Die Wirtschaftskrise von 2008 in den USA, wichtigster Handelspartner von Honduras, hat sich stark auf die honduranische Wirtschaft ausgewirkt. Die Sektoren der urbanen Produktion waren davon besonders betroffen. In der Textil- und Agrarproduktion wurden zahlreiche Unternehmen geschlossen. 128 Firmen zwischen Januar 2008 und Juni 2010. Die zahlreichen Schließungen von Fabriken zogen Massenentlassungen nach sich. Die Vereinigung der Honduranischen Maquiladoras gibt den Verlust von Arbeitsplätzen im Jahr 2008 mit 15 000 und weiteren 12 000 für 2009 an. Im gleichen Zeitraum wurde der Mindestlohn für die Maquilas sehr gering gehalten, um die Abwanderung der Maquilas in andere Regionen zu verhindern.
Die Maquilaproduktion ist in Honduras im Norden des Landes angesiedelt, in der Nähe der Industriestadt San Pedro Sula, die auch über einen bedeutenden Hafen, Puerto Cortés, verfügt. In Honduras wird u.a. für die Unternehmen Fruit of the Loom, Sara Lee, Gildan, Hanes, Adidas produziert. Ca. 38 Prozent des Kapitals in den honduranischen Maquilas stammt aus den USA, schließlich wird für den US-amerikanischen Markt produziert. Weitere 30 Prozent sind Verbindungen aus honduranischen und US-amerikanischen Firmen. Ca. 55 Prozent des Bruttoinlandproduktes von Honduras werden hier, im Valle de Sula, erwirtschaftet.
Die Vorteile für Unternehmen, ihre Maquilas in Honduras anzusiedeln, liegen auf der Hand: die Nähe zu den USA, das Lohnniveau, die kaum vorhandene oder durchgesetzte Umweltschutzgesetzgebung und die erwähnte Befreiung von Zöllen und Steuern. Theoretisch sind die Unternehmen verpflichtet, die nationale Arbeitsgesetzgebung sowie die auch von Honduras ratifizierten internationalen Verträge einzuhalten. Sie profitieren jedoch von der geringen Fähigkeit und dem mangelnden politischen Willen der Regierung, diese Vorschriften umzusetzen. Daher hat die Ansiedlung von Maquilaunternehmen unweigerlich Umweltverschmutzung, verringerte Steuereinnahmen sowie miserable Arbeitsbedingungen zur Folge. Wenn die sozialen, wirtschaftlichen und Umwelt-Folgekosten in die Rechnung einbezogen würden, würde sich schnell herausstellen, dass die Maquilas keinen Gewinn erwirtschaften.
Die Produktion wird in drei legalen Formen durchgeführt, die der nationalen Gesetzgebung entsprechen: Zonas libres (ZOLI – Freie Zonen), Zonas Industriales de Procesamiento para Exportaciones (ZIP – Industrielle Weiterverarbeitungszonen für den Export) und Régimen de Importación Temporal (RIT – Temporäre Importregelung). In den ZOLI und ZIP dürfen Waren ohne Steuern irgendeiner Art (Zollrechte, Zuschläge, Steueraufschläge, Konsularrechte, Bezirks- und Gemeindesteuern, Konsumsteuern, Mehrwertsteuern, Auflagen und Gebühren, die mit der Ein- und Ausfuhr von Gütern zusammenhängen) in das Staatsgebiet eingeführt werden. Die RIT wurden geschaffen, um die Ausfuhr von Produkten ohne Zollgebühren, Mehrwertsteuern und Aufschläge für die Einfuhr von Primärgütern und Materialien, Maschinen, Ausrüstung und Werkzeugen zu ermöglichen. Die Produkte sind zehn Jahre lang steuerfrei.
