Der Roman La 31 ist 2012 in Buenos Aires beim Verlag Interzona erschienen. Er handelt von den sozialen Kontrasten in der argentinischen Metropole und hat seinen primären Schauplatz in der Villa 31<, einem Elendsviertel im Zentrum von Buenos Aires, das zwischen dem Hafen, dem Bahnhof Retiro und Recoleta, dem schicken Wohnviertel oberer Mittelschichten, liegt. Das Buch ist in traditioneller Sicht eigentlich gar kein Roman, sondern ein Erzählgeflecht, das in 31 Erzählstränge zerfällt und darin verschiedene Themen, Ideen und literarische Figuren entwickelt. Im Laufe des Buches werden diese chaotisch alternierenden Stränge forterzählt, manche mehr, manche weniger. Die Handlung einiger Erzählstränge hat ihren Schauplatz „auf der anderen Seite“ der Villa, jenseits der Zuggleise und der Verkehrsachse der Avenida Libertador, das heißt in Recoleta. Dort wohnt eine feine Ärztefrau in einem schicken Appartement und ist angeekelt vom Anblick des Elendsviertels, weil es ihren Blick auf den Río de la Plata „verunreinigt“. Die Hausangestellte jenes Appartements kommt aus der Villa, arbeitet aber „auf der anderen Seite“ im Haushalt jener feinen Dame. Deren Mann betrügt seine Frau mit eben dieser Hausangestellten. Während diese sich an ihrem „feinen“ Arbeitsplatz unwohl und gar dreckig fühlt, ihre soziale Scham geht soweit, dass sie infrage stellt, dass sie als „schmutzige“ Arbeitskraft überhaupt die Wohnung jener „feinen Herren“ reinigen könnte, ist ihr Liebhaber, jener Arzt, bei einem gemeinsamen Ausflug in das Elendsviertel begeistert von den dort vorherrschenden „einfachen“ Lebensverhältnissen und möchte mit ihr doch glatt dorthin ziehen. Diese Kurzzusammenfassung eines der 31 Erzählstränge macht deutlich, was im Zentrum des Romans steht: die krassen sozialen Kontraste zwischen den verschiedenen Milieus der argentinischen Hauptstadt sowie die damit einhergehenden mentalen Grenzziehungen, Symbolisierungen, Vorurteile und Gefühlsstrukturen.
Schon die Titelgestaltung des Buches macht das Thema der sozialen Kontraste im städtischen Raum deutlich. Das Titelfoto zeigt in Totalperspektive zwei Häuserreihen, im Vordergrund einen für lateinamerikanische Elendsviertel typischen Straßenzug und am Horizont moderne Hochhäuser. Die sichtbaren urbanistischen Kontraste werden im Roman durch zahlreiche weitere Differenzen ausbuchstabiert, die zwischen den Grenzen jener polarisierten sozialen Welten bestehen: auf der Ebene der Alltagsgestaltung, der Inneneinrichtung, der Mentalitäten, Hoffnungen, der mal klassistischen, mal rassistischen Vorurteile, sozialen Wahrnehmungsmuster. Die Darstellung jener innerstädtischen Kontraste und Milieus nimmt zuweilen die Form einer beißenden Kritik an. Magnus, dessen jüdische Großeltern vor dem deutschen Nationalsozialismus haben fliehen können, bezieht gerne auch Seitenhiebe gegen die offiziellen jüdischen Organisationen ein, so wenn er feststellt, dass jene religiösen Milieus noch nie Kontakt pflegten mit jenen „anderen Menschen“ der Elendsviertel, oder wenn er die Grenzen der Villa mit dem Grenzzaum um den Gazastreifen vergleicht. Der Roman versucht aus einer zutiefst tragischen Realität humoristischen Stoff zu gewinnen, ein Unterfangen, das bei dem Leser/der Leserin unterschiedlichste, aber sicher keine indifferenten Reaktionen hervorrufen wird.