Krimifans dürfen sich nach über einjähriger Abstinenz auf die Rückkehr von Miguel Ángel Morgado auf den deutschen Buchmarkt freuen, jenem „Anwalt für Menschenrechte“ aus Mexico-Stadt, der in seiner Heimatstadt Mexicali im Grenzgebiet zu den USA in zwei neuen Fällen ermittelt.

Morgado ist alt geworden. Dies zumindest signalisiert ihm sein Spiegel, dem er sich eines Morgens in Shorts und ziemlich zerknautscht präsentiert. Im Gegensatz zu den Stories in „Tijuana Blues“ (vgl. ila 299) möchte er seinen „Nebenjob“ als Detektiv in der Titelgeschichte Erinnerung an die Toten eigentlich an den Nagel hängen, tauchte nicht plötzlich eine attraktive Mittvierzigerin in seiner Wohnung auf, die ihn um Aufklärung in einem mysteriösen Todesfall bittet, der bereits über vier Jahrzehnte zurückliegt. Ihr Vater, damaliger Gouverneur von Baja California, stirbt im Dezember 1963 in einem Motel jenseits der Grenze, angeblich in den Armen einer noch minderjährigen Geliebten. „Alle Wahrheiten sind Halbwahrheiten“, konstatiert Morgado in Hinblick auf die divergierenden Aussagen von in die Jahre gekommenen ZeugInnen und entsprechend schwierig gestaltet sich seine spannende Spurensuche durch das Dickicht aus politischen und familiären Intrigen. Morgado behält die Fäden in der Hand und führt den Fall zu einem überraschenden Ende.

Muñoz’ Sprache ist Rock ‘n’ Roll, schnörkellos und ohne Pathos. Sie lebt von den kernigen Dialogen der ProtagonistInnen und den knappen, eindringlichen Schilderungen der sozialen Milieus dies- und jenseits der Grenze. Ähnlich wie die Musik von The Clash Morgados Innerstes zum Beben bringt, treibt sie in klaren Rhythmen den Leser voran, stets entlang an den Abgründen, die sich zwischen dem „Imperium“ im Norden und „Dritter Welt“ im Süden auftun. Bedauerlicherweise hält die erzählerische Energie in der zweiten Geschichte Schmierenkomödie nicht an. Erneut ist es eine Auftraggeberin, die Morgados Dienste in Anspruch nimmt. Cecilia Montaño ist nicht nur ausgesprochen hübsch, sondern Miguels große Liebe aus Jugendtagen. Ihr Mann Jesús, selbstständiger Hubschrauberpilot, verschwindet eines Sommers im Wüstengebiet der Baja, als er im Auftrag der mysteriösen Umweltschutzpartei Partido Naturalista Mexicano eine Bestandsaufnahme der Cardónes, jener für die Gegend typischen, jedoch gefährdeten Riesenkakteen, aus der Luft unterstützen soll. 

Der Grund für Jesús’ Verschwinden ist ein abgekartetes Spiel zwischen mexikanischer Bundespolizei und US-Geheimdienst, die dem Kokainschmuggel einiger Drogenbosse vom „Produzenten in Kolumbien“ bis zum „Endverbraucher in den USA“ auf die Spur kommen wollen. Es entsteht eine äußerst verworrene Geschichte, in der Morgado rasch zu einer Marionette der beiden Staatsdienste mutiert, der zu folgen aber für den Leser kein großes Vergnügen darstellt. Muñoz bemüht sich offensichtlich um die Komplexität eines guten Thrillers, ist aber nicht in der Lage, die Erzählstränge schlüssig zusammenzuführen. Die Story plätschert spannungslos vor sich hin. Auch wenn der Leser am Ende der Lektüre enttäuscht ist, so versöhnt sich doch wenigstens Morgado wieder mit der Welt, als Cecilia anhand einer kleinen Notiz die alte Liebe wieder aufflammen lässt.

Trujillo Muñoz wird eine fast manische literarische Produktivität nachgesagt; vielleicht liegt es daran, dass Schmierenkomödie daneben geraten ist. Angesichts der Qualität von Erinnerung an die Toten hat sich das Warten auf Morgado trotzdem gelohnt. 

Gabriel Trujillo Muñoz: Erinnerung an die Toten. Aus dem Spanischen von Sabine Giersberg. 
Zürich, 2007. 252 Seiten. 14,90 Euro