Nach dem Putsch im Juni 2009 wurde die Gesetzgebung stark verändert. Während der vorhergehenden demokratischen Regierung Zelaya wurden eher Gesetze erlassen, die zum Ziel hatten, die ArbeiterInnen der Maquila zu schützen. Dazu gehörten z.B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Erhöhung der Arbeitslosenhilfe für Jugendliche bis 25 Jahre, die Erhöhung des Mindestlohns für Angestellte des öffentlichen Sektors auf 5500 Lps (200 Euro) und die Erhöhung des Mindestlohns für alle privaten Unternehmen um 60 Prozent, mit Ausnahme desjenigen der Maquilas, der später verhandelt werden sollte. Ziel war, den Mindestlohn an den Warenkorb zu koppeln. Die Erhöhung des Mindestlohns um 60 Prozent im Privatsektor rief erheblichen Widerstand bei den Unternehmen hervor. Dagegen wurde rund vierhundertmal Widerspruch vor Gericht eingelegt. Alle wurden abgewiesen.
Nach dem Putsch wurde ein Paket mit sechs Gesetzen vorgelegt. Das erste davon wurde im Juni 2010 verabschiedet. Es erlaubt die Rekrutierung von Personal im Ausland. Ein weiteres Gesetz wurde im November 2010 verabschiedet und stellt eine Art parallele Arbeitsgesetzgebung dar, indem erlaubt wird, 40 bis 50 Prozent des Personals über Zeitverträge oder als Aushilfen stundenweise einzustellen, was der nationalen Arbeitsgesetzgebung widerspricht. Vieles deutet darauf hin, dass diese Gesetzesänderungen darauf abzielen, die Arbeitsgesetzgebung in Honduras außer Kraft zu setzen bzw. zu liberalisieren sowie die Flexibilisierung der Arbeit voranzutreiben.
Das Gesetz über die Zeitarbeit hatte jedoch nicht die von Regierung und Maquilaindustrie angekündigten Auswirkungen auf die Beschäftigung. Laut Angaben des Arbeitsministeriums haben 75 Unternehmen 494 Verträge im Rahmen der stundenweisen Beschäftigung ausgestellt. Die Dunkelziffer kann deutlich höher liegen, aber dennoch lässt sich festhalten, dass trotz Steuerbefreiung und des neuen Zeitarbeitsgesetzes vom November 2010 die Direktinvestitionen um weitere 19 Prozent gesunken sind und damit auch die Beschäftigungsrate.
Während der Wirtschaftkrise sind einige Maquilaunternehmen in andere ländliche Gebiete von Honduras abgewandert. Ein Grund ist der 2009 festgelegte Mindestlohn in den Departements Choluteca, Valle, El Paraíso, Olancho und Santa Barbara, der um 24 Prozent geringer ist als im Gesetz garantiert. Dabei deckt selbst der im Gesetz verankerte Mindestlohn nur 30 Prozent des Warenkorbs ab. Dieser niedrigere, sog. salario diferenciado wurde laut Regierung eingeführt, um diesen Departements „einen Ausweg aus der Armut und Arbeitslosigkeit zu ermöglichen“. Ein weiterer Grund für die Verlagerung der Fabriken liegt darin, dass ArbeiterInnen noch schlechter über ihre eigenen Rechte informiert sind. Außerdem sind die ländlichen Behörden noch träger, was die Umsetzung von Arbeitsrechten angeht. In Santa Barbara wurde der Parque Green Valley errichtet, in dem ein wachsender Anteil der Bevölkerung des Departements arbeitet. Dort sind sieben Maquilas aktiv. AKH, Ceiba Textil, Pardel, Premier, FCY, Cintex und RKH sowie die Firma Leer Corporation.
Rund 100 000 Menschen sind in Honduras in den Maquilas beschäftigt, ca. 80 Prozent davon Frauen, vor allem junge Frauen. Das hängt vor allem mit den geringeren Lohnkosten zusammen, da Frauen insbesondere in der Textilindustrie weniger verdienen als Männer. Schließlich gilt diese Arbeit als Verlängerung der (unbezahlten) Hausarbeit und wird daher besonders gering entlohnt. Weiterhin wird den Frauen unterstellt, disziplinierter und weniger aufsässig zu sein. Die Mehrheit von ihnen kennt ihre grundlegenden Rechte nicht.
