Guten Abend, Schwestern und Brüder des befreiten Grenada!
Heute, einen Monat nach unserer Volksrevolution, gibt es Frieden, Ruhe und Stille in unserem Land. Die Kriminalitätsrate ist seit unserer Revolution massiv zuurückgegangen…Touristen und Besucher unseres Landes sind beeindruckt von der Disziplin unserer Truppen sowie dem Respekt, den wir vor dem Leben und dem Eigentum der Anwohner und ausländischen Besucher zeigen. Überall von der Insel erreichten uns dieselben Berichte, nämlich dass sich die Touristen positiv über die Herzlichkeit, Freundlichkeit und die Disziplin unseres Volkes und der Armee der Volksrevolution äußern. Dieselben Äußerungen hört man täglich von den Hunderten von Medizinstudierenden in Grenada.[fn]In Grenada existiert eine private US-Universität, wo begüterte US-Studierende Medizinstudium und karibisches Flair kombinieren können.[/fn]
Das alljährliche Bootsrennen von Trinidad nach Grenada fand wie üblich letzte Nacht statt, aber mit einer höheren Beteiligung als je zuvor. Die großen Gefühle der Erleichterung und des Glücks unseres Volkes sind für alle offensichtlich. Es ist selbstverständlich, dass es keinen Grund für Panik auf unserer Insel oder für Unsicherheit von Urlaubern gibt, sie strömen weiterhin täglich nach Grenada.
Aus diesem Grund möchten wir, dass die Menschen von Grenada und der Karibik verstehen, dass, wenn alle Touristen plötzlich in Panik gerieten, das Land verlassen oder nicht mehr in unser Land kommen würden, die versteckten Drohungen des Botschafters der Vereinigten Staaten der Grund dafür wären. Der Botschafter, Herr Frank Ortiz, betonte bei seinem letzten Besuch vor einigen Tagen die offensichtliche Bedeutung des Tourismus in unserem Land. Er legte dar, dass Grenada Waren im Wert von 32 Millionen Dollar importiere, aber nur für 12 Millionen Dollar exportiere und wir somit ein massives Handelsdefizit von 19 Millionen Dollar hätten, welches wir nur mit den Einnahmen aus dem Tourismus ausgleichen oder zumindest erheblich verringern könnten. Er geht davon aus, und wir sehen das genauso, dass der Tourismus entscheidend für das Überleben unserer Wirtschaft war und ist. Der Botschafter wollte uns belehren, dass, wenn wir weiter über die, wie er es nannte, „Söldnerinvasion einer Phantomarmee“ sprechen würden, wir all unsere Touristen verlieren könnten. Er erinnerte uns auch an die Erfahrungen, die Jamaica in dieser Hinsicht vor einigen Jahren gemacht hätte.
Einige von euch werden sich zweifellos daran erinnern, dass Jamaica damals eine Periode intensiver Destabilisierung erlebt hat.[fn]Als der Sozialdemokrat Michael Manley in seiner ersten Regierungszeit (1972-80) in Jamaica US-Bergbauunternehmen verstaatlichte und gute Beziehungen zu Cuba pflegte, initiierte der CIA im Auftrag der US-Regierung ein groß angelegtes Destabilisierungsprogramm, das u. a. den Tourismussektor schwächen sollte.[/fn] Während dieser Zeit waren die Jamaicaner fast so weit, den Glauben und das Vertrauen in sich selbst, ihre Regierung und ihr Land zu verlieren und an der Fähigkeit ihrer Regierung zu zweifeln, die drängenden Probleme des Landes und die Erwartungen der Menschen zu lösen. Dies geschah durch die Verbreitung von schädlichen Nachrichten in den lokalen, regionalen und internationalen Medien, insbesondere in den Zeitungen, mit dem Ziel, die Leistungen der jamaicanischen Regierung zu diskreditieren. Ebenso wurden durch Akte der Gewalt und Sabotage und durch bösartige Versuche, potenzielle Touristen zu verunsichern, die Wirtschaft geschwächt und dringend benötigte Deviseneinnahmen des Landes verhindert. Die Erfahrung Jamaicas muss uns daran erinnern, dass die Wirtschaft eines kleinen armen Dritte-Weltlandes, das vom Tourismus abhängig ist, von denjenigen geschädigt und zerstört werden kann, die die Möglichkeiten und den Willen dazu haben.
