In der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober wurde die mexikanische Band Panteón Rococó auf dem Weg von Potsdam nach Kopenhagen auf einer brandenburgischen Autobahnraststätte bei Neuruppin von einer Gruppe junger alkoholisierter Rechtsradikaler so in Bedrängnis gebracht, dass sich die 15 Bandmitglieder am Ende notgedrungen wehren mussten. Die Künstler verzichteten sogar auf den Toilettengang, um eine offensichtlich bevorstehende Eskalation zu vermeiden, doch die Deutschen sahen nicht von ihnen ab, obwohl sie in der Minderheit waren. Strategisch suchten sie einzelne Bandmitglieder aus, um sie gemeinsam zu provozieren. Die Band wehrte sich erst, als der Techniker Alfredo eine Flasche an den Brustkorb geschmissen bekam und das Bewusstsein verlor. Dabei verletzten sie drei der sechs Angreifer und rutschen damit für die Neuruppiner Polizei selbstredend in die Täterrolle.

Während ein Teil der Mexikaner verhört wurde, musste ihr Busfahrer einen Alkoholtest über sich ergehen lassen. Ein ausländerfeindliches Motiv wurde von vorneherein abgestritten. Im Gegenteil, die „jungen Linken“ sollen die Neonazis nach Ansicht der Polizei aus ideologischen Gründen angegriffen haben. Gönnerhaft wurde von einer Anzeige gegen die Mexikaner abgesehen. Die Polizei ließ derweil ihre rechten Schützlinge ungestört, eine Hälfte im Krankenwagen, die andere trotz des vorherigen Alkoholkonsums im eigenen PKW von dannen ziehen. Für solche und ähnliche Meldungen sorgte die Ska-Band unlängst nach dem Zwischenfall in Brandenburg. Aber glücklicherweise gibt es auch gute Neuigkeiten: Wieder einmal hat es die Truppe geschafft eine großartige Mischung auf eine Platte zu packen und uns um die Ohren zu hauen: schön zu tanzen und, wenn man die Texte versteht, merkt man, dass hinter der fröhlichen Musik ernste Botschaften stecken.

Neben Liebe, Einsamkeit und sehnsüchtiger Melancholie sind auch Gewalt, Korruption und soziale Probleme Thema, nicht zuletzt besingen die Jungs die Frauenmorde von Juárez. Beim ersten Hören noch als ein weiteres „Du-hast-mich-verlassen-ich-suche-dich“-Lied abgetan, ist doch ganz eindeutig die Verbindung zu den feminicidios zu erkennen. Dieses Aha-Erlebnis stellt sich bei den meisten ihrer Lieder ein: Auf den ersten Blick wirken sie wie Liebesschnulzen, auf dem zweiten handelt es sich jedoch um gesellschaftskritische Texte. Gerade die letzten Lieder der Platte können, in der richtigen Stimmung erwischt, erheblich zur Tränenproduktion beitragen. Aber auch das gilt eher als Lob. Musikalisch hat die neue Scheibe viel zu bieten und ermöglicht uns 58:26 Minuten fröhliches Schwitzen in den eigenen vier Wänden oder ermuntert uns eins der zahlreichen Konzerte zu besuchen. Ihre Bühnenshow ist es immer wieder wert, denn nicht nur im Publikum wird getanzt, gesteppt und gefeiert, sondern die Mexikaner selber rocken die Party und verbreiten eine grandiose Stimmung. Dann und wann ist auch zu beobachten wie die Instrumente untereinander einfach getauscht werden, ohne dass es auffallen würde. Nach den Konzerten werden Autogramme gegeben und, wie es sich für eine echte boy group gehört, mit den Fans in die Kamera gelächelt. Nicht zuletzt das macht wohl ihren Erfolg aus.

Am Ende der Platte ist die Stimme der Stimmlosen zu hören, die uns ein Märchen über die Entstehung der Sprache erzählt. Die ersten drei Worte seien demnach Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie gewesen. Weitere Konzepte, von denen unsere rechtsradikalen Freunde und die Neuruppiner Staatsvertreter wohl noch nicht viel gehört haben werden. Vielleicht sollte man ihnen eine Platte schenken und auf baldige Besserung hoffen.

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