Kurs auf weiteren Sozialabbau

Jahrzehntelang regierte ein Parteienduopol aus PLN und den Christsozialen (PUSC) Costa Rica. Letztere konnte eine Reihe von Skandalen, in die ehemalige Präsidenten beider Parteien verwickelt waren, politisch nicht überleben und wurde zur Splitterpartei degradiert. Heute verfügen einzig die in Costa Rica stramm anti-sozialistischen „Sozialdemokraten“ über einen höchst effektiven und bezahlten Parteiapparat. Zu dessen Aufgaben gehören die Organisierung von Fahrdiensten und politischer Orientierung der so angekarrten Wählerschaft sowie das Kaufen der Wählerklientel mit Stipendien, Wohnungen oder auch nur ein paar Dollar und einem Mittagessen. Dies ist einer der Gründe, warum Laura Chinchilla in den ärmsten Provinzen des Landes und den marginalisierten Stadtvierteln der Hauptstadt die besten Ergebnisse eingefahren hat. So sicherte sie sich den fulminanten Wahlerfolg von 47 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang. 

Ein wichtiger Faktor für ihren Wahlsieg war sicher auch die Unterstützung der weiblichen WählerInnenschaft, die in Costa Rica wie fast überall auf der Welt die Mehrheit der Wahlberechtigten ausmacht. Mehr als 60 Prozent der Frauen stimmten in dem machistisch dominierten Land für die erste Präsidentin. Laura Chinchilla kommt aus eher einfachen Verhältnissen und lebte als alleinerziehende Mutter. Viele Frauen fühlen sich ihr deshalb verbunden. Diese WählerInnenschaft schreckte dann auch nicht ab, dass Frauenrechte in Chinchillas Wahlprogramm nicht vorkommen und sie sich als katholische Konservative klar gegen die Legalisierung von Abtreibungen positioniert hat. Dieser Politik gibt sie ein freundlicheres Antlitz als das des scheidenden, stets grimmig wirkenden Óscar Arias. Aber im Kern vertreten sie die gleiche katholisch-konservative und wirtschaftsliberale Politik, wobei Laura Chinchilla noch eine größere Vorliebe für Law and Order und eine autoritäre „Politik der harten Hand“ an den Tag legt. 

Darin übertrumpft sie nur noch Costa Ricas Rechtsaußen Otto Guevara mit seiner „Libertären Bewegung“ (ML). Zu dieser Gruppierung gehört auch der honduranische Putschistenchef Micheletti, der sich als Rechtsabspaltung der Christsozialen politisch im äußerst rechten Spektrum positioniert. Guevara, Nachfahre deutscher Einwanderer, gelang es mit Hilfe der Medien und sogar dem PLN-Parteiapparat, sich als starker Mann und wahrer Kontrahent Chinchillas zu profilieren. Mit markigen Sprüchen und einer millionenschweren Wahlkampagne – bislang blieb er die Auskunft über die Herkunft dieser Gelder schuldig – fuhr der Harvard-Jurist ein Traumergebnis von 21 Prozent der Stimmen ein, was vielen Linken die Sprache verschlug.

Auf ganzer Linie scheiterte der Technokrat Ottón Solís von der gemäßigten „Partei der Bürgeraktion“ (PAC). Vor vier Jahren unterlag er Óscar Arias mit 39 Prozent nur hauchdünn, dieses Mal stürzte er auf 25 Prozent der WählerInnenstimmen ab. Vermutlich verhinderte nur eine Strategieänderung im Januar, dass er auf den dritten Platz hinter Guevara zurückfiel, wie viele Umfragen vorausgesagt hatten. Monatelang setzte Solís auf eine ausgesprochen konservative und der Regierung gegenüber handzahme Kampagne; ein Bündnis mit den linken Parteien, die ein „patriotisches Bündnis“ anstrebten, hatte er abgelehnt. Nur wenige Wochen vor dem Urnengang änderte er seine Rhetorik und feierte als „Allianz“, dass die Präsidentschaftskandidaten der sozialdemokratischen Kleinpartei „Patriotische Allianz“ (AP) und der konservativen Sozialpartei PIN zu seinen Gunsten auf ihre Kandidatur verzichteten. Ein rein symbolischer Akt, denn es war zu spät, um die bereits gedruckten Stimmzettel noch zu ändern, und die Stimmen für die zurückgetretenen Kandidaten wurden Solís auch nicht zugeschlagen. Seine WählerInnenschaft schrumpfte auf die intellektuelle Mittelschicht zusammen und sogar in den traditionell „roten“ Kantonen San Ramón und Montes de Oca fiel die PAC auf den zweiten Platz zurück.

