Die honduranische Koordination Feministas en Resistencia und die internationale Vereinigung Observatorio de Transgresión y Resistenica Feminista legten der Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten am 2. November 2009 einen Bericht über die Menschenrechtssituation der Frauen seit dem Putsch vor. Der Bericht beruht auf den Aussagen von 240 Frauen, was als repräsentative Stichprobe gilt. Es wurden über 400 Fälle von Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen festgestellt:
• Eine der brutalsten Repressionsformen gegen Frauen ist sexuelle Gewalt. Sie wird insbesondere durch Schläge und Angrapschen an Hüften, Brust, Vagina und Gesäß ausgeübt. (23 der 240 Aussagen) Dazu kommen sieben Fälle von Mehrfach-Vergewaltigungen durch die Polizei, die in Tegucigalpa, San Pedro Sula, Choloma, Danli und El Progreso stattgefunden haben. Da die Polizisten bei den Vergewaltigungen Kondome trugen, werden diese als geplante Bestrafungsaktionen gewertet. Die Frauen wurden von der Polizei nach der Teilnahme an friedlichen Demonstrationen oder während der Sperrstunde festgenommen. Der Bericht geht davon aus, dass es weit mehr derartiger Fälle gegeben hat, aber die Frauen es nicht wagen, Anzeige zu erstatten.
Sexuelle Gewalt wird eingesetzt, um Frauen davon abzuhalten, sich der Protestbewegung anzuschließen. Das wird an Aussagen von Polizisten und Militärs während der Repression deutlich: ¿Qué hacen de revoltosas? ¡Váyanse a cuidar sus hijos! („Was sucht ihr hier auf den Demos? Geht nach Hause und kümmert euch um eure Kinder!“) oder: Lo que quieren es que las violemos para que no vuelvan a andar en estas cosas! („Ihr legt es darauf an, dass wir euch vergewaltigen, damit ihr nicht mehr an diesen Aktionen teilnehmt!“).
• Zwei Frauen sind in der Folge von Angriffen mit Tränengas und weiteren giftigen Gasen gestorben: Wendy Avila und Olga Osiris Ucles. Neun Transsexuelle, Lesben und Schwule wurden seit dem Putsch erschossen, einige von ihnen hatten Zeichen von Folter.
• Auch die Zahl der Frauenmorde (Feminicidios) ist stark gestiegen: Während 2008 26 Feminicidios pro Monat registriert wurden (siehe UNAH, Muerte de Mujeres por violencia intencional 2008), waren es in den ersten Monaten 2009 16 pro Monat. Hingegen wurden allein im Juli 2009 51 Feminicidios registriert.
• Die Polizei ist in vielen Stadtteilen mit massiver Gewalt vorgegangen: Benutzt wurden Feuerwaffen, Gummigeschosse, Holzgeschosse, Tränengas, Pfeffergas, Panzer, Schlagstöcke, Metallrohre und Holzschläger mit Nägeln, mit denen Demonstrantinnen geschlagen wurden.
• Illegale Verhaftungen, die zwischen drei Stunden und mehreren Tagen andauerten, wurden verstärkt registriert. Die Frauen wurden nicht über den Grund ihrer Verhaftung informiert und nicht über ihre Rechte aufgeklärt. Das Recht auf anwaltliche Vertretung wurde ihnen ebenso verwehrt wie der Zugang zu Nahrung, Wasser und Medikamenten.
• Zwölf Frauen wurden der Anstiftung zum Aufstand angeklagt, was aufgrund der Außerkraftsetzung der Grundrechte mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes am 22. September möglich wurde.
• Die Verfolgung und Überwachung von Menschenrechtsaktivistinnen, Feministinnen und Frauenorganisationen durch die Polizei und das Militär häuften sich. Frauenrechtlerinnen erhielten Morddrohungen direkt oder über Nachrichten auf ihrem Handy oder per Email. Auf den Demonstrationen wurden die bekanntesten Frauen von den Militärs mit ihrem Namen angesprochen, was ein hohes Niveau an Überwachung verdeutlicht.
• Es wurden mehrere feministische Radiosendungen zensiert, weil sie sich gegen den Putsch äußerten. Am 16. Oktober wurden drei feministische Radiosendungen (Tiempo de Hablar von CDM, La Bullaranga von der honduranischen Frauenrechtsorganisation CEM-H und Entre Chonas der Gruppe Visitación Padilla) von der Geschäftsleitung des Senders geschlossen. In der Begründung wird Nichteinhaltung der Verfassung angeführt, weil in einer Sendung die politische Situation nach der Rückkehr Mel Zelayas analysiert wurde, und in einer weiteren von der Polizei geschlagene Frauen zu Wort kamen. Unter anderem werden die Programme beschuldigt, „eine Bedrohung für den familiären Frieden in Honduras“ zu sein.
• Den bereits vorher schwachen staatlichen Institutionen, die Frauenrechte umsetzen, wie das Instituto Nacional de la Mujer, INAM, hat die Putschregierung keine Mittel mehr zugewiesen. 19 Angestellten, davon 12 Frauen mit langjähriger Erfahrung, wurde nach dem Putsch grundlos gekündigt. Die friedliche Besetzung des INAM als Form des Protestes gegen den Putsch wurde am 15. Juli durch Räumung beendet. Dies bedeutet einen Bruch der Beziehungen zwischen dem INAM und der Frauenbewegung. Dadurch hat das INAM keinen Rückhalt mehr in der Zivilgesellschaft.
• Die Beauftragten der städtischen Frauenbüros, die sich gegen den Putsch geäußert haben, wurden ebenfalls entlassen. (Sechs dieser Fälle liegen dem Observatorio vor.) Die Beauftragten waren in einem partizipativen Prozess gewählt worden, wodurch ihre Unabhängigkeit und Autonomie gegenüber den städtischen Behörden garantiert war. Dieser wichtige Beitrag zu einer demokratischeren und partizipativeren Gesellschaft ist mit dem Putsch verloren gegangen.
• Auch weitere gesetzliche Errungenschaften, die von der Frauenbewegung nach langjährigem Kampf erreicht worden waren, sind mit dem Putsch abgeschafft worden. So wurde am 29. Juni, dem Tag nach dem Putsch, die Nutzung und der Vertrieb der „Pille danach“ vom Gesundheitsministerium verboten, mit dem Argument, sie sei gleichbedeutend mit Abtreibung und verletze demzufolge das in der Verfassung festgeschriebene Recht auf Leben. Dies war eine der ersten Aktionen der Putschregierung und zeigt die Verwobenheit konservativer Sektoren mit religiös-fundamentalistischen Gruppen, die sich zum Ziel gesetzt haben, soziale Veränderungen und gesetzliche Errungenschaften für die Rechte von Frauen zurückzuschrauben.