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Militarisierter Narco-Staat

Die honduranische Regierung erhält trotz Korruption und der Verwicklung in Drogengeschäfte weiterhin Militärhilfe von den USA

Seit Anfang der 2000er-Jahre ist das in den 90er-Jahren dezimierte und entmachtete honduranische Militär mit immer mehr Aufgaben, Machtbefugnissen und Finanzen ausgestattet worden, es kontrolliert zusammen mit neu geschaffenen Polizeieinheiten die Straßen und ist seit 2009 der wichtigste Rückhalt der Regierung. Das Land wurde erfolgreich remilitarisiert.

Trump und der honduranische De-facto-Präsident Juan Orlando Hernández (er kam durch eine verfassungswidrige Wiederwahl und Wahlbetrug ins Amt) führten am 24. April 2020 ein längeres Telefongespräch, das Trump anerkennende Tweets („Habe gerade mit dem Präsidenten von Honduras gesprochen. Wir arbeiten eng zusammen an der Südgrenze.“) und JOH eine viertelstündige Videoantwort wert war. Laut der Internetzeitung Criterio will JOH, wie Juan Orlando Hernández im Land genannt wird, vom IWF eine Finanzspritze von 340 Millionen US-Dollar. Bereits im März bestätigte die Zentralbank von Honduras, dass das Land einen Kredit über 143 Millionen Dollar vom IWF bekommen wird. Und JOH benutzt die Corona-Krise, um sich weiter Geld zu leihen. Der Kongress billigte am 14. Mai eine neue Anleihe bei der Weltbank über 20 Millionen Dollar, tags zuvor eine Anleihe bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank über 111,65 Millionen Dollar.

John Perry von der US-NRO COHA nennt Honduras einen Narcostaat und er ist nicht der einzige. COPINH, der Rat der Indigenen und Volksorganisationen aus Honduras, spricht von einem Narcoregime und einer Militärdiktatur. Inzwischen wurde nicht nur der in den USA wegen Drogenhandel in allen Punkten schuldig gesprochene Bruder von JOH, sondern auch der Präsident selbst in New York angeklagt. Zurzeit läuft dort ein Prozess wegen Drogenschmuggel, Mord und Geldwäsche gegen den Ex-Chef der von JOH ins Leben gerufenen Nationalgarde, Juan Carlos Borilla, genannt „El Tigre“.

Die Anklage des New Yorker Gerichts lautet, dass Tony Hernández (der Bruder des Präsidenten), Porfirio Lobo (Expräsident nach dem Staatsstreich), Juan Orlando Hernández (JOH), Roberto Ordóñez (Energieminister), Mauricio Hernández (Ex-Polizist) und Juan Carlos Bonilla (Ex-Polizeichef) Mitglieder einer Verschwörung zum Drogenhandel waren und den Drogenhandel zur Unterstützung ihrer politischen Macht sowie zur Kontrolle über die Nationale Partei benutzten. Doch niemand in den USA und Honduras erwartet ernsthafte Folgen für JOH, stattdessen wird vermutet, dass er eine weitere verfassungswidrige Amtszeit anstreben könnte, um seine Immunität auszudehnen.

Die gesamte Führungsriege ist offenbar in Drogengeschäfte verwickelt und hat sich auch kräftig an öffentlichen Geldern bedient. Immer neue Korruptionsvorwürfe kommen ans Licht, haben aber keine Folgen für die Regierung. Stattdessen werden Untersuchungen von Korruptionsfällen immer weiter durch Gesetzesänderungen erschwert.

Im Juni dieses Jahres wird das im Januar verabschiedete neue Strafgesetzbuch in Kraft treten, das das Strafmaß für Drogendelikte, illegale Ausbeutung von Bodenschätzen und Verbrechen gegen Frauen deutlich senkt. So bereiten sich viele Regierungsbeamte darauf vor, dass sie nach Ablauf ihrer Immunität vielleicht doch angeklagt werden könnten.

Während Trump Geld für das Militär und zur Bekämpfung von Corona nach Honduras schickt, steht das Land kurz vor dem Kollaps. Die Sicherheitslage ist fatal und das bereits vor Corona ausgetrocknete Gesundheits- und Sozialsystem kann den Menschen nur wenig Hilfe bieten. Durch Korruption (man erinnere sich an den Skandal vom März 2015, als bekannt wurde, dass mehrere Millionen US-Dollar des honduranischen Sozialversicherungsinstituts veruntreut worden waren. Ein großer Teil davon war 2013 zur Wahlunterstützung von JOH „umgewidmet“ worden, was nachweislich den Tod von mindestens 3000 Menschen zur Folge hatte) ist das Sozialsystem ebenso bedroht wie durch die ständige Bevorzugung von Sicherheits- vor sozialen Ausgaben. Erstere steigen, letztere sinken.

