Die südbrasilianischen Bundesstaaten Río Grande do Sul, Santa Catarina und Paraná gelten als Wiege der brasilianischen Landlosenbewegung MST. Dort organisierten sich in den siebziger Jahren, zunächst unter dem Dach der katholischen Kirche, landlose oder durch Vertreibungen und Spekulation landlos gewordene Bauernfamilien und besetzten brachliegendes Land. Offiziell gegründet wurde die „Bewegung der ländlichen Arbeiter ohne Boden“ (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra – MST) 1984 in Cascavel im Bundesstaat Paraná. Hatten die Landbesetzungen zunächst das politische Ziel, der Forderung der Landlosen nach einer Agrarreform Nachdruck zu verleihen, wurden sie bald zu eigenständigen Akteur*innen in der Landlosenbewegung. Denn die Familien, die sich an den Besetzungen beteiligten, erhofften sich dadurch eine längerfristige Perspektive für ihr Leben und Arbeiten.

So wurde der Kampf um die Legalisierung der besetzten Ländereien bald zu einem Schwerpunkt der Arbeit der MST. Die Besetzungen wurden strategisch geplant. Es wurden gezielt solche Landflächen ausgewählt, für die es eine gewisse Perspektive der Legalisierung gab, zum Beispiel, weil sie ohnehin im staatlichen Besitz waren oder es für die Agrarreformbehörde INCRA möglich war/ist, die Felder zu erwerben. So gab es neben den acampamentos genannten Besetzungen, die jederzeit von Räumung bedroht waren/sind, bald auch Land, das den Besetzer*innen offiziell überschrieben worden war, die assentamentos.

Die MST stand damit vor der riesigen Aufgabe, einen lebensfähigen Kooperativensektor aufzubauen, der den ursprünglichen Besetzer*innen ermöglichte, so zu produzieren, dass sie davon leben konnten. Das bedeutete, nicht nur Kredite und fachliche Beratung für den Anbau zu organisieren, sondern auch Strukturen aufzubauen, die die Weiterverarbeitung und Vermarktung der angebauten Produkte übernehmen konnten.

Der Bundesstaat Paraná war, wie in diesem Schwerpunkt bereits berichtet, eine Region, in der schon lange Erva-Mate (span. Yerba, port. Erva) von sehr guter Qualität angebaut und verarbeitet wurde. So entschieden eine Gruppe von assentamentos und die MST, sich diesem Produkt zu widmen. Daher gründeten sie 1993 die Kooperative Copermate zur Weiterverarbeitung und Vermarktung der von den Familien in den assentamentos angebauten Mate. Unter dem Markennamen Comate verkauft die Genossenschaft ihre Produkte überwiegend an lokale Einzelhändler*innen, exportiert sie aber auch an Fair-Trade-Organisationen in Europa und den USA. Über das Sekretariat der MST kamen wir in Kontakt mit Luiz Z. Gomes von Copermate, der unsere Fragen per E-Mail beantwortete.

In welcher Art von Betrieben wird Mate in Brasilien überwiegend angebaut, in großen Plantagen oder in kleinbäuerlichen Betrieben?

Mate wird meist von kleinen Produzenten angebaut. In den Latifundien wird eher Mais und Soja produziert. Rund 90 Prozent der Flächen, auf denen Mate wächst, sind kleiner als 10 Hektar.

Arbeiten auf diesen kleinbäuerlichen Matefeldern vor allem Männer, oder arbeiten auch die Frauen und die Kinder mit?

Da wir es mit einer familiären Landwirtschaftskultur zu tun haben, ist die ganze Familie in die Arbeit eingebunden. Sofern es nötig ist, zusätzliche Arbeitskräfte, etwa bei der Ernte, einzustellen, arbeiten Männer ebenso wie Frauen, aber insgesamt sind es mehr Männer.

Kinderarbeit gibt es nicht in dem Sinn, dass Kinder gegen Bezahlung auf den Feldern arbeiten. Es kann aber sein, dass bei einem familiären Landwirtschaftsbetrieb Kinder mit den Eltern in die Matepflanzung gehen, wenn sie nicht in der Schule sind, da es sonst keine Menschen gibt, die auf sie aufpassen.

Ist die Bezahlung in der Mateproduktion vergleichbar mit der generell in der Landwirtschaft, oder wird mehr oder weniger bezahlt?

Bei externen Arbeitsverträgen richtet sich die Bezahlung nach der Produktivität, also nach der Menge des Gepflückten, da werden bei der Bezahlung keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern gemacht. Was die Höhe der Bezahlung betrifft, variiert sie natürlich je nach Leistung des oder der Einzelnen, aber im allgemeinen ist der Tageslohn bei Mate höher als bei anderen landwirtschaftlichen Dienstleistungen.

Erfordert die Mateproduktion das ganze Jahr über Präsenz auf den Anbauflächen, oder ist es Saisonarbeit für die Zeit der Ernte?

