Nach „Fridays for future“ nun auch „Fair for future“? Springt da jemand auf einen Zug auf, oder spinnen da zwei etwas weiter, was nur zu logisch folgt, wenn man für das Klima in der Welt nicht allein die Temperatur und das CO2 anschaut. Fakt ist, dass die Bemühungen um einen fairen Handel schon lange vor den „Fridays for Future“ begannen – aber wie diese noch lange nicht ausreichend umgesetzt werden konnten.
Begonnen hat der Versuch eines fairen Handels aus einem eher karitativen Engagement in den 1970er-Jahren, das aber nicht auf Almosen abzielte. Das wurde zunächst meist mitleidig belächelt. Inzwischen gibt es auch für dieses Marktsegment so viele Versuche der Vereinnahmung, dass man schon wieder skeptisch sein darf. So gibt es etwa für „El Rojito“ gute Gründe, ihren fair gehandelten Kaffee nicht als „Fair-Trade-Kaffee“ zu besiegeln. So gehören zum (groß geschrieben) Fairen Handel außer einer „gerechten, weil angemessenen Bezahlung“ und fairen Geschäftsbeziehungen[fn]1) Dazu gehört z.B., dass Verträge eingehalten werden, wenn die Ware geliefert wurde. Im Frühjahr 2020, während des ersten Lockdowns, verweigerten viele Modeketten die Abnahme in Südostasien und Mittelamerika produzierter Textilien. Deswegen erhielten die Näher*innen nicht einmal Löhne für bereits geleistete Arbeit, was zu Hunger und Verelendung führte, vgl. ila 438.[/fn] auch folgende Punkte: Chancengleichheit auch für sozial, ethnisch oder infrastrukturell benachteiligte Gruppen; die Eindämmung von Kinderarbeit; der Schutz und die Förderung der kulturellen Traditionen und Fähigkeiten von Kleinproduzent*innen, die sie in ihren Handwerksdesigns, Lebensmittelprodukten und damit verbundenen Leistungen zum Ausdruck bringen, und nicht zuletzt der Schutz der Umwelt.
Wenn es aber selbst große Kaffeekonzerne schaffen, für einzelne Kaffeesorten ein Fair-Trade-Siegel zu bekommen, muss etwas schief sein.
Wie es so weit kommen konnte, erzählt ein Mann der ersten Stunde. Gerd Nickoleit hat die Aktion „Jute statt Plastik“ gestartet, die den Fairen Handel über die Szene hinaus bekannt gemacht hat. Er wurde der erste Hauptamtliche des Fairen Handels in Deutschland und gründete unter anderem das Fair-Handels-Haus GEPA und das Forum Fairer Handel mit. Dass seine Tochter trotz einer (zweifellos nicht selten nervigen) konsequenten Erziehung zum nachhaltigen Handeln dabeigeblieben ist, darf man wohl auch seinem vorgelebten Engagement zuschreiben. Während die anderen bunte Turnbeutel mit in die Schule nahmen, musste für sie eine Jutetasche reichen. Beim Weihnachtswichteln schämte sie sich, dass sie statt „cooler Sachen“ Batik aus Indien weitergeben sollte. Da tröstete es auch wenig, wenn sie – zu Recht – als avantgardistisch gelobt wurde. Jetzt hat sie, die freie Journalistin, die auch schon im gleichen Verlag ein Buch über Bolivien verfasst hat, mit ihrem Vater dieses kleine Geschichtsbuch geschrieben. Der rote Faden ist ein historischer Abriss von der Entwicklung aus dem Non-Profit-Sektor bis hin zu einem Marktsegment, das um die drei Prozent des Handels ausmacht. So wird durch den Fairen Handel überwiegend das „ethische Marktsegment“ bedient, also Menschen, denen es aus politisch-ethisch-moralischen Gründen wichtig ist, für bessere Arbeitsbedingungen und ökologisch schonendes Produzieren auch mehr zu bezahlen – auch weil sie es sich leisten können. Nur kommen leider beträchtliche Teile des Aufpreises nicht bei den Produzent*innen an, was auch, aber nicht nur mit der Lieferkette und den Strukturen des Lebensmittelhandels zu tun hat.
So gibt es neben dem berechtigten Stolz, etwas angestoßen, entwickelt und zäh mit allem Vor und Zurück weitergebracht zu haben, auch vieles zu kritisieren und zu hinterfragen, was die beiden Autor*innen durchaus ansprechen.
Was das Buch – zumindest für Ältere wie mich – spannend und lebendig werden lässt, sind die eingestreuten Anekdoten, die an Zeiten mit viel Power, Lachen, aber auch mit Wehmut erinnern. Dazu zählen Endlos-Sitzungen im heimischen Wohnzimmer bei (damals!) teilweise kaum trinkbarem Nicaragua-Kaffee, der nur noch aus größter Solidarität nachgekauft wurde. Zu den „Mühen der Ebene“ gehörte aber auch der teilweise erst zu erlernende Umgang mit den Interessen verschiedener Produzentengruppen, was unter anderem auch zu einem deutlich verbesserten Kaffeegenuss geführt hat. Der war auch nötig, um sich danach mit den Versuchungen der zunehmenden Vereinnahmung bis zum bloßen Etikettenschwindel auseinandersetzen zu können. Das könnte nun für die heutigen „Fridays for Future“ ebenfalls interessant sein, denn dieser Prozess von der Ablehnung über die politische Bekämpfung bis hin zur sinnentleerenden Umarmung ist beispielhaft für viele andere Projekte. Auch das ist Thema des Buches
Zu Recht konstatieren Vater und Tochter, dass der Faire Handel schon vieles richtig macht. Das ist nachvollziehbar und nicht zuletzt wegen der vielen Anekdoten gut lesbar in seinem aneckenden Verlauf beschrieben. Am Ende des Buches steht die Hoffnung, dass es jetzt aber eigentlich erst – auf einem anderen Niveau – richtig los-, also weitergehen soll.