Ein sehr persönlicher Film für das kollektive Gedächtnis

„Wir waren nicht verrückt, nein, wir hatten eine Aufgabe und die hat uns Manuel Quintín Lame aufgetragen“, meint Dalila alias María Deisy Quistial Chantre. Dalila war Marías Kampfname im Movimiento Armado Quintín Lame (MAQL), der einzigen indigenen Guerilla Kolumbiens.

1984 gegründet, am 13. Mai 1991 demobilisiert, war die Guerilla mit 157 Kämpfer*innen zum Zeitpunkt der Auflösung alles andere als ein militärischer Faktor. Doch darum ging es nicht, es ging darum, ein Zeichen zu setzen. „Basta ya – Es reicht“, hieß es damals. Junge Indigene aus dem Cauca, dem Bundesstaat im Süden unterhalb der Millionenstadt Cali, wo rund ein Drittel der Bevölkerung indigene Wurzeln hat, begehrten auf gegen die Ermordung ihrer Anführer, gegen die Landkonzentration in den Händen weniger Familien und gegen die permanente Demütigung der Völker, die den Cauca sowohl besiedelt als auch entwickelt haben.

Jesús Peña Chepe hieß einer der Comandantes der MAQL. Der letzte, denn Peña Chepe ist auch auf den historischen Bildern bei der Demobilisierung und der Unterzeichnung des Friedensvertrages zu sehen. Kein grimmig dreinschauender Pistolero, sondern ein Mann des Wortes. Das passt, denn sensibilisieren, mobilisieren, identifizieren mit dem Eigenen, das ist es, wofür die Guerilla im November 1984 angetreten war. Dafür genießt sie Respekt und so auch der letzte Comandante. Noch immer sprechen einige der Nachbarn ihn mit seinem Kampfnamen Gildardo Hernández an. Der schweigsame, in sich gekehrte Mann ist der Vater von Eliseth Peña und hat aus der eigenen Geschichte gegenüber seiner Tochter immer ein Geheimnis gemacht. Das hat das Leben der heute dreißigjährigen Regisseurin geprägt. Die Fragen, wo komme ich her, wo gehöre ich hin, sind es, denen sie in ihren Filmen mittlerweile nachgeht. „Der letzte Kommandant der Quintines“ ist dabei der persönlichste und drohte mehrfach zu scheitern, nicht an der Mutter Dalila, die offen mit ihrer Vergangenheit umgeht, sondern am Vater. Die filmische Reise in die eigene Vergangenheit machte ihm zu schaffen. Zurückzufahren zum eigenen Elternhaus, sich zu erinnern, dass er „verkauft“, einer Familie als Hilfskraft überlassen wurde, das war beinahe zu viel. Sich diesen traumatischen Erinnerungen zu stellen, zu reflektieren, dass sein Vater ihn nicht ernähren konnte und dass er ihn nie wieder sah, weil er verstarb, das war hart für Comandante Gildardo. Keine Chance, mit dem Vater seinen Frieden zu machen. Harte Realitäten, die Teil von „Der letzte Kommandant der Quintines“ sind und sehr emotionale Einblicke in das Leben eines Mannes geben, der sich entschied, zur Waffe zu greifen, dessen Traum vom eigenen Stück Land mit der kollektiv bewirtschafteten Finca San Antonio letztlich in Erfüllung ging, wenn auch mit gehöriger Wartezeit und mehreren Jahren im Gefängnis.

All das ist Teil der Zeitreise in die 1980er-Jahre im Cauca, einer Reise in bewegten Bildern, die den jüngeren Generationen Einblick liefern in die ersten Anläufe indigener Selbstbestimmung. Die sind eng verbunden mit dem Movimiento Armado Quintín Lame, aber auch mit dem CRIC, dem Rat der indigenen Völker des Cauca, der heute vielleicht am besten organisierten indigenen Interessensorganisation Kolumbiens. Für den CRIC und andere meist indigene Organisationen und Stiftungen ist Eliseth Peña im Cauca aktiv, als Archivarin oder Regisseurin. Man darf gespannt sein, was da noch kommt.