Als eines der ersten Projekte unterstützte die 2007 in Berlin gegründete Hirschfeld-Eddy-Stiftung (HES) die nicaraguanische Organisation Red de Diversidad Sexual. Weitere Kooperationen gab es mit Organisationen aus der Ukraine und der Türkei. Auch in Afrika will die HES aktiv werden. Die HES ist die Menschenrechtsstiftung des „Lesben- und Schwulenverbandes“ (LSVD). Sie will die Menschenrechte stärken, MenschenrechtsverteidigerInnen in aller Welt unterstützen sowie die Aufklärung und den Abbau von Vorurteilen fördern. Ihrem internationalen Beirat gehören wichtige lateinamerikanische AktivistInnen wie Gloria Careaga von der mexikanischen Nationaluniversität UNAM, Belissa Andía Pérez vom Instituto Runa in Peru und Toni Reis von der größten brasilianischen Homo-Organisation (ABGLT) an.
In vielen Ländern werden die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern (LSBT) mit Füßen getreten. In 85 Staaten ist gleichgeschlechtliche Liebe strafbar. In mindestens sieben Staaten droht die Todesstrafe: Afghanistan, Iran, Jemen, Mauretanien, Pakistan, Saudi-Arabien und Sudan. Vielerorts sind staatliche Behörden an der Unterdrückung von LSBT beteiligt, verweigern ihnen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt. Auch in Europa versuchen einige Staaten, die LSBT in die gesellschaftliche Unsichtbarkeit zu zwingen und ihnen das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit abzusprechen.
Der Name der Stiftung geht zurück auf zwei Persönlichkeiten, die im Kampf für die Menschenrechte von sexuellen Minderheiten eine herausragende Rolle spielten: Dr. Magnus Hirschfeld (1868-1935), Arzt, Sexualwissenschaftler und Aktivist der deutschen Schwulenbewegung und Fannyann Eddy (1974-2004), lesbische Aktivistin und Menschenrechtsverteidigerin aus Sierra Leone, die 2004 wegen ihres Engagements für LSBT ermordet wurde.
Mit der Kombination der beiden Namen will die HES verdeutlichen, dass der Kampf für die Menschenrechte von LSBT in Europa seinen Ursprung hat, heute aber auf allen Kontinenten stattfindet. Es geht um universelle Prinzipien wie die Allgemeingültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte. Dem Beispiel von Dr. Magnus Hirschfeld, der 1897 die erste schwullesbische Bürgerrechtsorganisation gründete, folgen heute, oftmals unter Lebensgefahr, AktivistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen weltweit. Der Name Fannyann Eddy steht stellvertretend für diesen mutigen Kampf. Die HES will das Bewusstsein schärfen für diesen Einsatz gegen Unterdrückung, sie will Gefahren für Leib und Leben entgegenwirken.
Hin und wieder gibt es kleine Erfolge zu melden. In Lateinamerika hat sich in den letzten Jahren für Lesben und Schwule vieles zum Positiven verändert. Strafgesetze wurden abgeschafft, Partnerschafts- und Antidiskriminierungsgesetze eingeführt oder diskutiert. Am 9. Juli 2008 trat das neue nicaraguanische Strafgesetzbuch in Kraft. Artikel 204, der seit 1992 einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen als „Sodomie“ unter Strafe stellte, wurde endgültig gestrichen. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass das neue Strafgesetzbuch den „therapeutische Schwangerschaftsabruch“[fn]Der Begriff beschreibt die Möglichkeit, eine Schwangerschaft unter folgenden Indikationen abzubrechen: Gefahr für Gesundheit der Schwangeren, schwerwiegende geistige oder körperliche Behinderung des Kindes nach der Geburt, Vergewaltigung, Inzest, sexuelle Nötigung.[/fn] unter Strafe stellt und somit „tausende von Frauen, insbesondere die Ärmsten zum Tode verurteilt. Deshalb kämpfen wir weiter, bis das Recht auf Leben unserer Mitbürgerinnen wieder hergestellt ist“, teilte die nicaraguanische Lesbenorganisation Grupo Safo (www.gruposafo.org) im Sommer mit.
Die Abschaffung von Artikel 204 war nur ein Etappensieg auf dem steinigen Weg zur Verwirklichung der Menschenrechte in Nicaragua. Das meint auch Vilma Núñez, Gründerin der nicaraguanischen Menschenrechtsorganisation CENIDH. Befragt nach ihren Erwartungen bezüglich einer Verbesserung der Frauenrechte, sagte sie letztes Jahr dem Wuppertaler Informationsbüro Nicaragua: „Die einzige Hoffnung, die es für uns gibt, ist eben die Möglichkeit, Allianzen mit anderen Gruppen einzugehen … Für uns (ist es) wichtig, bei der Bildung einer nationalen Schwulen- und Lesbenbewegung zu helfen. Daran arbeiten bereits viele sehr hart und sie sind dabei, eine politische Plattform zu entwickeln … So kämpfen wir gemeinsam gegen den Autoritarismus.“ Der Kampf in Nicaragua und auf internationaler Ebene gegen Artikel 204, Kampagnen wie die von amnesty international, dem LSVD und der HES im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass durch Proteste auch etwas erreicht werden kann.
Die HES hatte zu Spenden zwecks Unterstützung der Lesben- und Schwulenbewegung im Land aufgerufen. Denn in Nicaragua fehlt es noch immer an einer wirklichen Interessenvertretung für LSBT, der Aufbau von Strukturen hat gerade erst begonnen. Mit dem Red de Diversidad Sexual konnte ein Kooperationsvertrag über die Unterstützung beim Gay Pride Managua 2008 und die Produktion einer Broschüre mit dem Titel „Liebe verdient Respekt“ geschlossen werden. Diese ist mittlerweile in Managua erschienen. Sie klärt auf über Homosexualität, über Lesben und Schwule und deren Lebenswelten, informiert über Menschen- und Bürgerrechte. Sie leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Enttabuisierung und Akzeptanzsteigerung, sondern gibt LSBT-AktivistInnen auch wertvolle Informationen und Argumente, also unerlässliche Instrumente für ihre tägliche Menschenrechtsarbeit an die Hand.