Die Rechte der ArbeiterInnen in der Maquila werden auf vielfältige Weise verletzt: keine dauerhaften Verträge für die ArbeiterInnen, unbezahlte Überstunden, Verbot und Unterdrückung der gewerkschaftlichen Organisierung, Misshandlungen, langer Arbeitstag und doppelter Arbeitstag von bis zu 12 Stunden, Einbehaltung des Lohns, Misshandlungen wie Anschreien, Schubsen, Mittagspause verweigern, Beschimpfen, Aussperrungen bis zu drei Tage ohne Lohnfortzahlung, Kündigung als Bestrafung, nicht gezahlte Abfindungen, verweigertes Streikrecht. Alle diese Rechte sind Arbeitsrechte, die von Honduras garantiert werden. Die Frauen, die in den Maquilas arbeiten, erfahren zusätzlich geschlechtsspezifische Diskriminierung, dazu gehören erzwungene Schwangerschaftstests bei der Einstellung. Viele Frauen werden bei der Einstellung nach ihrem Familienstand gefragt, ob sie einen festen Partner oder wie viele Kinder sie haben. Schwangere werden gekündigt, wenn ihre Schwangerschaft bekannt wird. Sie erhalten keine Vorzugsbehandlung und z.T. keine Pause, was zu Fehlgeburten in der Fabrik führen kann. Mutterschutz wird nicht gewährt, Stillzeiten werden von der Firma festgelegt und Arztbesuche nicht genehmigt.
Die Regierung und die Ministerien haben gar kein Interesse daran, die Menschenrechte zu schützen. Der rechtliche Rahmen der honduranischen Arbeitsgesetzgebung ist im Hinblick auf die Arbeitskonditionen in den Maquilas nicht entsprechend ausgebaut worden und bietet daher nicht genügend Schutz für die Rechte der ArbeiterInnen. Im Fall von ungerechtfertigten Massenentlassungen bestehen beispielsweise mehrere rechtliche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Zunächst unterschreiben die ArbeiterInnen oft ihre Kündigungen, ohne zu wissen, was sie genau unterschreiben. Sie haben fünf Tage Zeit, dies zu widerrufen, aber wenn ihnen ihre Rechte nicht bekannt sind, ist dieser Zeitraum oft schon verstrichen, bis sie Unterstützung suchen.
Danach gibt es die Option, Güter der Firma zu beschlagnahmen, bis sie die ausstehenden Löhne gezahlt hat, Widerspruch vor Gericht einzulegen oder die Zollbehörden zu alarmieren. Häufig verschwinden die Maquilas jedoch über Nacht. Nach der letzten Schicht am Abend werden die Hallen leergeräumt und die Maschinen abgebaut, die oft nur gemietet sind, so dass die Arbeiterinnen am folgenden Morgen vor einer leeren Halle stehen. Daher gibt es keine zu beschlagnahmenden Güter mehr und auch kein rechtlich zur Verantwortung zu ziehendes Subjekt. Wenn es gelingt, eine Kollektivklage mehrerer betroffener ArbeiterInnen zu erheben, kann sie erfolgreich sein, wenn alle Beteiligten einen langen Atem haben. Der Verwaltungsweg kann über ein Jahr dauern, ein Prozess ein weiteres Jahr. Viele einzelne Instanzen müssen durchlaufen werden. Außerdem müssen die ArbeiterInnen für jeden dieser Schritte einen Tag bei der Arbeit frei nehmen und zum Teil bis nach Tegucigalpa fahren, was ihnen oft nicht genehmigt wird und zum Verlust des Lohnes für diesen Tag führt. Die Gruppe muss also gut auf den langen Weg vorbereitet werden, ein solidarisches Miteinander ist unabdingbar. Auch wenn die Klage gewonnen wird, bedeutet das nicht notwendigerweise, dass die ArbeiterInnen alles bekommen, was ihnen zusteht. Häufig kann das Urteil nicht umgesetzt werden, wenn es die verurteilten Firmen in Honduras gar nicht mehr gibt.
