob Erzählung realer Begebenheiten, Informationskästen, journalistische Beiträge, Interviews, Prosa oder Romanauszüge, die Erzählstimmen prägen den polyphonen Charakter des Buches. Die Texte berühren, informieren und machen Neugier auf mehr.

Die Fotos im letzten Drittel des Buches erinnern an die verschiedenen Projekte der Frauen*solidarität. Sie zeigen internationale Referent*innen, die Teilnahme der Organisation im öffentlichen Raum und erinnern an Erfahrungen gemeinsamer Stärke und Freude.

Vieles könnte zu jedem einzelnen Beitrag gesagt werden, sie sollten jedoch besser selbst gelesen werden. Aus lateinamerikanischen Kontexten ist in jedem Kapitel mindestens ein Text geschrieben. Sie reichen von der deutschen Übersetzung eines kurzen Abschnitts aus dem Buch „Borderlands“ der Chicana-Feministin Gloria Anzaldúa, der Performance „Un violador en tu camino“ (Ein Vergewaltiger auf deinem Weg) des chilenischen Kollektivs Las Tesis, dem Kampf gegen Zwangssterilisationen bis zu einem kurzen Text zum Kampf indigener Frauen gegen den Raubbau-Kapitalismus von Rocío Silva Santisteban und vielen mehr. Ebenfalls vertreten ist ein Text zur ILO-Konvention 169 der ila-Redakteurin Gaby Küppers. Was zudem deutlich wird, ist die kritische Perspektive auf Entwicklungszusammenarbeit, die in Texten der Organisationsmitglieder selbst oder der Bonner Soziologin Christa Wichterich deutlich formuliert wird.

Das Buch benennt Position und Ausrichtung der Organisation auf klare Art und Weise. Es sind „Frauen*stimmen aus fast allen Teilen der Welt“. Der Sternchen-Zusatz erfolgte im Rahmen der Umbenennung der Organisation 2012. Das Buch schafft es, einen Rückblick auf die vergangenen 40 Jahre Organisationsgeschichte und deren vielseitigen Debatten nachzuvollziehen. Und es zeigt, dass viele weitere Stimmen und Perspektiven die Fäden weiterspinnen werden, etwa die Erfahrungen und Themen von trans* Männern oder Frauen, nicht-binären oder intersexuellen Personen, Two Spirit People und anderen Geschlechterformen in ihren lokalen Bezügen. Insgesamt schafft es der Rückblick auf 40 Jahre Frauen*solidarität, viele internationale Feminismen in einem Band zu vereinen, an die eigene Organisationsgeschichte zu erinnern und in die Zukunft zu blicken. Schließlich gehen die feministischen Kämpfe und Organisationen weiter!