Die vom flax film-Verleih Köln ins Leben gerufene Initiative kinolatino.de soll dem lateinamerikanischen Film, seinen LiebhaberInnen sowie allen Interessierten als Plattform dienen. Seit Mai dieses Jahres steht das Portal im Netz. Neben Informationen über aktuelle Filme, Kinostarts, Personen, Festivals und Veranstaltungen bietet es ein interaktives Forum zum Austausch. Darüber hinaus sind im Rahmen dieser Initiative die erste Ausgabe des Magazins kinolatino.de sowie eine erste gleichnamige DVD-Edition erschienen. Diese umfasst vier sehr unterschiedliche Filme junger lateinamerikanischer Cineasten, die – jeder auf seine Art – Rainer Flaskamps Anmerkung aus dem Editorial des Magazins stützen: „Wir lieben den lateinamerikanischen Film für seine Fabulierlust und verrückten Geschichten, seine Bilder und seine Farben, sein Engagement und seine Ursprünglichkeit, seinen künstlerischen Reichtum. Und für seine Andersartigkeit.“ Im Folgenden sollen die vier vorgestellt werden.
Das letzte Kino der Welt – El viento se llevó lo que
Taxifahrerin Soledad entflieht der Metropole Buenos Aires und landet dabei eher zufällig im abgelegenen Dorf Río Pico. Eine zentrale Rolle im Leben der dortigen BewohnerInnen spielt Carusos Kino. Doch die in diesem „letzten Kino der Welt“ gezeigten Filme sind ganz besondere Filme. Meist auf ihrer Reise durch die Vorführungssäle des Landes so abgenutzt und von Caruso lediglich notdürftig geflickt werden sie zu surrealen, mit jeglicher Erzähllogik brechenden Filmen, die von den ZuschauerInnen frenetisch gefeiert werden, aber nicht ohne Spuren zu hinterlassen. Besonders die Jugend des Dorfes scheint den Sinn für logische Satzfolgen verloren zu haben.
Alejandro Agresti erzählt in seinem in San Sebastian 1998 als „Bester Film“ ausgezeichneten Werk viele kleine bezaubernde Geschichten, komische wie tragische. Von der bizarren Liebe zwischen Soledad und Pedro, dem Scheitern des genialen Theoretikers Antonio, dem erfolglosen Schauspieler Wexley, der nach Río Pico zu seinen einzigen Fans reist und von der Frage, was es denn nun ist, das „wahre Kino“.
B. Aires – Sólo por hoy
„Auf der Suche danach, wer wir sind, lenken wir uns ab oder sehen nicht, dass das, was wir täglich machen, langsam zu dem wird, was wir sind“, eröffnet Morón, einer der Protagonisten, nachdenklich zu Beginn. Das Erstlingswerk von Ariel Rotter, Absolvent der Universidad del Cine in Buenos Aires, zeigt eine charmante Momentaufnahme aus dem Leben fünf junger ArgentinierInnen. Neben einer gemeinsamen Wohnung verbindet sie auch der tägliche Spagat zwischen Aushilfsjob und eigentlichem Zukunftswunsch, zwischen Hoffnung und Desillusionierung, zwischen Träumerei und Realität in einem Land, in dem die angespannte wirtschaftliche Lage kurz vor dem Kollaps Ende 2001 überall spürbar scheint. Mit viel Witz und Feingefühl für seine Figuren zeichnet Rotter ein zuweilen melancholisches und zugleich farbenfrohes Bild, das auch in ästhetischer Hinsicht einiges zu bieten hat.
Junta – Garaje Olimpo
Marco Bechis erzählt in Junta die erschütternde Geschichte der politisch aktiven Studentin Maria vor dem Hintergrund der argentinischen Militärdiktatur. Wie Tausende andere RegimegegnerInnen wird sie eines Tages von der Geheimpolizei verhaftet. Im Untergrund der Garaje Olimpo, einer ehemaligen Autowerkstatt, durchleidet sie Folter, Demütigung und Todesängste. Ihre einzige Hoffnung lebend zu entkommen sieht sie in Felix, den sie bisher nur als den zurückgezogenen Untermieter im Hause ihrer Mutter kannte. Im Keller des Olimpo aber identifiziert Maria ihn entsetzt als einen der „Verhör“-Spezialisten. Eine außergewöhnliche Beziehung entwickelt sich zwischen den beiden.
Bemerkenswert an diesem preisgekrönten politischen Film ist seine vielfältige Lesbarkeit. Ist er einerseits zeitloser Spielfilm – interpretierbar als eine Abrechnung mit autoritären Regimes aller Art – so ist er zugleich autobiographisches Dokument. Im Booklet der DVD sowie in den beiden zusätzlichen Dokuvideos erklärt Bechis, selbst ehemaliger Inhaftierter der Foltergefängnisse, seine Motivation zu diesem Film: „Mein Versuch war, die eigene Beziehung und Erfahrung zu dokumentieren und den Geschehnissen, die nicht einmal Bilder haben, diese zu geben.“ Dabei setzt er weniger auf die direkte Darstellung von Gewalt, als vielmehr auf die eindrückliche Überzeugungskraft der Charaktere.
Sábado – das Hochzeitstape
Am Tag ihrer Hochzeit erfährt Blanca, dass ihr Verlobter Victor sie die ganze Zeit über betrogen hat, und das ausgerechnet von seiner Geliebten Antonia, die ihr einen positiven Schwangerschaftstest unter die Nase hält. Die ganze Szene wird auf Wunsch Antonias von ihrem Nachbarn Gabriel gefilmt. Kurz entschlossen schnappt sich Blanca Gabriel, um auch den weiteren Verlauf des dramatischen Hochzeitstages festzuhalten, und fährt zu Victor. Er, eigentlich gerade unter der Dusche, folgt Blanca schaumtriefend und nur mit Handtuch bekleidet bis auf die Straße, kann sie aber nicht von seinen „ehrlichen Absichten“ überzeugen. Währenddessen dokumentiert Gabriel das Geschehen. Das Resultat ist ein turbulentes, ungeschnittenes „Hochzeitsvideo“ in Echtzeit, in dem die DarstellerInnen – alle bekannte chilenische SchauspielerInnen – auf intelligente Weise in einem von Regisseur Matías Bize vorgegebenen Rahmen improvisieren.
Alle Filme sind im Original mit deutschen Untertiteln, kosten 19,90 Euro (außer Junta – Garaje Olimpo: 15,90 Euro) und können bei www.kinolatino.de bestellt werden.