Eine Verurteilung hat den Vorteil, dass nicht nur diejenigen, die die Klage geführt haben, davon profitieren, sondern alle ArbeiterInnen. Schließlich handelt es sich um richtungsweisende Urteile, um Präzedenzfälle. Auch der öffentliche Druck, der durch die Klage entsteht, kann die Konditionen in dem Unternehmen zumindest vorübergehend verändern. Ein positiver Effekt der Klagen und des gemeinsamen Vorgehens gegen die Rechtsverstöße in den Maquilas ist aber das entstehende Rechtsbewusstsein bei den Arbeiterinnen sowie ihr gesteigertes Selbstbewusstsein. Für den gerichtlichen Weg ist es oft schwierig, ausreichend Beweismaterial zusammenzustellen. Aussagen von ArbeitskollegInnen sind nicht einfach zu bekommen, weil sie selbst unter Druck stehen und ihre Arbeit nicht verlieren wollen. Ein anderer Weg, an Beweise zu kommen, besteht darin, InspektorInnen des Arbeitsministeriums anzufordern, damit sie Unterlagen und Dokumente sicherstellen. Oft wird ihnen jedoch der Zugang zur Fabrik verweigert oder die Unterlagen werden ihnen nicht ausgehändigt bzw. sind gefälscht.
Auf der anderen Seite nutzen die InspektorInnen ihre Vollmachten und Möglichkeiten meist nicht voll aus. Sie könnten eigentlich den Besitzer der Maquila anklagen und die von der ArbeiterIn vorgebrachten Klagen als gegeben und bewiesen annehmen, wenn die Firma nicht kooperiert, um das Gegenteil zu beweisen. Außerdem könnten sie sich mit Polizeischutz Zugang zur Firma verschaffen, wenn er ihnen nicht freiwillig gewährt wird. Das lässt darauf schließen, dass die InspektorInnen parteiisch sind und die Missstände in den Maquilas decken. Untersuchungen werden wenig engagiert durchgeführt, keine Beweise gesucht, Formalitäten nicht erfüllt, also alles getan, um die Klage zu behindern. Dazu kommt, dass das Arbeitsministerium über zu wenig Personal verfügt. Auch das ist eine politische Entscheidung, um die Verfolgung von Missständen in den Maquilas zu erschweren.
Ein weiterer Weg, der außergerichtliche Vergleich, hat den Vorteil, dass er zu einem schnellen Ergebnis kommt. Die ArbeiterInnen erhalten zwar nicht ihre vollen Abfindungen und ausstehenden Löhne, aber einen großen Teil davon in einem deutlich kürzeren Zeitraum von ein bis zwei Wochen. Dies ist für die meisten gegenüber einem jahrelangen Prozess, bei dessen Ausgang nicht einmal sichergestellt ist, ob sie ihre Forderungen in voller Höhe erfüllt bekommen, die bessere Option. Auch die Besitzer der Maquilas bevorzugen einen Vergleich, weil er schnell über die Bühne gebracht und schlechte Presse verhindert werden kann. Ein letzter Weg, gegen die Rechtsverstöße vorzugehen, ist die Veröffentlichung der Missstände in der Presse bzw. öffentlichkeitswirksame Aktionen. Dies ist allerdings in vielen Fällen ebenfalls nicht sehr erfolgreich, da die InhaberInnen der großen Zeitungen dieselben sind, die auch die Maquilas besitzen oder zumindest eng mit ihnen zusammenarbeiten. Daher werden die Informationen in den Medien oft nicht veröffentlicht. In einzelnen festgefahrenen Fällen kann Öffentlichkeitsarbeit jedoch den Verhandlungen einen entscheidenden Schub versetzen.
Es gibt also durchaus Wege, sich auch auf lokaler Ebene gegen die Verletzungen von Menschen- und Arbeitsrechten in den Maquilas zur Wehr zu setzen. Ein wichtiger Schritt ist auf jeden Fall die Stärkung des Rechtsbewusstseins bei den ArbeiterInnen in den Maquilaunternehmen.