Bei einem offiziellen Treffen des Botschafters mit unserem Finanzminister Bruder Bernard Coard und anschließend mit mir am Dienstag dieser Woche und bei einer inoffiziellen Diskussion mit einem führenden Genossen der Volksrevolution am Pearls Flughafen am Mittwoch betonte der Botschafter, dass seine Regierung mit großem Missfallen jegliche Entwicklung der Beziehungen zwischen unserem Land und Cuba sehe. Der Botschafter wies darauf hin, dass sein Land das reichste, freieste und großzügigste Land der Welt sei, fügte aber hinzu: „Wir haben zwei Seiten.“ Wir verstanden, dass damit die Seite gemeint war, die Freiheit und Demokratie ignoriert, wenn die amerikanische Regierung ihre Interessen bedroht sieht. „Die Menschen hier sind panisch und ich werde diese Tatsache meiner Regierung mitteilen müssen“, sagte er. Den einzigen Beweis, den der Botschafter für diese angebliche Panik hatte, war der Vorfall am letzten Montag: Die Volksrevolutionsarmee hatte nicht gewarnt, bevor sie auf ein sehr langsam fliegendes Flugzeug schoss. Er nennt das Panik. Die Menschen in Grenada nennen es Wachsamkeit.
Am Ende unseres Gesprächs am Dienstag händigte mir der Botschafter eine getippte Erklärung mit Anweisungen seiner Regierung aus, die er uns übergeben sollte. Den entsprechenden Abschnitt las er mir vor und ich zitiere nun: „Obwohl meine Regierung ihr Anliegen und ihre Anschuldigen über einen möglichen Gegencoup anerkennt, glaubt sie ebenfalls, dass es nicht in Grenadas Interesse liegen kann, Hilfe bei einem Land wie Cuba zu suchen, um einem solchen Angriff zuvorzukommen. Uns würde jede Tendenz vonseiten Grenadas missfallen, engere Beziehungen zu Cuba zu entwickeln.“
Es hat sich international etabliert, dass alle unabhängigen Länder das volle, freie und ungehinderte Recht haben, ihre internationalen Beziehungen zu bestimmen. Wir sehen daher nicht ein, dass die Vereinigten Staaten von Amerika irgendein Recht haben, uns Anweisungen zu geben, mit wem wir Beziehungen zu entwickeln haben und mit wem nicht.
Vom ersten Tag der Revolution an haben wir enge und freundschaftliche Beziehungen angestrebt: mit den Vereinigten Staaten, genauso wie mit Kanada, England und all unseren karibischen Nachbarn, ob sie englisch, französisch, niederländisch oder spanisch sprechen, und wir beabsichtigen das auch weiterhin zu tun. Aber niemand sollte unsere Freundlichkeit als Berechtigung interpretieren, sich in unsere Angelegenheiten einzumischen, und niemand, so mächtig und stark er auch sein mag, hat das Recht, der Regierung und dem Volk von Grenada zu diktieren, zu wem wir freundschaftliche Beziehungen unterhalten und welche Beziehungen wir zu anderen Ländern haben dürfen. Wir haben nicht 28 Jahre gegen Gairy gekämpft und besonders die letzten sechs Jahre des Terrors ertragen, um unsere Freiheit zu gewinnen, um sie dann wegzuwerfen und ein Sklave oder Lakai irgendeines anderen Landes zu werden, unabhängig davon, wie groß und mächtig es ist.
Jeden Tag, an dem wir gegen Gairy[fn]Diktator Grenadas bis zum Sieg der Revolution im März 1979, vgl. Artikel Maurice Bishop[/fn] gekämpft haben, haben wir unsere Leben riskiert. An dem Tag, als die Revolution begann, haben wir fast unbewaffnet gekämpft und so erneut unsere Leben riskiert. Wir haben gezeigt, dass wir bereit sind zu sterben, um unsere Freiheit zu gewinnen. Und wir sind umso mehr bereit, für die Freiheit zu sterben, jetzt wo wir sie geschmeckt haben.
