Wieder einmal stehen Bananen auf der Tagesordnung. Diesmal geht es um einen sogenannten Bananenstabilisierungsmechanismus. Dieser wird dem Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru sowie dem Assoziationsabkommen mit Zentralamerika angehängt. Seine Ausgestaltung muss vom Europaparlament mit entschieden werden, bevor selbiges über die Abkommen an sich entscheidet.
Der Mechanismus ist Bestandteil einer Schutzklauselverordnung, die die EU bilateralen Handelsabkommen automatisch hinzufügt, um europäische Industrien vor empfindlichem Schaden – gemeint ist billige Konkurrenz – zu schützen. Sofern infolge sinkender oder wegfallender Zölle im Rahmen eines Freihandelsabkommens bestimmte Waren zu sehr auf den europäischen Markt drängen, hat die EU-Kommission die Möglichkeit, in einem jeweils in der Verordnung zu definierenden Verfahren die Zölle zurück auf die im Welthandel üblichen hochzufahren. Ganz nach dem Motto: Freihandel ja, aber nur wenn er mich nicht betrifft.
In dem vor einem Jahr mit Korea in Kraft getretenen Freihandelsabkommen etwa machte das in den Augen vieler Sinn, da auf beiden Seiten starke Industrien den Wettbewerb des jeweils anderen Lagers fürchteten. Autoteile, Präzisionsmaschinen oder Flugzeuge made in Kolumbien, Peru oder Zentralamerika indessen werden europäische Märkte wohl kaum überschwemmen. Nur eben Bananen. Gegen die zollgünstige Einfuhr der sogenannten Dollarbananen aus Mittel- und Südamerika laufen europäische ProduzentInnen – von den Kanarischen Inseln und den französischen „Übersee-Departments“ – und deren WortführerInnen in den europäischen Institutionen schon seit Jahren Sturm. Daher der Bananenstabilisierungsmechanismus als Kern der Schutzklausel gegenüber den bananenexportierenden Ländern in Lateinamerika. Wird er eines Tages angewendet, könnte er die Exportsteigerung just in der Produktlinie zunichte machen, die in einigen der beteiligten Länder als die wichtigste im gesamten Freihandelsabkommen mit der EU betrachtet wird.
Das eigentliche Problem aber liegt tiefer. Bei mehreren Bananenexportländern handelt es sich um Staaten mit erschreckenden Verletzungen von Arbeits-, Gewerkschafts- und Menschenrechten. Dies im Blick, und als Ergebnis jahrelanger aufklärender Kampagnen seitens menschenrechtlicher, kirchlicher und gewerkschaftlicher Gruppen, sehen die soeben im Europaparlament verhandelten Berichte unter Federführung der beiden Sozialdemokraten Bernd Lange (Deutschland) für Kolumbien und Peru und Jörg Leichtfried (Österreich) für Zentralamerika vor, den rein ökonomischen Kriterien des Kommissionsvorschlages arbeits- und umweltrechtliche Kriterien hinzuzufügen. Dies ist tatsächlich Neuland. Die EU-Kommission soll im Rahmen der Schutzklausel die Einhaltung von ILO-Konventionen in der Produktion, angemessene Bezahlung und Umweltschutz oder auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt auch in den europäischen Bananenproduktionsgebieten im Blick behalten, darüber Bericht erstatten und bei Zweifeln eine Untersuchung mit der Möglichkeit von Sanktionen einleiten, so beschloss es gerade die Mehrheit des Europäischen Parlaments.
Doch die EU-Kommission ist strikt dagegen. Angeblich habe die Generaldirektion Handel gar keine Möglichkeit, Einblick in arbeitsrechtliche Zustände zu nehmen, die Forderungen seien nicht kompatibel mit WTO-Bestimmungen, die Klausel sei der falsche Ort für menschenrechtliche Erwägungen und etliches mehr, wendet sie höchst alarmiert ein. Der nach der Plenarabstimmung begonnene Trialog zwischen EU-Kommission, EU-Rat und Europäischem Parlament, an dessen Ende eine Kompromissklausel stehen soll, dürfte zum Fingerhakeln werden.
So geht es in dem Dossier keineswegs nur um Bananen. Aber wenn es nicht um sie gegangen wäre, wäre der Konflikt gar nicht so hochgekocht. Die Auseinandersetzung zwischen der Mehrheit im Europäischen Parlament und EU-Kommission hat in bemerkenswerter Deutlichkeit gezeigt, wie unverfroren die EU-Kommission und große Teile der rechten Fraktionen das Thema Menschenrechte aus den Abkommen mit Kolumbien, Peru und Zentralamerika heraushalten wollen, wenn es denn konkret wird und Maßnahmen fällig wären wie im Falle der Verletzung von Gewerkschaftsrechten.
Erst kurz vor der Sommerpause im Juli dieses Jahres hatte das EP zunächst einen verbindlichen Aktionsplan zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Kolumbien und Peru gefordert und wollte die beiden Länder sowie die EU-Kommission damit beauftragen. Nach heftiger Lobbyarbeit seitens der Kommission wurde daraus lediglich eine Road Map, zu erstellen und durchzuführen allein von Kolumbien und Peru. Doch auch diese heruntergekochte Version des anfänglichen Aktionsplans sollte Ergebnisse zeitigen, bevor das entsprechende Abkommen vom EP abgestimmt wird und in Kraft tritt. Denn ein in der Absicht vergleichbarer Aktionsplan, den die USA ihrem Freihandelsabkommen mit Kolumbien im vergangenen Jahr vorgeschaltet hatten, ist inzwischen gescheitert. Das vermeldeten der US-Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO und die kolumbianische Nationale Gewerkschaftsschule einvernehmlich.
Genug Gründe also, die Kampagne „In meinem Namen keine Ratifizierung!“ zu unterstützen, bevor das Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru voraussichtlich gegen Ende 2012 dem Europaparlament zur Abstimmung vorgelegt wird.
Unterschreiben kann man online unter www.fta-eu-latinamerica.org/sistema/