Er war mit Leidenschaft bei der Sache

Am 5. September wurde Henry Mathews in Berlin beerdigt. Jahrelang hatte er den Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre koordiniert und ganz bewusst Themen aus der sog. Dritten Welt aufgegriffen, Rüstungsexporte, Umweltschutz, Arbeitsbedingungen und Menschenrechte. Henry war mit Leidenschaft bei der Sache – was für die Sache gut war, aber für seine Gesundheit offensichtlich nicht. Er ist im Alter von 40 Jahren beim Rudern in Schweden an einem Herzinfarkt gestorben.

Ihm ist es zu verdanken, dass das Kapitel der in Argentinien verschwundenen Betriebsräte regelmäßig auf der Tagesordnung der Hauptversammlungen des schwäbischen Autobauers landete. Fast immer pöbelten die um ihre Dividende bangenden Aktionäre: was das Thema überhaupt solle? Die Managerriege blickte peinlich berührt beiseite, wenn von den gefolterten und ermordeten argentinischen Gewerkschaftern die Rede war. Die Herren kennen das natürlich, wollten es aber nicht auch noch hören. Und der Versammlungsleiter, der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper, pöbelte mit. Er kannte die „Kritischen“ und packte deren Wortmeldungen, fein sortiert, immer in die späten Abendstunden, wenn die Redezeit schon reduziert und die meisten Aktionäre bereits nach Hause gegangen waren. Oft dauerten diese Hauptversammlungen bis tief in die Nacht hinein, bis der letzte ausgeredet hatte, oder Henry hielt die Stellung und brachte in die Kneipe die Abstimmungsergebnisse mit. 

Natürlich änderten diese Auftritte auf den Hauptversammlungen nicht die Konzernpolitik – niemand wusste das besser als Henry. Aber Öffentlichkeit wurde hergestellt, JournalistInnen konnten gebrieft, Kritik formuliert werden. Im Falle Argentinien hatte dies Erfolg, die Konzernleitung musste, nach jahrelangem Aussitzen, einen Gutachter unter Vertrag nehmen – Prof. Tomuschat, der das Gesicht des Unternehmens weiß wusch. Zur Vorstellung dieses Berichts fuhr Henry nach Stuttgart, mit einem ganzen Packen Material unter dem Arm, und bis in die frühen Morgenstunden faxte er, Seite für Seite, das Werk nach Argentinien, damit die Betroffenen Stellung nehmen konnten. Am Ende urteilte selbst die Wirtschaftspresse: „Gefälligkeitsgutachten“. 

Schade, dass Henry es nie bis Argentinien geschafft hat. Dann hätte er sich selbst davon überzeugen können, wie sehr seine Arbeit von denen wahrgenommen und geschätzt wurde, die sonst nie eine Stimme haben. Von den Überlebenden und den Hinterbliebenen von Mercedes Benz Argentina. Er wird uns fehlen.