Im Sommer 1994 lernten wir Werner in Guatemala kennen. Als Freiwilliger im Projekt CAREA (Cadena para un Retorno Acompañado) kam er zur Guatemala-Solibewegung. Er blieb dabei, übernahm Verantwortung und wurde über die Jahre ein guter Freund und verlässlicher Partner in vielen verschiedenen Zusammenhängen.
Das Projekt CAREA war 1992 gemeinsam von der Infostelle Guatemala und der Hamburger Guatemala Gruppe ins Leben gerufen worden. Die Vertreter der guatemaltekischen Flüchtlinge im mexikanischen Exil hatten im Herbst 1992 mit dem Acuerdo 8 de Octubre mit der guatemaltekischen Regierung einen Vertrag über eine kollektive Rückkehr (Retorno) ganzer Dorfgemeinschaften ausgehandelt. Da viele Flüchtlinge weiter Angst vor Repression in Guatemala hatten, war ein Baustein des Vertrages die internationale Begleitung der Retornos sowie des Wiederaufbauprozesses der Dorfgemeinschaften über die ersten Jahre. Dieses politische Projekt unterstützte die Solibewegung, indem sie die regelmäßige Präsenz von internationalen BegleiterInnen bei den Retornos und in den Gemeinschaften organisierte und die TeilnehmerInnen vorbereitete. Das Projekt CAREA wurde dann später zu einem e.V., der jetzt sein 20. Jubiläum feiert.
Als einer der ersten CAREA-Freiwilligen war Werner in diesen turbulenten Anfangsjahren vor der Vereinsgründung im Sommer 1994 vier Monate als Begleiter im Ixcán unterwegs. Er hatte vorher als Krankenpfleger gearbeitet und kam aus einer Hamburger Männer-WG, die als Kommune zusammenlebte. Die Themen Gerechtigkeit und Solidarität waren für ihn nicht abstrakte Werte, sondern ernsthafte Ziele, die er mit großer Konsequenz in seinem eigenen Leben anstrebte. Er war sehr anspruchsvoll, konsequent und gründlich bei dem, was er sich vornahm, und gleichzeitig ein lebensfroher, neugieriger, offener und kritischer Geist. Es machte Spaß, mit ihm zu arbeiten und zu philosophieren. Da er Verantwortung übernahm, sehr beharrlich sein konnte, belastbar, zuversichtlich und stark war, war er nach seiner Rückkehr bald eine geschätzte Verstärkung für die Hamburger Soligruppe und ab Mai 1995 auch für das Team der Guatemala-Infostelle in Bonn. Werner war da, wenn man ihn brauchte, er hatte Lust auf Herausforderungen und war bereit, sich auf Neues einzulassen.
In den folgenden Jahren arbeitete Werner in der Infostelle Guatemala und später für ein Jahr im Büro der ila. Und er war immer wieder vor Ort in Zentralamerika und teilte die prekären Bedingungen der Menschen in den Dörfern. Er organisierte Besuche von JournalistInnen und PolitikerInnen, die den RückkehrerInnen und ihren internationalen BegleiterInnen den Rücken stärkten und Mut gaben. Mehrere CAREA-Generationen hat Werner so auf den Weg gebracht und sie mit seiner umsichtigen Art und seiner scharfen politischen Analysefähigkeit unterstützt. Werner war in dieser Zeit auch Redaktionsmitglied der ila und hat etliche spannende Analysen über den guatemaltekischen Nachkriegsprozess eingebracht.
Der konsequente Einsatz für Gerechtigkeit und Solidarität, ganz klar auf der Seite der Bedrängten, das ist unschwer als ein roter Faden in Werners Leben erkennbar. Er blieb Lateinamerika seitdem verbunden und erweiterte über die Jahre seinen Erfahrungsschatz, auch über gemeinsame Projekte und Reisen mit Silke Hensel, mit der er 20 Jahre zusammenlebte.
Nach der Zentralamerika-Erfahrung ließ Werner sich auch mit viel Empathie und Leidenschaft auf Asien ein und koordinierte in Bonn für den Evangelischen Entwicklungsdienst seit 2000 dessen Regionalprogramm in Südostasien. Auch in dieser Zeit waren ihm die Begegnungen mit ProjektpartnerInnen vor Ort ein sehr wichtiges Anliegen. Er kehrte mit immer neuen Fragen und Herausforderungen von seinen Reisen zurück.
Seit 2007 engagierte sich Werner beim internationalen Kinderhilfswerk terre des hommes in Osnabrück. Dort machte er nach verschiedenen internationalen Koordinationsaufgaben den Bogen zurück nach Lateinamerika. In den letzten drei Jahren war er für die Projektkooperation von terre des hommes mit dem Konzernbetriebsrat von VW verantwortlich. In diesem Zusammenhang baute er u. a. ein Sonderprogramm in Brasilien auf, das im Kontext der Fußball-WM 2014 mehr als 10 000 Kindern in städtischen Slums der Austragungsorte den Zugang zu Spiel, Sport und Selbstbewusstsein ermöglichte. Auch dabei richtete er Blick und Tat auf die Entstehungsbedingungen von Unrecht und Ausgrenzung und startete gemeinsam mit der Föderation von terre des hommes ein Lobbyprogramm, das von der FIFA und den internationalen Sportverbänden Respekt und Schutz von Kindern und benachteiligten Bevölkerungsgruppen bei der Ausrichtung von Sportgroßereignissen forderte.
An Werner denken heißt auch, an seine angenehme Stimme zu erinnern. Mit ihr hat er nicht nur eindrücklich Situationen geschildert und nachdrücklich Standpunkte vertreten. Mit ihr hat er seine andere persönliche Passion gelebt und sehr gern gesungen. Werner war Mitglied des Laienchors „Die Untertanen“ in Münster, der sein Repertoire aus dem Liedgut sozialer Bewegungen verschiedener Kulturkreise und Epochen schöpft. Es war eine große Freude, ihn dabei zu erleben.
Seit geraumer Zeit litt Werner unter Depressionen und ist im Dezember 2015 von uns gegangen. Wir trauern um ihn und sind erschüttert, dass ihm am Ende kein anderer Weg mehr offen zu stehen schien. Seine Stimme wird uns fehlen an seinen verschiedenen Wirkungsstätten, an denen er uns ein vielfältiges, starkes und in jeder Hinsicht eindrucksvolles Lebenslied hinterlässt.
Wegbegleiterinnen und -begleiter aus der Infostelle Guatemala, von CAREA, der Hamburger Guatemala Gruppe und von terre des hommes