Die vor sechs Jahren gegründete plurale Linkspartei Frente Amplio (FA) trat das erste Mal landesweit an, konnte ihren Stimmenanteil auf knapp vier Prozent verdreifachen und entsendet nun erstmals Vertreter in einige Kommunalparlamente. Ihr Hauptziel, mit einer Fraktion von bis zu vier Abgeordneten in das 57köpfige Parlament einzuziehen, verfehlte sie hingegen. Mit dem Umweltaktivisten und Anwalt José Maria Villalta (32) stellt die Partei weiterhin nur einen einzigen Abgeordneten. Von ProtestwählerInnen gestärkt entsendet stattdessen die Sozialpartei PASE, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzt, eine eigene vierköpfige Parlamentsfraktion, als einzige dieser Art in ganz Lateinamerika. Die PAC-Fraktion schmolz indes von 17 auf 11 Abgeordnete zusammen. Obwohl die PLN ebenfalls einen Sitz verlor und mit nun 24 Abgeordneten weiter denn je von der einfachen Mehrheit entfernt ist, kontrolliert sie mit den konservativen, rechten und fundamentalistisch-christlichen Parteien das Parlament künftig mit sicherer Zwei-Drittel-Mehrheit. 

Dieser Rechtsruck bleibt nicht ohne Folgen für die soziale Bewegung und ihre Organisationen. Ein Beispiel ist der Kampf der Hafengewerkschaft SINTRAJAP, welche die Karibikhäfen Puerto Limón und Moin gegen die geplante Privatisierung verteidigt. Durch die Wahlen gestärkt, sieht sich die scheidende Regierung nun in der Offensive. Dieser Tage erkannte das Arbeitsministerium einen „neuen Gewerkschaftsvorstand“ an. Obwohl die Amtszeit des amtierenden Vorstands, der aus Privatisierungsgegnern besteht, noch ein ganzes Jahr gilt, hatte eine Gruppe von Privatisierungsbefürwortern eine eigene „Vollversammlung“ einberufen, mit der sie gegen alle Gewerkschaftsstatuten verstieß. Auf dieser Versammlung einer kleinen Minderheit der Gewerkschaftsmitglieder erklärte sich eine zwölfköpfige Gruppe zum „neuen Vorstand“ – ein Umstand, den unter anderem der weltweite Gewerkschaftsverband FSM als scharfen Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit in Costa Rica zurückweist. 

Nach seinem Amtsantritt im Mai 2006 hatte Óscar Arias auf einer Europareise erklärt, den wichtigen Karibikhafen privatisieren zu wollen. SINTRAJAP lehnt dies ab, denn sie sieht darin nicht nur eine Gefahr für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, sondern auch die Gefährdung eines einzigartigen Sozialprojektes: Die öffentliche Hafengesellschaft JAPDEVA ist verpflichtet, einen Großteil der Gewinne in den Bau von Schulen, Brücken, Straßen und Gesundheitszentren zu investieren. Außerdem vergibt sie Kredite an Kleinbauern und an SchülerInnen aus armen Familien. Überall dort wird geholfen, wo der Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Internationalen Investoren, die begierig auf das Filetstück in Costa Ricas Karibik schauen, ist diese Sozialverpflichtung freilich ein Dorn im Auge.