Was bedeutet der Titel „EnClave“?
„EnClave“ hat in erster Linie mit dem Ort zu tun: Panama, und mit der geopolitischen Figur, die Panama in der Region und für den globalen Süden darstellt. Alles, was Panama mit sich bringt, stellt einen Konvergenzpunkt dar beziehungsweise eine „Enclave“ von vielen Prozessen. Gleichzeitig ist es ein Wortspiel. Clave‚ Schlüssel: der Code, der Notenschlüssel beim Rhythmus der diasporischen Instrumente. Der Dokumentarfilm spricht also über Extraktivismus, Umweltrassismus und die kolonialen Beziehungen in der Region im Hinblick auf den Extraktivismus und die Verwaltung der natürlichen Ressourcen.
Wo wurde der Dokumentarfilm gedreht und warum an diesem Ort?
Panama ist ein eigenartiger und interessanter Ort, der einzigartige politische, kulturelle und wirtschaftliche Prozesse in der Region hervorgebracht hat. Das Land ist zu einem wichtigen globalen Geschäftszentrum geworden, ein dollarisiertes Land, das ein hohes Maß an Ungleichheit hervorbringt. Panama ist ein komplexer, widersprüchlicher Raum, aufgrund der Geschichte des Panamakanals und der Interventionen der USA.
Welche Geschichten wolltest du mit dem Dokumentarfilm erzählen?
Das sind viele Geschichten. Hauptsächlich die rassifizierte Erfahrung im Zusammenhang mit Extraktivismus, Umweltrassismus, Kapitalismus und Kolonialismus. Historisch betrachtet wissen wir, dass die Narrative über die Umwelt überwiegend von der weißen Hegemonie geschaffen wurden, sowohl auf systemischer Ebene als auch auf der Ebene der literarischen und visuellen Produktion.
Dementsprechend war die Idee, diese Logik umzukehren. Ich wollte eine filmische, poetische und vor allem politische Annäherung in der ersten Person schaffen über diese anderen Erfahrungen rassifizierter Gemeinschaften, die jeden Tag kämpfen und sich mit diesen Prozessen der Ausbeutung und Unterdrückung auseinandersetzen. Deswegen wollte ich diese hegemoniale Logik durchbrechen, wo die Erzählungen immer von einem externen Standpunkt herrühren.
Welche Bedeutung hat der Soundtrack?
Die Musik, die als traditionelle Musik verstanden wird, in diesem Fall afrocubanische Musik, enthält eine Reihe von Erfahrungen, historische und narrative Prozesse, in denen die Figur des Meeres immer vorherrscht. Auf dieser Grundlage kann die Figur des Meeres als Erfahrung genutzt werden, die einerseits Möglichkeiten schafft aber auch Leiden repräsentiert. Sie steht für eine soziale und wirtschaftliche Dynamik des Alltags, aber auch für Freude und feierliche Erfahrungen. Die Musik hat viel damit zu tun, dass wir uns nicht nur aus dem Trauma heraus verstehen, sondern auch aus der Freude, aus dem Feiern, aus dem „buen vivir“, dem Guten Leben, und aus den Erfahrungen, die uns historisch geprägt haben.
Warum hast du diese Charaktere ausgewählt und welche Rolle spielten sie in dem Dokumentarfilm?
Das Format des Films ähnelt einer Performance. Die Figuren sind insofern flexibel, als sie die Möglichkeit haben, verschiedene Erfahrungen zu repräsentieren. Die Erfahrung einer jungen afro-indigenen Frau umfasst viele Geschichten, die im gesamten Dokumentarfilm zu sehen sind. Vorwiegend sind es Geschichten, die den Erfahrungen von historisch verarmten Frauen entsprechen, die Teil einer rassistischen Erfahrung sind und die sie mit der afro-indigenen Erfahrung verbindet. Frauen, die in Gemeinschaften leben, in denen das Meer eine wichtige Rolle in ihrem Alltag spielt. Das Gleiche gilt für die anderen Charaktere. Es ist eine direkte Darstellung der Arbeiterklasse, der rassifizierten und historisch verarmten Gemeinschaften und Menschen, die in ihrem täglichen Leben eine direkte Beziehung zum Meer haben.
Letztlich ist es für mich ein Spiegelspiel: Ich sehe mich in ihnen und sie sehen sich in mir. Das Spiel mit den Spiegeln ist eine der politischen Prämissen, die ich in meinem filmischen Schaffen vertrete. Dort gibt es nicht nur einen Blick, das heißt, nicht nur den Blick der Anderen. Mit anderen Worten: Das Kino, das ich mache, hat mit der Möglichkeit zu tun, möglichst horizontale Beziehungen zu haben, in denen das Subjekt viele der Erfahrungen teilt, die ich als Regisseur erlebe.
An welches Publikum richtet sich der Dokumentarfilm?
Ich habe bewusst versucht, den Dokumentarfilm in verschiedene Räume zu bringen, damit er Prozesse der Dislokation auslöst. Diese Art von Filmen wird mitunter nur in Arthouse-Kinos, Filmclubs, Museen und kulturellen Räumen gezeigt, die bis zu einem gewissen Grad Gemeinschaften ausschließen, die historisch keinen Zugang zu dieser Art von kultureller Erfahrung hatten. Das halte ich für einen politischen Fehler. Der Film wurde also nicht nur in solchen Räumen gezeigt, sondern auch bei Gemeinschaftsvorführungen, wo sich das Publikum mit den Figuren identifizieren kann, und zwar nicht unbedingt aufgrund einer von außen kommenden kulturellen, kritischen oder sozialen Analyse. Für mich ist es wichtig, dass die Menschen, die die Rolle der Figuren leben, den Film sehen und sich damit identifizieren.
Warum widmest du diesen Dokumentarfilm dem Meer?
Wir wollten ein Projekt mit dem Meer machen und es aus dem eindimensionalen Narrativ einer einzigen Erfahrung herauslösen. Die Idee bestand darin, in das Meer als Konzept einzutauchen und es von verschiedenen Perspektiven aus zu verstehen. So begann es auch in der Anthologie: das Meer aus der poetischen Erfahrung, aus der diasporischen Erfahrung, aus der musikalischen Erfahrung, aus der Erfahrung der Umwelt. Das Meer als grundlegende Achse innerhalb der kapitalistischen Logik, innerhalb der Spiritualität. Die spirituelle Beziehung zum Meer als politische Möglichkeit für diasporische Erfahrungen, aber auch das, was das Meer in der Wirtschaft der Gemeinschaften, die mit dem Meer leben, konkret darstellt. All das ist also „EnClave“: ein Punkt der Konvergenz.