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Ein wahres Schauermärchen

Peru: die Geschichte der Fujimori-Familie

Im Jahr 1990 gewann Albert Fujimori die Präsidentschaftswahlen; sein Gegenkandidat war niemand Geringeres als der berühmte Schriftsteller Mario Vargas Llosa. Fujimori stellte sich als Mann der einfachen Leute dar, doch schon bald nach den Wahlen führte er ein brutales wirtschaftliches Schockprogramm durch, das die Armen noch ärmer machte. Im Jahr 1992 löste er das Parlament auf und regierte einfach weiter. Fujimori ist übrigens nicht denkbar ohne seinen skrupellosen Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos. Dieses Duo ging mit Hilfe von Korruption, Bestechung und Verfolgung (von politischen Gegner*innen) vor. In demselben Jahr wurde der Anführer des sogenannten Leuchtenden Pfads (der Guerilla Sendero Luminoso) gefangen genommen. Dieser Coup brachte Fujimori viel Sympathie als „Besieger des Terrorismus“ ein. Die Schmutzarbeit leisteten nun die Sondereinheiten des Militärs. Im Jahr 2000 gewann Fujimori erneut die Präsidentschaftswahlen; allerdings roch es stark nach Wahlbetrug.

Fujimori wird wohl als „Fax-Präsident“ in die Geschichte eingehen. Nachdem nachgewiesen wurde, dass er auf höchst kriminelle Art und Weise eine große Summe Korruptionsgelder angenommen hatte, setzte sich der japanischstämmige Präsident nach Japan ab. Von dort verkündete er Ende 2000 seinen Rücktritt per Fax. Später flog Fujimori nach Chile, von wo er, da mit internationalem Haftbefehl gesucht, nach Peru ausgewiesen wurde. Dort wurde er als Verantwortlicher für verschiedene Morde und Korruptionsfälle zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt.

In der Zwischenzeit entwickelte sich die Fujimori-Tochter Keiko zur starken Frau in der „Fujimori-Partei“ Fuerza Popular. Sie verlor 2016 nur knapp die Stichwahl gegen den aktuellen Präsidenten Kuszynski. Allerdings verfügte sie über die absolute Mehrheit im peruanischen Parlament. Diese komfortable Lage nutzte sie intensiv, um eine neoliberale Politik voranzutreiben, die soziale und ökologische Standards absolut verabscheut.

Keikos jüngerer Bruder Kenji war ebenfalls bis Januar 2018 Teil dieser Parlamentsfraktion. Er wurde bekannt, als in einem Lagerraum, den Kenji mit seinem Geschäftspartner im Hafen von Callao betrieb, Kokain gefunden wurde. In letzter Zeit bestand seine Hauptaktivität darin zu versuchen, seinen Vater vorzeitig aus dem Gefängnis zu holen.

Die anderen peruanischen Präsidenten sind ebenso wenig gutes Personal für ein Märchen. Die Korruption hat praktisch alle Präsidenten Perus der letzten Jahrzehnte erfasst. Zusammengefasst: Sie sind alle entweder der Korruption beschuldigt, angeklagt, deswegen auf der Flucht oder bereits in Untersuchungshaft.

Bisher haben sich der ehemalige Präsident Alán García und Keiko Fujimori noch vor einer konkreten Anklage retten können. Doch das kann sich bald ändern. Die jüngste Entwicklung:

Nach neuen Aussagen von Seiten des brasilianischen Großkonzerns Odebrecht, der viele Bauaufträge zu überhöhten Preisen dank seiner Korruptionszahlungen erhielt, wurde zunächst klar: Auch der aktuelle Präsident Pedro Pablo Kuszynski (PPK) bekam Schmiergelder, als er in einer früheren Regierung Minister war. Odebrecht-Verantwortliche haben ausgesagt, dass auch Alán García und Keiko Fujimori Gelder von diesem Unternehmen bekommen haben. Alán García bestand bisher auf folgender Aussage: Diejenigen, die in seiner Partei (der APRA) Schmiergelder bekommen haben, seien Ratten; allerdings nicht „seine Ratten“.

