Neoliberale Wirtschaftspolitik bringt notwendigerweise Konflikte mit sich

Die Europäische Union handelte mehrere Jahre lang das Assoziierungsabkommen mit den sechs zentralamerikanischen Ländern Honduras, Guatemala, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panama aus, Ende 2012 wurde es schließlich ratifiziert. Welche Auswirkungen sind vier Jahre nach Abschluss des Abkommens in Honduras zu spüren?

Freihandelsabkommen sind Teil des neoliberalen Modells, mit Privatisierungen, Schutz von ausländischen Investitionen, Verstößen gegen nationale Arbeitsrechte etc. Freihandelsabkommen konsolidieren das, was bereits in der nationalen Wirtschaftspolitik gemacht wird, wobei auch dies keine nationale Politik ist, sondern von internationalen Organisationen wie der Welthandelsorganisation WTO, dem Internationalen Währungsfonds IWF und anderen beeinflusst wird.

Sowohl das mit den USA geschlossene Abkommen DR-CAFTA als auch das Assoziierungsabkommen mit der EU bauen auf dem bereits existierenden und erzwungenen offenen Wirtschaftssystem in den zentralamerikanischen Ländern und auf Vorgängerabkommen auf. Das Vorgängerabkommen des DR-CAFTA ist die „Initiative Karibikbecken“ aus den 80er-Jahren; das Assoziierungsabkommen baut auf dem Allgemeinen Zollpräferenzsystem Plus (APFS+) zwischen der EU und Zentralamerika auf. Dieses Präferenzsystem erlaubte den Ländern Zentralamerikas, unter Einhaltung bestimmter Auflagen zu Umwelt, Arbeitsrechten und Menschenrechten, zollfrei Güter nach Europa zu exportieren. Bereits beim Vorläuferabkommen wurde die Doppelmoral der Europäischen Union (EU) deutlich. So erklärte El Salvador, dass es die ILO-Konvention 169 nicht einhalten müsse, da diese ihrer Verfassung widerspräche; den Handel mit der EU hat dies jedoch nicht beeinflusst. Ein anderes Beispiel ist Honduras: Auch hier hatten die Menschenrechtsverletzungen nach dem Putsch keine dauerhaften Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen mit der EU. Das Assoziierungsabkommen wurde ohne Publicity „technisch“ weiter ausgehandelt und drei Jahre nach dem Putsch ratifiziert.

Wie sind die Handelsbeziehungen in diesen Abkommen geregelt? Was bedeuten sie für Honduras?

Das Assoziierungsabkommen, wie vorher das Allgemeine Zollpräferenzsystem auch, regelt den Export von Rohstoffen zu Sonderkonditionen. Honduras kann Rohstoffe zollfrei exportieren, aber keine Fertigprodukte. Mit anderen Worten heißt das: Kakao ist willkommen, Schokolade hingegen nicht. Für verarbeitete Produkte müssten die zentralamerikanischen Länder 10, 15 oder gar 20 Prozent Steuern zahlen.

97 Prozent der Exporteinnahmen in Honduras kommen aus dem Export von Kaffee. Gilt diese Regelung auch für Kaffee?

Honduras steht an sechster Stelle in der weltweiten Kaffeeproduktion und hat dabei – mit neoliberalen Worten ausgedrückt – Wettbewerbsvorteile. Wir produzieren Hochlandkaffee, also Kaffee, der für den direkten Konsum exportiert wird. Andere Produzentenländer können mit ihrem Kaffee geringerer Qualität lediglich die Nachfrage nach Kaffee für Parfümerie- und Drogerieartikel bedienen. Lateinamerikanischer Kaffee zum Trinken kommt vor allem aus Guatemala, Kolumbien und Honduras.

Kaffee ist nicht Gegenstand des Assoziierungsabkommens. Für Kaffee gilt das 2007 geschlossene Abkommen mit der Internationalen Kaffeeorganisation ICO, mit Sitz in London. Dieses Abkommen wurde ohne Veränderungen in das Assoziierungsabkommen integriert. Honduras kann ohne Verluste, also zollfrei, nur Rohkaffee exportieren, aber weder gerösteten noch gemahlenen Kaffee. Das Beispiel Kaffee zeigt, dass sich die Handelsbeziehungen weder durch DR-CAFTA noch durch das Assoziierungsabkommen geändert haben, wir haben immer mit den gleichen Beschränkungen zu kämpfen.

Welche weiteren Beschränkungen gibt es?