Die Mateblätter wachsen an Bäumen, kommen also von langlebigen Pflanzen. Zur Instandhaltung muss man zweimal jährlich säubern. Die Ernte selbst findet alle 12 bis 24 Monate statt. Der Baum treibt nach der Ernte neu aus. Er wächst also weiter und braucht nicht neu gepflanzt zu werden. Wir haben 25 Jahre alte Bäume, die weiterhin ganz normal produzieren.

Bei der Ernte werden die Äste mit den Mateblättern zusammen abgeschnitten, ein Teil der Äste wird dann weggeworfen. Alles was im Durchmesser dünner ist als 6 mm wird für die weitere Verarbeitung aussortiert.

Wie kam es, dass die MST Matekooperativen aufgebaut hat?

Wie der Name Copermate besagt (Kooperative der Agrarreform für Mate), ist die Kooperative ein Zusammenschluss, der die Ernten von Familien, die im Rahmen der Agrarreform in assentamentos kollektiv Land bekommen haben, sowie von kleinen Produzenten aufkauft, verarbeitet und auf dem in- wie ausländischen Markt weiterverkauft.

Copermate enstand aus der Notwendigkeit, Verarbeitungs- und Verkaufswege aufzubauen für die Produktion aus den assentamentos auf dem Land. Hinzu kam der Ansatz der MST, mit nachhaltigen Kulturen zu arbeiten, damit meine ich soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Heute hat Copermate 228 Mitglieder. Insgesamt liefern 600 kleine Betriebe ihre Ernte zur Weiterverarbeitung und Vermarktung an Copermate. Wir verkaufen verarbeitete Mateprodukte auf dem nationalen Markt und exportieren nach Deutschland, Frankreich und in die USA. In unserer Weiterverarbeitung sind 13 Personen vertraglich angestellt, zwei davon sind Frauen.

Wir verkaufen unsere Produkte überwiegend direkt an den Einzelhandel. Die Menge, die darüber hinausgeht, verkaufen wir auch an andere Betriebe im Matebereich weiter, so auch an Matte (sic) Leão, bis diese von Coca-Cola übernommen wurde. Was ins Ausland exportiert wird, geht alles in den Fair-Trade-Bereich. Im Falle der USA haben wir eine Partnerschaft mit einem Unternehmen, das seine Rohstoffe von indigenen Reservaten in den Gemeinden Turvo, Mangueirinha und Inácio Martins bezieht, und darüber hinaus von einigen Kleinproduzenten ebenfalls aus Turvo.

In Deutschland liefern wir schon seit 1996 an El Puente nach Nordstemmen (www.el-puente.de). El Puente beliefert Weltläden und verkauft den Mate auch zur Weiterverarbeitung an andere Fair-Trade-Betriebe, bis nach Italien.

Du erwähntest eben einen Betrieb, der von Coca-Cola übernommen wurde. Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht.

Das war das Unternehmen Matte Leão. Wir hatten früher Kontakte zu Leão Júnior. Die Firma wurde von Coca-Cola aufgekauft. Der Markt für gehackte Mateblätter (der Rohstoff für die spätere Weiterverarbeitung) wird von zwei oder drei Unternehmen kontrolliert. Coca-Cola hat Matte Leão intern umstrukturiert und begann in dem Rahmen auch, die Lieferanten zu besuchen. Von den ehemals etwa 45 Lieferanten blieben nur zehn übrig. Daher haben wir auch seit mehr als einem Jahr keine geschäftlichen Beziehungen mit Coca-Cola.

Was verkauft Copermate genau?

Wir verkaufen unterschiedliche Sorten von Erva-Mate und auch einen Bio-Matetee. Derzeit entwickeln wir einen Mate für tereré, den paraguayischen kalten Mate, und eine weitere Art Mate für den klassischen Matebecher.

Wie sind die Kooperativen organisiert? Wird die Produktion gemeinsam organisiert oder lediglich der Weiterverkauf?

Anbau und Ernte der Mateblätter ist Sache der Familien im assentamento oder von kleinen Anwesen. Die Kooperative kauft auf, verarbeitet und kümmert sich um den Weiterverkauf.

Arbeitet Copermate auch mit acampamentos, also noch nicht legalisierten Besetzungen zusammen?

Nein derzeit nicht.

Was hast du selbst für einen Hintergrund?

Ich bin der Sohn eines landlosen Bauern im Südwesten von Paraná, der 1984 mit der MST nach Santa Maria do Oeste kam und 1985 Teil des assentamento Araguaí wurde. Ich habe an der Agrarökonomiefakultät der Bundesuniversität von Paraná Landwirtschaftstechnik gelernt.

Heute bin ich Mitglied im assentamento Araguaí. Ich baue Biomate an und bin verantwortlich für die Koordination der Weiterverarbeitung der Kooperativenmate. Ich wohne die Woche über im Weiterverarbeitungsbereich und am Wochenende im assentamento.

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