Wir fühlen, dass das Volk von Grenada das Recht hat, genau zu wissen, welche Schritte wir unternommen haben, die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten auf unterschiedlichen Ebenen zu etablieren, und welche Antwort wir bisher erhalten haben.
Seit dem zweiten Tag unserer Revolution, während unseres ersten Treffens mit Repräsentanten der amerikanischen Regierung, waren wir bemüht zu betonen, in welch beklagenswert vergewaltigtem Zustand die Gairy-Diktatur unsere Wirtschaft und unser Land hinterlassen hat.
Wir wiesen darauf hin, dass massive technische und finanzielle Unterstützung erforderlich sei, um mit dem Prozess des Wiederaufbaus der Wirtschaft zu beginnen. Der amerikanische Generalkonsul sagte uns, dass er nicht überrascht sei, dies zu hören und versicherte uns, dass er seiner Regierung empfehlen würde, uns die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Besonders weil er so beeindruckt von dem unblutigen Charakter, unserer Menschlichkeit und unserer prompten Zusagen bereits in den ersten Stunden der Revolution sei, die Sicherheit, das Leben und die Immobilien der Amerikaner und anderer Ausländer zu garantierten. Freimütig erzählte er, dass die in Grenada lebenden Amerikaner ihm berichtet hätten, dass sie glücklich seien, sich wohl und sicher fühlten. Jedoch kam die zugesicherte Hilfe nicht.
Es ist wahr, dass der Botschafter darauf hingewiesen hat, dass seine Regierung in der Regel Hilfen auf multilateraler Basis über die Karibische Regierungsbank gewährt. Es ist ebenfalls wahr, dass er sagte, dass seine Regierung dieses Vorgehen direkter Hilfe vorziehe und dass die Bewilligung der multilateralen Hilfe bis zu einem Jahr dauern könne. Es ist auch wahr, dass er uns mitteilte, dass seine Regierung die Bewegungen von Gairy überwache und dass es gegen das US-amerikanische Gesetz sei und somit für Gairy verboten, Söldner in den USA zu rekrutieren.
Wir müssen feststellen, dass anstelle der notwendigen wirtschaftlichen Hilfe und Unterstützung das einzige garantierte Hilfsangebot des amerikanischen Botschafters für Grenada kurzfristig 5000 US-Dollar für einige kleine Projekte sind.
Schwestern und Brüder, was können wir mit 5000 US-Dollar schaffen? Unsere Krankenhäuser haben keine Medizin, Papiere, Kopfkissenbezüge oder vernünftige Ausstattung. Unsere Schulen stürzen ein. Die meisten Dörfer brauchen dringend Wasser, Elektrizität, Gesundheitsposten und angemessenen Wohnraum. Die Hälfte der Menschen im Land findet keine Arbeit…
Wir müssen uns fragen, ob die lächerliche Summe von 5000 US-Dollar alles ist, was das reichste Land der Welt einem armen, aber stolzen Volk anbieten kann, das auf Demokratie, Würde und Selbstrespekt basierend für eine unabhängige wirtschaftliche Entwicklung kämpft…
Der amerikanische Botschafter geht leichtfertig über unsere Befürchtungen hinweg, dass unser Land in Gefahr sei. Egal was irgendjemand anderes denken mag, wir wissen, dass der Diktator Gairy Söldner organisiert, um Grenada anzugreifen und seinen Thron wiederzuerlangen. Wir kennen Gairy. Niemand kennt ihn besser als wir, das Volk von Grenada, und wir erkennen die Bedeutung der Beweise, die uns vorgelegt wurden.
Wir wissen, dass Grank Mabry Jr. und Mustphos Hammarabi, Gairys Unterweltfreunde, ihm schreiben und ihm mitteilen, welche Art von Waffen verfügbar sind. Und wenn Gairy im Radio und in Zeitungsinterviews sagt, dass er niemals aufgeben wird und beabsichtigt, als Premierminister nach Grenada zurückzukehren, kann er damit nur meinen, dass er uns bezwingen will, um seine Ziele zu erreichen. Und weil unsere Revolution beliebt ist, von der großen Mehrheit unserer Bevölkerung unterstützt wird und viele unserer Patrioten bewaffnet sind, kann bezwingen nur bedeuten, dass er ein anderes Land dazu bekommt, in seinem Namen zu intervenieren, oder Söldner anheuert, die die schmutzige Arbeit für ihn erledigen. Und dies kann wiederum nur ein Massenmord an Tausenden von unschuldigen Grenadianern bedeuten, ungeachtet dessen, welche Partei sie unterstützen. Unter diesen Umständen und weil wir das Recht haben, unser Volk, unsere Souveränität und unsere Freiheit zu verteidigen, riefen wir Amerikaner, Kanadier, Briten und unsere befreundeten Länder im Caricom3 wie Guyana und Jamaica sowie Venezuela und Cuba auf, uns mit Waffen zu unterstützen.