Wegen der Korruptionsvorwürfe hatte ein Teil der Linken (Frente Amplio) im Dezember 2017 ein Amtsenthebungsverfahren gegen PPK angestrengt. Mit der Parlamentsmehrheit der Fujimori-Partei und deren Stimmen schien das eine reine Formsache zu sein. Aber bei der Abstimmung enthielten sich ein Teil der Linken und – zur großen allgemeinen Überraschung – auch zehn Abgeordnete der Fujimori-Mehrheit im Parlament, beziehungsweise sie stimmten gegen die Amtsenthebung. Diese Gruppe wurde von Fujimoris Sohn Kenji angeführt.

Die Auflösung: Präsident Kuszynski hatte einen Deal mit Kenji abgeschlossen: Wenn Letzterer genug Stimmen gegen eine Amtsenthebung zustande bringen würde, begnadige Kuszynski dessen Vater. Dieser politische Deal konkretisierte sich am 24. Dezember 2017. PPK begnadigte Alberto Fujimori aus „humanitären Gründen“, angeblich, weil er todkrank sei. Kenji Fujimori war hoch zufrieden und fuhr mit seinem Vater in ihre Luxusvilla in Lima. Der 78-jährige Alberto Fujimori zeigte sich dabei gesund und munter. Gegen diesen Deal wurde in Peru heftig demonstriert. Jetzt muss nun der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte – bis Ende Februar 2018 – darüber entscheiden, ob dieser Deal überhaupt verfassungsgemäß hätte stattfinden dürfen.

Im Fujimori-Clan geht es seither drunter und drüber. Keiko war nicht scharf auf die Freilassung ihres Vaters. Sie befürchtete, dass er zu viel Einfluss nehmen könnte. Außerdem hatte sie sich bemüht, mit dessen Politik, die in Misskredit geraten ist, nicht zu stark identifiziert zu werden.

Der aktuell letzte Akt: Keiko Fujimori hat ihren Bruder Kenji aus der Partei ausgeschlossen. Für die am 7. Oktober 2018 anstehenden Regional- und Kommunalwahlen gehen sie getrennte Wege. Weil Kenji mit seinen „Zehn Getreuen“ keine eingeschriebene Partei ist, müssen sie jetzt außerhalb ihrer (ehemaligen) Fujimori-Partei Fuerza Popular regionale und lokale Bündnispartner suchen, um eigene Kandidaten „unterzubringen“.

Für Fuerza Popular wird Jaime Yoshiyana als Kandidat für die Bürgermeisterwahlen in Lima gehandelt. Dieser war unter Alberto Fujimori Transport- und Bergwerksminister. In der Küstenregion La Libertad (Trujillo) ist Rosario Bazán als Kandidatin im Gespräch. Ihr gehört die Firma Danper, die sich auf den Export von Spargel, Artischocken und Quinoa spezialisiert hat.

Präsident Kuszynski hatte mit seiner Begnadigung auch vorgesehen, dass Ex-Diktator Fujimori von möglichen weiteren Anklagen verschont bleibt. Doch da hat er die Rechnung wohl ohne die peruanische Justiz gemacht. Am 19. Februar 2018 verkündete das zuständige Gericht in Lima: Alberto Fujimori wird der Prozess gemacht wegen seiner Mitschuld am Tod von sechs Personen (angebliche „Terroristen“) in den Dörfern El Caraquero und San José im Distrikt Pativilca (Barranca) im Jahre 1992. Sie wurden durch das „Kommando Colina“ (bestehend aus Militärs und Paramilitärs) ermordet. Dieses Kommando unterstand dem engsten Kreis von Fujimori. Das Gericht verlangt für Fujimori 25 Jahre Gefängnis. Damit würde die Begnadigung durch PPK wieder hinfällig werden.

Ein Blick in die Kristallkugel: Es kann durchaus sein, dass Alberto Fujimori wieder in ein Flugzeug nach Japan steigt, bevor er in sein Luxusgefängnis geht. Und wenn die weiteren Aussagen seitens der Odebrecht-Firma den Präsidenten Kuszynski noch stärker belasten und ein neues Amtsenthebungsverfahren – dieses Mal vielleicht klarer eingefädelt – Erfolg hat, dann wird PPK wohl wieder aus New York grüßen.

Ein wahres Schauermärchen – ilawordpress