Harter Realismus und unterhaltsame Lektüre

Der Roman „Krieg der Bastarde“ von Ana Paula Maia

Gleich zu Beginn wird heftig gestorben und eine schier unversiegbare Blutspur zieht sich durch das ganze Buch. Dann treten auf: Dealer, Killer, Diebe, Mafiosi und deren Leibwächter, ein Pornoproduzent ebenso wie eine avantgardistische Filmemacherin mit Beinprothese, ihr Regieassistent, ständig unter Geldnot leidend, der Angestellte einer Videothek, eine Freistilboxerin und ein gieriger Chihuahua.

Zu Beginn lernen wir Amadeu kennen. Er verdient sein Geld als Pornodarsteller, hat keine Probleme bei der Arbeit und verdient „…passabel, der Größe seines Penis entsprechend“. Aber er braucht mehr und will deshalb beim Buchhalter und Vertrauten des Pornofilm-Firmenchefs um ein Darlehen nachfragen. Doch dann kommt alles ganz anders. Ein Zufall spielt Amadeu eine Tasche voller Koks in die Hände, das er zu Geld machen kann. Er will mit seiner Geliebten ein neues Leben beginnen, wird jedoch vorher überfahren. Amadeu stirbt. Da kaum jemand von seinem Tod weiß, beginnt eine wilde Suche nach ihm und dem Stoff, und eine zunehmend groteske Geschichte nimmt ihren Lauf.

Statt einer linearen Handlung erzählt Ana Paula Maia eine Reihe von Geschichten, springt in der Zeit des Geschehens vor und zurück und lässt Leser und Leserinnen nach und nach das Beziehungsgeflecht der Beteiligten begreifen. Es sind verschiedene Personen, die anstelle eines Protagonisten die Geschichten zusammenfügen und sie so zu einer einzigen Erzählung formen. Ein in der Form postmoderner Roman also. „Krieg der Bastarde“ hat Krimielemente, ist aber kein Krimi. Trotz burlesker Züge ist es auch keine Komödie. Etliche der Handelnden verlieben sich, doch es ist keinesfalls ein Liebesroman. Das Buch erzählt von der Unterwelt moderner brasilianischer Großstädte mit all den dazugehörigen Aspekten des Banalen und des Bösen.

Die Autorin, ehemalige Punkmusikerin, entwirft mit den schrägen Figuren und dem unglaublichen Plot ein echt trashiges Panorama. Ihre lakonische Sprache aber wirkt wie ein Gegenmittel dazu. Auf diese Weise ist ihr ein Roman gelungen, der sehr einfühlsam das Leben der An-den-Rand-Gedrängten im heutigen Brasilien beschreibt. All diese Verrückten sind einsame Menschen. Hinter der Inszenierung der Gangster und Machos und ihren unsäglichen Geschichten wird der tägliche Überlebenskampf der Marginalisierten spürbar, erahnen wir die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind und spüren ihre Moral, ihren Witz und ihr Aufbegehren. „Krieg der Bastarde“ ist gleichzeitig harter Realismus und eine sehr unterhaltsame Lektüre, die mich – trotz all des Schreckens – öfters hat laut auflachen lassen.

Ana Paula Maia wurde 1977 in Nova Iguaçu im Bundesstaat Rio de Janeiro geboren. Sie schrieb Drehbücher, Theaterstücke und Erzählungen. 2003 veröffentlichte sie ihren ersten Roman O habitante das falhas subterrâneas und 2006 stellte sie eine Novelle in Form von „Pulp Feuilletons“ ins Netz: Entre rinhas de cachorros e porcos abatidos (folhetimpulp.blogspot.com). Sie wird zu den besten zeitgenössischen Autorinnen Brasiliens gezählt. „Krieg der Bastarde“ wurde von Kritikern und Literaturwissenschaftlern begeistert aufgenommen, derzeit wird der Roman in Brasilien verfilmt.

Ana Paula Maia: Krieg der Bastarde, Übersetzung: Wanda Jakob, A 1 Verlag, München 2013, 18,80 Euro