Gefangen auf hoher See

Achtundzwanzig Afrikaner aus Sierra Leone und Ghana landeten nach sieben Monaten auf einem chinesischen Fischereischiff in Montevideo. Das Schiff ankerte außerhalb des Hafens, aber da sie krank waren, wurden die Arbeiter mit einem Boot an Land in ein Hotel gebracht. Dort kam zufällig ein Afrikaner vorbei, der in Uruguay lebt, und sprach die an der Tür stehenden Männer an. Diese erzählten ihm den Horror, den sie erlebt hatten, nachdem sie auf diesem Schiff angeheuert hatten. 500 Dollar monatlich waren ihnen für die Arbeit im Tintenfischfang zugesagt worden. Bekommen hatten sie für ihre 16-Stunden-Arbeitstage in all den Monaten nichts. Aber sie mussten mieseste Behandlung erdulden. Wer krank war, wurde trotzdem zur Arbeit gezwungen. Sie wurden geschlagen und mit Fußfesseln unter Deck gefangen gehalten. Bei der ärztlichen Untersuchung wurden später Unterernährung und Vitaminmangel festgestellt. Sie hatten nur gesalzenen Reis zu essen bekommen und zum Trinken aufbereitetes Meerwasser. Aber ohne das Land zu kennen und die Sprache zu sprechen hatten sie zunächst Angst, die Geschichte öffentlich zu machen und die Firma anzuzeigen.

Der in Uruguay lebende Kollege stellte den Kontakt zur Gewerkschaft SUNTMA her und zu Mundo Afro, einer Organisation von Nachkommen ehemaliger SklavInnen aus Afrika. Mit deren Hilfe forderten die afrikanischen Kollegen am nächsten Tag bei der Hafenpräfektur den ausstehenden Lohn ein und erstatteten bei Gericht Anzeige wegen der Misshandlungen. Die uruguayischen Behörden schalteten sich ein und sorgten für Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung der Afrikaner. In Verhandlungen wurden schließlich die Bezahlung der Rückfahrt und je 1500 Dollar für die Kollegen ausgehandelt. SUNTMA hat in ähnlichen Fällen schon Seeleute aus Nigeria, Thailand, Vietnam und den Philippinen unterstützt. Die Schiffe fuhren fast alle unter chinesischer Flagge und in Montevideo ist es immer die See- und Hafengesellschaft Christopher S.A., die als Agentur fungiert. Da sie aber nicht direkt für die Einstellung der Besatzungen zuständig ist, lehnt sie jede Verantwortung ab.

Die ILO hat letztes Jahr den Bericht Caught at sea: Forced Labour and trafficking in fisheries herausgebracht. Sie fordern weitere Forschung, da die Datenlage zur Zwangsarbeit in diesem Bereich dünn ist. In einer Studie zur Situation in Thailand gaben fünf Prozent der befragten Fischer an, dass sie ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können, weil ihnen mit Gewalt oder Anzeigen bei den Behörden gedroht wird, weil ihnen die Papiere abgenommen wurden oder der Lohn zurückgehalten. Die meisten kamen aus Myanmar. Im Fischfang arbeiten immer mehr Migranten, die besonders häufig von solchen Praktiken betroffen sind. Aufgrund der Isolierung auf See und der schwierigen juristischen Situation in internationalen Gewässern ist eine Kontrolle der Arbeitsbedingungen hier besonders schwer.

Auch in Montevideo blieb die Anzeige erfolglos. Für die Misshandlungen gab es keine Beweise, die ärztlichen Gutachter fanden keine „frischen“ Wunden und der chinesische Kapitän bestritt die Aussagen der Afrikaner: Das seien doch nur die üblichen harten Bedingungen auf See gewesen, das seien die nicht gewohnt gewesen und da sei es eben zu ein paar Unstimmigkeiten zwischen den Afrikanern und ihren chinesischen Chefs gekommen. Die Staatsanwältin vermutete kulturelle Differenzen, es gäbe da vielleicht unterschiedliche Auffassungen von Arbeitszeiten und Ernährung und da das alles ja nicht in Uruguay, sondern auf hoher See stattgefunden habe, könne sie auch nicht weiter ermitteln. Das Verfahren wurde eingestellt. 

Für SUNTMA ist diese Straflosigkeit nichts Neues: „Das ist immer schon so gelaufen, aber 2014 war ein spezielles Jahr. Da wurden im Hafen von Montevideo aus Protest auf fünf Schiffen Brände gelegt, von der eigenen Besatzung.“

Quellen: 
http://internacional.elpais.com/internacional/2014/09/13/actualidad/
1410564911_010722.html
http://elmuertoquehabla.blogspot.de/2014/09/esclavos-africanos-del-mar-llegaron.html
http://www.carasycaretas.com.uy/esclavos-desembarcan-en-uruguay/