Diese Politik, die Korruption und die fatale Sicherheitslage trieben die Menschen letztes Jahr zu Tausenden auf die Straße und die militarisierte Polizei schoss mit scharfer Munition auf die Demonstrierenden. Und während die Mitglieder der Plattform für Bildung und Gesundheit, die die Proteste koordinierte, Todes­drohungen erhielten, schickte Washington im Juni 2019 erneut fast 300 Marines mit dem US-Southern-Border-Kommando, deren Mehr­heit in Honduras stationiert ist. Sie haben unter anderem die Aufgabe, honduranische Sicher­heitskräfte auszubilden.

Die geplanten Einsparungen im Bildungs- und Gesundheitssektor, die mit den IWF-Verhandlungen vom honduranischen Parlament im Juni 2019 in engem Zusammenhang standen, wurden aufgrund der Proteste teilweise zurückgezogen. Aber das Gesundheitssystem ist ausgeblutet. Als 2600 Angehörige des völlig resignierten medizinischen Personals ausgesucht wurden, um das Coronavirus zu bekämpfen, kündigte ein Viertel von ihnen; es gab kein Sicherheitskonzept, keine funktionierenden Masken, nicht genügend Desinfektionsmittel.

JOH regiert auf die Corona-Krise mit der berühmten mano dura, der harten Hand, schickte Militär und Polizei auf die Straßen, um den von ihm verfügten Lock down und die nächtliche Ausgangssperre zu überwachen, was zu mehr Repression, aber auch Hunger führte, weil die Mehrheit der Honduraner*innen im informellen Sektor arbeitet und nun keine Möglichkeit mehr hat, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Am 24. April schoss die Polizei auf drei Brüder, die Brot verkauften, einer starb, zwei wurden verwundet.

Um die Armen zu unterstützen, kündigte die Regierung mit viel Pomp an, alle Bedürftigen würden Essenspakete erhalten. Doch die enthalten gerade einmal Lebensmittel für zwei Tage. Zudem gibt es mehrere Berichte, dass diese Pakete nicht vollständig oder gar nicht ausgeliefert werden, weswegen mehr als 30 Organisationen seit Wochen eine Verwaltung der Essenspakete durch die Gemeinden fordern.

Bei der von den staatlichen Beschaffungsbehörden COPECO und INVEST-H gekauften medizinischen Ausrüstung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verdienten vor allem die Mitglieder der herrschenden Nationalen Partei. Das honduranische Journalist*innennetz Reporteros de Investigación veröffentlichte ein Diagramm mit Namen und Verflechtungen[fn]https://www.reporterosdeinvestigacion.com/2020/04/23/responsables-de-compras-directas-covid-19-en-honduras/[/fn], der Consejo Nacional Anticorrupción (CNA) publizierte eine ganze Serie über die Korruption bei den Corona-Käufen. Er wies unter anderem nach, dass zu Beginn der Epidemie Handschuhe und Masken zu völlig überzogenen Preisen bestellt wurden, dass die Beschaffung ohne Prüfung erfolgte und die gekauften medizinischen Geräte zum Teil unbrauchbar und nicht für Covid-19-Patienten geeignet sind.

Am 14. Mai twitterte die Militärpolizei, dass sie 403 neue Mitglieder aufnehme. Und direkt am nächsten Tag löste diese Militäreinheit in El Progreso eine Demonstration von Arbeiter*innen und Kleinunternehmer*innen im Transportgewerbe brutal auf, die seit zwei Monaten wegen der Ausgangssperre keine Einkünfte mehr hatten und deswegen Unterstützung von der Regierung verlangten. Schläge und Verhaftungen gab es auch bei der gewaltsamen Auflösung eines Protests von Taxifahrer*innen in Pespire, Choluteca. Dort zerstörte die Militärpolizei auch mehrere der Taxis und Lieferwagen. Ähnliche Nachrichten gibt es mehrmals wöchentlich.

Am 21. Mai veröffentlichten rund 30 internationale Organisationen, darunter LAWG, Honduras Forum Schweiz, WOLA, Oxfam und SOA-Watch einen Offenen Brief, in dem sie die internationale Gemeinschaft dringend auffordern, kein Geld mehr für Sicherheitskräfte nach Honduras zu senden und Druck auf die honduranische Regierung auszuüben, damit sie die exzessive Gewaltanwendung gegen ihre Bürger*innen stoppt.

Die Präsidentin der honduranischen Ärzt*innenkammer (Colegio Médico de Honduras – CMH), Dr. Suyapa Figueroa, protestierte am 14. Mai in Radio Progreso öffentlich gegen die Einmischung des Militärs in den Gesundheitssektor. Das Militär soll in Tegucigalpa und San Pedro Sula neue mobile Krankenhäuser errichten und selber verwalten. Die Gesundheitsverantwortlichen verlangen stattdessen seit Wochen in öffentlichen Stellungnahmen, dass die völlig unterfinanzierten öffentlichen Krankenhäuser besser ausgestattet werden und dass sie an den Planungen zur Eindämmung des Virus beteiligt werden, und fordern Transparenz der getroffenen Entscheidungen.