Patente töten

Heilung geht nur global oder gar nicht – so lautet eine der wichtigsten Lektionen der Pandemie. Im Interesse der Menschheit sollte die Welt gemeinsam, solidarisch und im Rahmen globaler politischer Institutionen nach einem Impfstoff und nach Medikamenten suchen, die entlang von Bedarfen produziert und verteilt werden. Die Geschichte jeder Epidemie ist auch eine Geschichte des Zusammenspiels von Wissen, Macht und Politik. So verharmlosen einige Regierungen die Gefahr durch das Virus und gefährden damit Tausende Menschenleben. Andere versuchen sich Masken, Diagnostika oder in Entwicklung befindliche Impfstoffe exklusiv zu sichern. Und die Pharmaindustrie stellt ihre Gewinninteressen ins Zentrum. Zugleich bauen philantrokapitalistische Akteure ihren Einfluss aus – zulasten demokratischer Prinzipien und Normen.

Um Covid-19 tatsächlich erfolgreich entgegentreten zu können, müssen die Regierungen der Welt die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Forschung transparent erfolgt und medizinisches Wissen und seine Endprodukte als Gemeingut der Menschheit betrachtet werden. Dies ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, Medikamente zur Behandlung von Covid-19 und einen Impfstoff mit der gebotenen Sorgfalt zu entwickeln, flächendeckend zu produzieren und gerecht verteilen zu können.

Doch auch jene Regierungen, die versprechen, die Gesundheit gegen Profitinteressen verteidigen zu wollen, weigern sich, eines der größten globalen Hindernisse bei der Versorgung der Menschen mit lebensrettenden Medikamenten zu beseitigen: das globale Patentsystem. Das Patentsystem hat die Wissens­produktion im medizinischen Bereich auf Gewinnmaximierung ausgerichtet und nicht auf die Erforschung und Entwicklung lebensrettender Medikamente und deren gerechte Verteilung.

Diese globale Ungerechtigkeit wird vor allem dort sichtbar, wo Menschen unentbehrliche Medikamente nicht bezahlen können. Die tödliche Wucht dieses Systems trifft besonders schwer diejenigen, die aufgrund ihrer Herkunft und ihres Einkommens an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die Zonen des Ausschlusses reichen von Flüchtlingslagern über städtische Armenviertel überall auf der Welt bis zu ganzen Ländern.

Trotz des medizinischen Fortschritts und der Verfügbarkeit von Medikamenten sterben jedes Jahr Millionen Menschen an Krankheiten wie Tuberkulose, Diabetes oder Malaria. Die WHO schätzt, dass ein Drittel aller Patient*innen weltweit aufgrund hoher Preise und anderer struktureller Hindernisse keinen Zugang zu dringend benötigten Medikamenten hat. Nur ein Bruchteil medizinischer Forschung befasst sich mit den Gesundheitsproblemen, die weltweit Millionen von marginalisierten Menschen betreffen. Die Pharmaindustrie erforscht und entwickelt vor allem Medikamente, die hohe Gewinne in lukrativen Märkten versprechen. Das Patentsystem sorgt dafür, dass auch jene Medikamente hochpreisig gehalten werden, deren Entwicklung auf öffentlich finanzierter Forschung basiert. Dies ist eine folgenschwere Form der Privatisierung, die zudem verschleiert, dass die öffentliche Finanzierung von Forschung volkswirtschaftlich günstiger wäre als ihre Re­finanzierung über Patente und hohe Preise. Die Überwindung dieser ungerechten Strukturen ist ein Vorgriff auf eine Zukunft, in der die Daseinsvorsorge vom Markt- und Profitprinzip befreit ist.

Jetzt ist der Moment gekommen, diesen grundlegenden Politikwechsel durchzusetzen. Wir fordern von unseren Regierungen eine an den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen ausgerichtete Politik, die Arzneimittel als globale öffentliche Güter behandelt und die Macht von Pharmaunternehmen im öffentlichen Interesse begrenzt. Hierfür sind die Entkoppelung von Forschungskosten und Preis bei Medikamenten unabdingbar. Den Rahmen für diesen grundlegenden Politikwechsel böte die sofortige Einführung eines durch die Weltgesundheitsorganisation zu verhandelnden internationalen Vertrages, in dem sich Regierungen zur koordinierten Forschung und Entwicklung für neue unentbehrliche Medikamente, Diagnostika und Impfstoffe bekennen.

BUKO Pharma-Kampagne, medico international, Outras Palavras, People’s Health Movement und
Society for International Development