Wir weisen das Argument des amerikanischen Botschafters zurück, dass wir nur dann berechtigt wären, Cuba um Unterstützung zu bitten, wenn die Söldner gelandet seien und den Angriff begonnen hätten. Ganz ehrlich und mit allem Respekt – ein lächerlicheres Argument ist kaum vorstellbar. Es ist, als würde man einen Mann bitten, zu warten, bis sein Haus abgebrannt ist, um es erst dann für den Kauf eines Feuerlöschers zu verlassen. Nein, wir beabsichtigen uns mit dem Feuerlöscher zu schützen, bevor das Feuer ausbricht! Und wenn die cubanische Regierung bereit ist, uns Hilfe anzubieten, werden wir sie glücklich annehmen…
Wir sind ein kleines Land, wir sind ein armes Land, mit einer Bevölkerung die weitgehend afrikanischer Abstammung ist, wir sind ein Teil der ausgebeuteten Dritten Welt, wir sind definitiv an der Suche nach der Schaffung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung beteiligt, die den unterdrückten und ausgebeuteten Völkern der Welt Gerechtigkeit bringen und dafür sorgen wird, dass die Ressourcen des Meeres zum Wohle der Menschen der ganzen Welt verwendet werden und nicht für eine kleine Minderheit von Profiteuren. Unser Ziel ist es daher, mit allen Organisationen und Ländern zusammenzuarbeiten, die uns helfen wollen, unabhängiger zu werden und mehr Kontrolle über unsere Ressourcen zu gewinnen. In dieser Hinsicht kann niemand, der die heutige Realität versteht, ernsthaft bestreiten, dass es unser Recht ist, Arbeitsbeziehungen mit einer Vielzahl von Ländern zu entwickeln.
Grenada ist ein souveränes und unabhängiges Land, obwohl es ein winziger Fleck auf der Landkarte ist, und wir erwarten von allen Ländern, unsere Unabhängigkeit zu respektieren, so wie wir die ihre respektieren. Kein Land hat das Recht, uns zu sagen, was wir tun sollen oder wie es in unserem Land laufen soll oder zu wem wir freundlich sein dürfen. Wir werden sicher auch nicht versuchen einem anderen Land zu sagen, was es tun soll. Wir sind niemandes Hinterhof und wir sind definitiv nicht zu verkaufen. Jeder, der denkt, dass er uns schikanieren oder bedrohen kann, hat offensichtlich keine Idee oder Ahnung davon, aus welchem Holz wir geschnitzt sind. Sie haben eindeutig keine Ahnung von den gewaltigen Kämpfen, die unser Volk in den vergangen sieben Jahren gekämpft hat. Obwohl klein und arm, sind wir stolz und selbstbewusst. Eher würden wir unser Leben aufgeben, bevor wir uns kompromittieren oder sogar dem Verkauf oder Verrat unserer Souveränität, unserer Unabhängigkeit, unserer Menschlichkeit und dem Recht unseres Volkes auf Selbstbestimmung und sozialem Fortschritt zustimmen würden.
Lang lebe die Revolution! Lang lebe das freie Grenada!
Frühere ila-Artikel zu Grenada:
„Die Freiheit, die sie meinen! Augenzeugenbericht von der US-Invasion auf Grenada“, in ila-info Nr. 71, Dezember 1983
„Es bleibt nur die Erinnerung. Vor 30 Jahren nahmen sich junge RevolutionärInnen die Macht in Grenada“, in ila 323, März 2009
„Eine ganz kleine Insel. Bericht über eine Reise nach Grenada“, in ila 353, März 2012