Freihandelsabkommen sind keine Abkommen für den freien Handel, wie uns die Bezeichnung suggerieren möchte. Das wird am Beispiel von DR-CAFTA deutlich: Die offizielle Bezeichnung ist „Dominican Republic – Central America Free Trade Agreement“. Die offizielle Übersetzung ins Spanische ist jedoch nicht Vereinbarung (acuerdo), sondern Vertrag (tratado). Diese Wortspielereien haben juristische Auswirkungen. Ein agreement in den USA ist schwächer als die US-amerikanischen Gesetze, das heißt, DR-CAFTA wird in den USA nicht über dem nationalen Gesetz behandelt. In zentralamerikanischen Verfassungen hingegen stehen tratados den nationalen Gesetzen gleichwertig gegenüber. Honduras hat sogar in Artikel 16 der Verfassung festgelegt, dass alle tratados, die Honduras geschlossen hat, über den nationalen Gesetzen stehen. Das könnte auch für uns – die sozialen Bewegungen – gut in Bezug auf die Verträge zu Menschenrechten sein, nur hat es keine Folgen, wenn diese nicht eingehalten werden. Artikel 18 der honduranischen Verfassung besagt, dass im Fall von Widersprüchlichkeit der internationalen Verträge mit der nationalen Gesetzgebung erstere stärker sind. Bei Menschenrechtsfragen hat dies allerdings keine Wirkung.

Wo siehst du die problematischsten Punkte in den Freihandelsabkommen?

Für mich sind das der Investitionsschutz und die Eigentumsrechte. Mit dem Assoziierungsabkommen sind die europäischen Investitionen geschützt. Dieser Schutz ist in Honduras sogar in nationalen Gesetzen verankert, wie beispielsweise dem 2012 erlassenen Gesetz zum Schutz der Pflanzenbeschaffung, was anders ausgedrückt ein Gesetz zum Schutz von Monsanto/Bayer und dessen Saatgut ist. Dies gefährdet die lokale Nahrungsmittelproduktion. Auswirkungen des Assoziierungsabkommens sind im Nahrungsmittelbereich noch nicht so deutlich. Was man bezüglich DR-CAFTA sagen kann: Die Maisproduktion ist praktisch zerstört, allerdings nicht erst durch DR-CAFTA. Bereits vor Inkrafttreten des Abkommens wurde Mais zollfrei eingeführt, die Maisproduktion war bereits vorher am Boden. Das Freihandelsabkommen hat lediglich vorherige Vereinbarungen konsolidiert.

Der eigentliche Fallstrick dieser beiden Aspekte der Abkommen ist die Tatsache, dass sowohl der Investitionsschutz als auch die Eigentumsrechte eine Gültigkeit von zehn Jahren nach einer Auflösung der Freihandelsabkommen haben. Angenommen, unter Donald Trump würde DR-CAFTA beendet werden, würde innerhalb von sechs Monaten das Abkommen außer Kraft gesetzt werden, bis auf diese beiden Bereiche.

Die honduranische Regierung hat für die Freihandelsabkommen mit dem Versprechen geworben, dass Investoren ins Land kommen und damit Arbeitsplätze geschaffen werden. Inwiefern haben sich diese Versprechen erfüllt?

Bisher haben sich diese Versprechen nicht erfüllt, trotz der enormen Bemühungen seitens der letzten beiden Regierungen. Der frühere Präsident Pepe Lobo hat mit dem Slogan „Honduras is open for Business“ geworben und auf Betreiben von Juan Orlando Hernández wurden investitionsfreundliche Gesetze erlassen bis hin zur Erlaubnis zum Bau von ZEDEs (Charter Cities).[fn]

Das Konzept der Charter City geht auf ein Konzept des US-Ökonomen Paul Romer zurück, in Honduras werden sie Zonas de Empleo y Desarrollo Económico (ZEDE) genannt, siehe Artikel auf Seite 36 dieser ila[/fn] Investitionen im großen Stil, wie sie sich die Regierung erhofft hatte, blieben jedoch aus. Dies hat verschiedene Gründe: Honduras hat in den letzten Jahren vor allem Konzessionen für Bergbau erteilt, da aber die Preise für Metalle nicht sehr hoch waren, lohnte es sich für internationale Unternehmen nicht, neue Fördergebiete zu erschließen. Dies ist ein Faktor. Unsicherheit und Gewalt spielen sicher auch eine Rolle, sind meiner Meinung aber nicht der entscheidende Grund.

