Jedes Land und jeder Mensch versteht das Glück auf seine Art und Weise. Sich am Strand fläzen, einen über den Durst trinken, die Macht erobern, sich hinter das Steuer eines Sportwagens setzen, eine von der Zivilisation unberührte Landschaft betrachten, niemandem gehorchen müssen, ohne Pause Sex haben: Das sind einige der vielen und unterhaltsamen Möglichkeiten, wie sich die Leute das Glück vorstellen. Für die PeruanerInnen ist das Glück eng mit dem guten Essen verbunden. Das gute Essen ist ein Ideal, das alle Gesellschaftsschichten durchzieht, denn unter all den Ländern mit einer hohen Armutsrate sind wir wohl das Land mit der höchsten Restaurantdichte. Der Stadtteil, arm oder reich, spielt keine Rolle: Du wirst immer einen Ort zum Essen finden, meist zu erschwinglichen Preisen.
Dies habe ich im Ausland am meisten vermisst: Mit wenig Geld gut essen. „Wo ist die Chifa (peruanisch-chinesische Restaurants), wo ist die Anticuchería (traditionelles Lima-Essen, Rinderherz am Spieß gebraten)?“, habe ich gefragt in all den Ländern, in denen es an jeder Ecke einen Burger King oder vorgefertigte Pizzas gibt. Dort bedeutet Armut, sich im Supermarkt Konservendosen kaufen zu müssen und irgendetwas Kaltes oder halb Gewärmtes in einer Ecke deines Zimmers essen zu müssen. Wenn sich PeruanerInnen trafen, dann drehte sich das Gespräch unweigerlich ums peruanische Essen: Wo man dieses oder jenes Gewürz bekommen konnte, wann jemand zu Hause einen Cau-Cau (Gericht aus Innereien) oder einen Olluquito (Schweinefleisch mit Olluco-Kartoffeln) bereiten würde. Und natürlich versprachen wir alle hoch und heilig, dass uns unser erster Gang, wieder zurück in Lima, in eine Cevichería (Fischrestaurant) am Rande des Pazifiks führen würde.
Damit will ich nicht sagen, dass wir gut essen. Sobald die ausländischen Freunde etwas Vertrauen gefasst haben, werfen sie uns schlechte Ernährung vor. Ich habe mich sogar schon gefragt, ob die schlechte Ernährung daran schuld ist, dass wir so viele Kriege verloren haben, bei der Conquista angefangen. Was soll das, Kartoffeln und Reis zu mischen, wie es beim Cau-Cau und beim Lomo Saltado der Fall ist? Wann essen wir etwas Gemüse? Und wo ist das Wasser anstatt der vielen süßen Chicha morada (Getränk aus blauem Mais) und sonstiger Säfte? Ist es nicht gesünder, eine Frucht zum Nachtisch zu essen statt Suspiros (süße Creme mit Eischneehaube), Mazamorras (violette Maisgrütze) und süßem Milchreis? Wahrscheinlich haben sie ein wenig Recht. Aber genau da geht es auch um die Eigenart eines Landes und seiner Leute. In unserem Fall um unsere Vorliebe für das Barocke, für den Seitenauftritt und nicht die Frontale, und darum, aus der Küche einen Treffpunkt zu machen. Wir können Stunden mit Kochen zubringen, Stunden mit Köcheln, Schneiden, Abschmecken. Bei Tisch tauschen wir nicht nur Worte, sondern auch Soßen und Sößchen aus. Und der gesättigte Gaumen und die hart geprüfte Magenflora verlangen danach ein ausführliches Tischgeplauder und eine Siesta.
Woher kommt unser Genuss am Essen? Ist es spanisches oder indigenes Erbe? Die Historiker sagen, dass die prähispanische Ernährung recht monoton gewesen sei – Kartoffeln für das Volk und Mais für die Aristokratie –, so dass sie einen Spritzer Pikantes brauchte: Ají (scharfe Pfefferschote), Huacatay (andines Gewürzkraut) und Rocoto (scharfe Paprikaschote). Die Spanier brachten dann den Geschmack am Fleisch, an Zitrusfrüchten und Gemüse mit. Und die Araber und Afrikaner gaben dem Ganzen den letzten Schliff mit einer übermäßigen Dosis Zucker und den Meeresfrüchten. Die Fusion des Ganzen ist die peruanische Küche: köstlich und ein wenig ungesund, so wie unsere Geschichte.