Irgendwann ist kein Platz mehr im Regal. Oder der Urlaubskoffer ist zu schwer. Oder das gewünschte Buch ist vergriffen und selbst antiquarisch nur schwer zu bekommen. Für alle diese Fälle hat die Edition diá die Lösung. Vor dreißig Jahren aus diversen südorientierten Projekten in Deutschland und der Schweiz entstanden, konzentriert sie sich seit 2012 auf die Herausgabe von E-Books. „Die Edition diá hätte ein solch schwieriges Unternehmen wie das Lateinamerikaprogramm in Form gedruckter Ausgaben nicht mehr stemmen können, denn mit den Druckkosten ist es ja nicht allein getan; hinzu kommen die Werbe- und Vertriebskosten. Die Produktion von E-Books ist finanziell überschaubar, es entstehen keine Lagerkosten und der Vertrieb über das Netz ist ‚flächendeckender’. Zudem bieten die geringeren Kosten die Chance, ‚Nischenprogramme’ zu machen und Titel dauerhaft vorhalten zu können“, sagt Helmut Lotz, einer der drei Geschäftsführer der Edition diá.
Der Rede wert sind alle Rubriken des Verlags, seien es die Biografien von Personen, die gerade deswegen interessant sind, weil sie nicht den Mainstream verkörpern (Charlotte von Mahlsdorf, Lotti Huber, Georgette Dee u.a.); sei es die in den 90er-Jahren gegründete Kochbuchreihe „Gerichte und ihre Geschichte“; seien es Sachbücher oder Belletristik aus den USA oder Europa, etwa von Zé do Rock. Der polyglotte Südbrasilianer mit Wohnsitz in Deutschland erfand „ultradoitsh“ in Zeiten der „rechtshreibreform“ und verdichtete diese in „fom winde ferfeelt“ zur „linkshreibreform“. Dieses „sprachferainfachungsprogramm“ führte er dann konsequent fort im „autobiografischen seiensfikchen“ „ufo in der küche“. Um- werfend und nun auch als E-Books.
Speziell sei hier aber auf das Lateinamerikaprogramm des Verlags verwiesen, ein Programm, das allemal ein Nischendasein auf dem deutschsprachigen Büchermarkt führt, wenn man sich die Gesamtzahl der verfügbaren Titel ansieht. Hinzu kommt, dass viele einmal übersetzte Bücher heute vergriffen sind. Nun sind sie nur deswegen wieder zugänglich, weil die Edition diá sie auf die elektronische Halde zum Auf- und Abruf gestellt hat. Das geht über mehr als drei Dutzend Onlineplattformen und kostet 7,99 Euro pro Stück. Anfixen lassen können sich Netzsurfer mit einer Reihe von gratis herunterladbarer Lesebücher. Geschuldet sind diese zweifellos dem nicht eben verkaufsförderlichen Umstand, dass E-Books natürlich nicht in den Schaufenstern oder auf den Büchertischen von Buchhandlungen zum Anfassen und Umblättern ausliegen. Wer sich indessen auf www.editiondia.de wagt, wird zwar nicht fühlen, aber erst mal sehen und vielleicht staunen. Über wunderschöne, kräftig leuchtende Umschlagbilder nämlich. Über außergewöhnliche Literatur aus Brasilien, Kuba, Mexico, Uruguay und Chile. Andere Länder werden folgen.
Reinaldo Arenas, der poetisch-obsessive, messerscharfe Beobachter, ein Schwuler, der Cuba verließ und der Insel bis zu seinem Tod in einer Hassliebe verbunden blieb, ist gleich mit fünf Büchern wieder da. Oder der Brasilianer Caio Fernando Abreu, ergreifend, sprachmächtig Gefühlsabgründe, Sehnsüchte und Begehren des Anderen zisellierend, viel zu früh 1996 an Aids gestorben. Oder Mario Delgado Aparaín aus Uruguay, der in seinen Parabelromanen in vordergründig ganz unspektakulären Geschichten kleiner Leute die Große Geschichte erzählt und dabei scheinbar beiläufig existenzielle Fragen von Moral und Ehrlichkeit verhandelt. Oder auch, als einzige Autorin, die Chilenin Ana María Del Río mit der Novelle „Carmenoxid“ über das Knistern jugendlicher, moralfreier Sexualität, die an der zerstörerischen Kraft einer dünkelhaften und klerikalen Diktar zugrunde geht. Warum nur gerade mal eine Frau im Lateinamerikaprogramm? „Ein Spiegel des Titelangebots im gesamten deutschsprachigen Verlagswesen“, bedauert Helmut Lotz. Der diá-E-Book-Verlag speise sich aus dem eigenen klassischen Programm und Übersetzungen, deren Rechte frei sind.
Für Neuübersetzungen ist das Kriterium so simpel wie überzeugend: Ausgewählt werden Bücher, „die uns gefallen! Wobei wir darauf achten, Autoren mit mehr als einem Buch vorzustellen“, sagt Lotz. Lust auf mehr kann sich also ohne Frust entwickeln.
Ist die Zukunft elektronisch? Der Verleger möchte E-Books „nicht als Gegenmodell zu klassischen Büchern sehen, sondern als Ergänzung, wie es das Taschenbuch auch einmal war. Auch damals gab es großes Geschrei um einen angeblichen Kulturverfall.“ Also bleibt das Bücherregal zu Hause und die Bibliothek kann trotzdem mit in Urlaub fahren. Für Brillenträger und generell Ältere nennt Helmut Lotz einen weiteren Grund für die Nutzung von E-Books: „Weil er individuell Satzspiegel und Schriftgröße einstellen kann und sich als älterer Mensch keine Großdruckausgabe kaufen muss.“ Wer dagegen jung ist, den überzeugt vielleicht dies: „Weil er bei der Lektüre im Bett Buchzuklappen und Lichtlöschen mit einem Klick erledigen kann.“ Augen fallen von selber zu.