Mit bunten Stoffen gegen dreckige Flüsse

Das zweite Bilderbuch der brasilianischen Designerin und Illustratorin Eymard Toledo ist genauso schön wie das erste, „Bené, schneller als das schnellste Huhn“ (siehe Rezension in ila 390). Die Autorin und Illustratorin stammt aus Belo Horizonte in Brasilien, kam mit 25 nach Deutschland, studierte Produktdesign und lebt heute mit Mann und Kindern in Mainz. Sie malt, arbeitet als Designerin und Kinderbuchillustratorin. In ihren eigenen Kinderbüchern zum Vorlesen, Mitlesen und vor allem Mitgucken erzählt sie von der Lebenswirklichkeit von Kindern in Brasilien. In Onkel Flores ist es die Welt des kleinen Edinhos (sprich: Ädschinjo) und seines Onkels Flores, dem Schneider. Bei seinem Onkel verbringt Edinho den ganzen Tag, er frühstückt dort, er hilft seinem Onkel beim Zuschneiden und Bügeln, er hört seinen Geschichten zu. Schließlich arbeitet seine Mutter den ganzen Tag bis spät in der Fabrik und sein Vater ist Fischer – allerdings ein Fischer, der nur noch sehr kleine Fische fischt. Die Fabrik, in der die Mutter arbeitet, spielt auch eine große Rolle. Sie wurde irgendwann in dem (erfundenen) Ort Pinbauê, wo die beiden wohnen, direkt an dem (realen) Fluss São Francisco, genannt Velho Chico (kleiner Alter), errichtet. Die Fabrik verändert das Leben der Menschen. Alle außer Edinhos Onkel und Vater arbeiten jetzt in der Fabrik, der Fluss wird trüb und dreckig, es gibt kaum noch Fische, die Frauen waschen dort nicht mehr ihre Wäsche, und alles wird grau: der Fluss, der Himmel, die Kleider der Menschen, auch die Häuser in Pinbauê sind mit grauem Staub bedeckt. Onkel Flores schneidert zunächst nur noch graue Arbeitskleidung, dann verliert er auch diese Arbeit, denn die Arbeitskleider werden im Ausland bestellt. Onkel Flores wundert sich, wie jemand es schafft, noch billiger als er zu nähen. Die zündende Idee, wie Onkel Flores wieder als Schneider arbeiten kann und die Menschen wieder anfangen, bei ihm bunte Vorhänge und Kleider zu bestellen, hat Edinho. Und so wird die Welt wieder ein bisschen bunter.
Vor allem die Bilder machen das Buch zu einem Schatz. Es sind liebevoll arrangierte Collagen, die einen Raum schaffen und in denen Stoffe neben Scheren, der Nähmaschine, Nadel, Faden und den fertig geschneiderten Kleidern die Bilder komponieren. Sie wirken wie aufgenäht oder aufgeklebt, immer wieder fährt der Finger über das Bild, das doch glatt ist. Dazu kommen Onkel Flores, viele Katzen und ein paar viralatas (Straßenhunde, wörtlich „Mülltonnenumkipper“), all die anderen Menschen aus Pinbauê und Edinho natürlich. Jedes Stückchen der Geschichte, das erzählt wird, kann von den Kindern auf den Bildern nachverfolgt werden, und dort gibt es für kluge Kinder immer noch mehr zu entdecken, als im Text erzählt wird. Auch Erwachsene können lernen, wie wichtig es ist, es sich selbst schön zu machen und stets Zeit für einen cafezinho zu haben.