Chocolate Remix ist das Reggaeton-Projekt der argentinischen Produzentin, Rapperin, Sängerin und DJ Romina Bernardo (a.k.a. Choco). Seit 2013 arbeitet die Künstlerin daran, das traditionell sexistische Musikgenre von einer queer- und transfeministischen Perspektive aus zu bespielen und sich gegen Diskriminierung und Gewalt zu wenden (siehe auch ila 406 und ila 416). Mit ihrem im Mai erschienenen Album „Minga“ (in Argentinien derbe umgangssprachlich für „auf gar keinen Fall!“) erweitert sie ihren ohnehin explizit politischen Ansatz um einen Frontalangriff gegen die argentinische Regierung von Javier Milei und seine Anhängerschaft. „Verdammt, die werden uns auf gar keinen Fall die Fiesta wegnehmen!“, war ihr erster Gedanke, als Milei die Stichwahl gewann.

Und so beginnt das neue Album auch mit „La Fiesta“, einer Guaracha[fn]Ursprünglich cubanisches Musikgenre im 6/8 Takt, das sich durch seine gesellschaftskritischen und/oder humoristisch-anzüglichen Texte auszeichnet.[/fn], in der Chocolate Remix die Melodie des argentinischen Klassikers „Todavia cantamos“ (Noch singen wir) von Víctor Heredia aufgreift. Eine Hymne gegen die Diktatur, die auf Demonstrationen und bei sozialen Protesten mit Pauken und Trompeten immer wieder neu interpretiert wird. Als sie diesen Sound auf der ersten Demo gegen Milei noch am Wahlabend in Buenos Aires auf der Straße hörte, entstand die Idee zu „Minga“. Das Album sollte eine Hommage an eine besondere, nämlich die argentinische Protestvariante werden, die kongeniale Verbindung von Kampf auf der Straße und Straßenparty. Und es sollte Mut machen: Straße, Widerstand, Kampf und Fiesta – das lassen wir uns nicht nehmen, Minga, nie im Leben! Auch nicht von einem „Otario“ (Dummkopf) wie Milei. Das ist der Titel des zweiten Stücks, das vorab mit einem Video veröffentlicht worden ist. Im Video zu „Otario“ rappt und tanzt Choco vor dem Hintergrund der ersten Demos, vor Polizeiketten im Zentrum von Buenos Aires, gefilmt Ende Dezember 2023 mitten in einem massiven Polizeieinsatz. „Otario“ ist ein Dembow, ein schneller Rhythmus aus der Dominikanischen Republik. Der Text ist ein heftiger Angriff auf den „Otario“ Milei, aber auch auf seine ultraliberale Wählerschaft und ihre Illusionen von Freiheit und freier Wirtschaft: „Der freie Markt wird dich nicht zum Millionär machen, aber er ist so frei, dir den Lohn zu kürzen.“ Alles in heftiger Straßensprache und einem beeindruckenden Hochgeschwindigkeitsrap vorgetragen. Sie brauchte dieses Tempo und eine drastische Sprache, weil sie wütend war und viel zu sagen hatte, erzählt Choco. Die Wut und die klare Haltung in den Songs „La Fiesta“ und „Otario“ sind wegweisend für das Album. In einem Interview mit dem Magazin Indie Hoy erklärt sie: „Ich hätte auch über meine verletzte Seele und ganz einfach über die aktuelle Situation singen können. Aber ich bin immer schon nach vorne gegangen, und ich möchte die Leute einladen, dasselbe zu tun. Vamo’ arriba!“

Auf Minga finden sich weitere sechs Stücke auf diesem Weg. Alle sind extrem tanzbar. Neben der Basis aus einer Mischung von Cumbia und Rap greift Choco urbane Sounds aus Lateinamerika bis hin zu düsterem Rave auf. Es gibt klassischen Reggaeton („Pizza con Champán“), Trap („Hago Trap“), Neoperreo („Pornostar“), treibenden House („Mostra“), eine bezaubernde Mischung aus Electro und Merengue in „Ey Maricón“ und schließlich einen Remix von „Quién Sos?“ als Bonustrack für die Tanzfläche bearbeitet.

Minga ist ein Album gegen Dummheit und modernen Faschismus. Ein Album zum Tanzen und Feiern, zum Nachdenken und aktiv werden. Nicht zuletzt ist es ein ernstes Album in Zeiten des weltweiten Vormarsches der extremen Rechten. Allen voran Javier Mileis, der sich gerade in Spanien von der versammelten Ultrarechten aus aller Welt feiern ließ. Minga zeigt ihn als das, was er ist: ein Dummkopf und brandgefährlicher Faschist.

Chocolate Remix verteidigt den typisch argentinischen Widerstand mit seinem Gleichklang aus Kampf und Feiern auf der Straße, denn „ein deprimiertes Volk ist ein Volk, das sich aufgegeben hat“, so die Sängerin. Und noch singen wir…

Ab Anfang Juni ist Chocolate Remix auf einer längeren Europatour auch hierzulande zu sehen. Zum Beispiel am 20. Juni in Berlin (SO 36), am 7. Juli in Hamburg (Hafenklang) und am 17. August in Köln (Gebäude 9).

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