Ich sehe in der Korruption einen ganz wichtigen Faktor, auch wenn dies der Regierung nicht gefällt. Das Niveau an Korruption ist immer mehr gestiegen. Für ein Unternehmen, das in Honduras investieren möchte, ist der Preis hoch. Unter Zelaya musste ein Satz von 25 Prozent der Investitionssumme gezahlt werden, um alle Genehmigungen zu bekommen, unter Lobo stieg der Satz auf 35 Prozent und unter der aktuellen Regierung auf 75 Prozent. Zudem dauert die Bearbeitung seitens der Behörden extrem lange, was für Unternehmen ein reales Hindernis ist.

Welches Interesse haben europäische Unternehmen, in Honduras zu investieren?

Hier steht die Ausbeutung von Arbeitskraft und die Förderung von Rohstoffen an erster Stelle. Rohstoffe von Interesse sind unter anderem Gold, Eisen, Holz sowie Fisch und Meeresfrüchte. Europäische Unternehmen kommen nicht nach Honduras, um Schokolade herzustellen oder Autos bauen zu lassen. Das Land, das am meisten Interesse an Investitionen zeigt, ist Spanien. Man könnte dies als die „spanische Reconquista“ bezeichnen. Spanien ist stark an Fischereikonzessionen im Golf von Fonseca und in der Karibik interessiert. Der im Assoziierungsabkommen festgelegte Investitionsschutz ist attraktiv für ausländische Unternehmen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Rolle der jeweiligen Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit. Der Trend geht dahin, dass diese Machbarkeitsstudien für die Wirtschaft erstellen und sie den Unternehmen zur Verfügung stellen.

Der honduranischen Bevölkerung bieten die Abkommen hingegen keine Vorteile. Betroffen von Landkonflikten sind vor allem indigene und ländliche Gemeinden, deren Gebiete und Lebensgrundlagen konzessioniert sind. Welches sind die größten Herausforderungen von Kleinbauern und -bäuerinnen bezüglich der Freihandelsabkommen?

Die großen Probleme für den kleinbäuerlichen Agrarsektor beginnen mit der Implementierung der neoliberalen Politik Anfang der 90er-Jahre in Honduras. Bis dahin boten staatliche Behörden, wie das Landwirtschaftsministerium oder das Nationale Agrarinstitut (INA), Beratungen für Bauern und Bäuerinnen an. Es gab Banken, die kleinen ProduzentInnen Kredite gaben. All dies verschwand Anfang der 90er-Jahre. Das Gesetz zur Modernisierung der Landwirtschaft von 1992 privatisierte die Beratungsdienstleistungen. Das INA wurde von einer Institution der Agrarreform zu einer Behörde zur Vergabe von Landtiteln. Damit verloren die Kleinbauernbewegungen rechtliche Unterstützung seitens staatlicher Stellen. Bereits vor Abschluss der Freihandelsabkommen war der Sektor der KleinproduzentInnen geschwächt. Mit dem Assoziierungsabkommen müssen sie nun in Konkurrenz mit europäischen Produkten gehen, die durch staatliche Subventionen gefördert werden. MilchproduzentInnen sind hiervon am meisten betroffen, da sie mit der aus Europa eingeführten Milch, vor allem in Form von Milchpulver nicht mithalten können. Als Alternative hat sich in einigen ländlichen Regionen die Produktion von Milchprodukten entwickelt. Dies erfordert allerdings eine gewisse Infrastruktur und Investitionen, also Zugang zu Krediten und Beratung für KleinproduzentInnen.

Ländliche Gemeinden sind durch die vergebenen Konzessionen und die damit eventuell eintretenden Investitionen im Bergbau, in der Fischerei, für die Nutzung von Flüssen und von Wald betroffen, da ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird. Die neoliberale Wirtschaftspolitik bringt notwendigerweise Landkonflikte, Konflikte um Zugang zu Flüssen, Nutzung von Wald und Vertreibung von Menschen mit sich. Die europäischen Regierungen würden aber in jedem Fall sagen, dass das Assoziierungsabkommen nicht die Ursache dieser Konflikte ist, da es eine honduranische Gesetzgebung gibt, die dies alles erlaubt.

Freihandelsabkommen stärken Unternehmen. Als Teil der neoliberalen Wirtschaftspolitik verletzten sie aber vor allem die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte der lokalen Bevölkerung. So lange Handelsinteressen über Menschenrechten stehen, nützen auch die im Assoziierungsabkommen beschriebenen Verpflichtungen zur Einhaltung von Menschenrechten nichts.