Am 29. Oktober dieses Jahres wurde in Osnabrück zum 22. Mal eine Abschiebung verhindert. Ein junger Flüchtling aus Eritrea sollte in den Morgenstunden aus einer Flüchtlingsunterkunft in Osnabrück von der Polizei abgeholt werden, um ihn nach dem Dublin-Verfahren nach Italien abzuschieben. In dieser Verordnung ist europaweit geregelt, dass der EU-Mitgliedstaat, dessen Boden der Flüchtling als erstes betreten hat, für das Asylverfahren zuständig ist. AsylbewerberInnen müssen daher stets ihre Fingerabdrücke abgeben. Durch den Abgleich der Fingerabdrücke mit den in der Eurodac-Datei gespeicherten Fingerabdrücken kann ein Mitgliedstaat prüfen, wo ein Asylbewerber europäischen Boden betreten hat. Stellt der Geflüchtete in einem anderen Mitgliedstaat seinen Asylantrag, wird kein Asylverfahren durchgeführt, vielmehr wird der Asylsuchende an den zuständigen Staat „überstellt“, wie die Abschiebung euphemistisch genannt wird. Statt sich mit den Fluchtgründen der oft traumatisierten Asylsuchenden auseinanderzusetzen, prüft das Asyl-Bundesamt nur die Reisewege der Flüchtlinge, nicht aber ihre Schutzbedürftigkeit und schiebt die Menschen gewaltsam, wie Pakete, hin und her. Eine riesige Bürokratie organisiert die Verschiebung von Flüchtlingen kreuz und quer durch Europa.

Für Deutschland, das ja keine EU-Außengrenze hat, eine sehr praktische Regelung, für die Geflüchteten eine Katastrophe, denn die Zustände in den meisten Ersteinreiseländern sind menschenunwürdig. In Italien landen sie meist ohne Arbeitserlaubnis und Unterstützung obdachlos auf der Straße, in Ungarn drohen Haft und Misshandlung, in Bulgarien ebenfalls Inhaftierung, Hunger und unmenschliche Behandlung ohne Zugang zu medizinischer Versorgung.

In Osnabrück hat sich Anfang 2014 ein breites Bündnis gegen Abschiebung gebildet. Kirchliche Gemeindemitglieder, antifaschistische Gruppen, AnwohnerInnen, GewerkschafterInnen und engagierte BürgerInnen haben eine Telefonliste organisiert, an der sich bisher über 170 Menschen beteiligen. Sobald eine Abschiebung angekündigt wird, setzt sich die Telefonkette in Gang. JedeR ruft eine weitere Person an, die UnterstützerInnen versammeln sich, meist früh morgens, vor dem Eingang der Unterkunft, aus der der Flüchtling abgeholt werden soll, und blockieren die Tür. Wenn genügend Menschen vor Ort sind, wird die Abschiebung abgebrochen und die Ausländerbehörde muss dem Bundesamt melden, dass die geplante Rückführung gescheitert ist. Im weiteren Verfahren wird ein neuer Termin für einen erneuten Versuch vereinbart. Eine verhinderte Abschiebung bedeutet noch nicht, dass der Flüchtling auch in Deutschland bleiben darf. Daher werden die von Abschiebung Bedrohten auch nach der verhinderten Abschiebung weiter unterstützt. Bisher hat das Bündnis erreicht, dass sechs Flüchtlinge ein Asylverfahren in Deutschland bekommen. Alle Aktionen verliefen friedlich, da die Polizei auf eine gewaltsame Eskalation verzichtete.

Aus Sicht des Osnabrücker Bündnisses gegen Abschiebung müssen die unmenschlichen Abschiebungen abgeschafft werden, in Osnabrück und überall!
Die beispielhaften Osnabrücker Aktionen fand nun Nachahmung. Auch in Göttingen ist mittlerweile eine breite Bewegung gegen Abschiebung entstanden. Anfang November wurde in Göttingen der Zugang zur Wohnung einer somalischen Familie blockiert, die mit einem sechs Monate alten Kleinkind nach Italien abgeschoben werden sollte. Die Familie hat jetzt gute Chancen, in Deutschland bleiben zu können, denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschied am 4. November, dass besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie Kinder nicht mehr wie bisher einfach nach Italien zurückgeschoben werden können. Ohne die erfolgreiche Blockade befände sich die Familie wahrscheinlich bereits in Italien.

Weitere Infos:
http://exilverein.wordpress.com/2014/07/20/telefonkette-gegen-abschiebungen/ http://nolageros.blogsport.eu
www.proasyl.de/de/themen/eu-politik/detail/news/ ineffektiv_ungerecht_menschenrechtswidrig_das_dublin_system/