Wie sich María Rosa bewegt, dich mit ihrem Tanz provoziert. Sie erwartet, dass du ihr einen spendierst. So ein leichtes Mädchen ist sie, eines mit locker sitzendem Höschen. Wenn du sie nicht mit ins Hotel nimmst, wird sie sauer, das kannst du dir gar nicht vorstellen. María Rosa sitzt das Höschen locker, was für ein Genuss, sie gibt dir alles und es ist ihr egal, was die Leute sagen. So leicht ist es mit María Rosa.“ So lauten die Anfangszeilen einer Cumbia Villera der Gruppe Yerba Brava, die natürlich eine Menge Fragen aufwerfen. In welchem Kontext sind solche direkten sexuellen Aufforderungen populär geworden? Weshalb werden diese Lieder von Frauen akzeptiert, in deren sozialer Schicht noch keine Emanzipation erreicht worden ist, sondern Sittsamkeit nach wie vor wesentlich für die Ehre der Frau ist? Selten sind wir als Soziologen einer solchen Buchstäblichkeit begegnet, die – unabhängig von dem, was sie in ihren Kreisen bedeutet – unsere eigenen Werte, die der Klassen-, Geschlechter- und ethnischen Emanzipation verpflichtet sind, derart beleidigt. Um diesem Phänomen weiter auf den Grund zu gehen, versuchen wir, ausgehend von einer Gender-Perspektive, den hier abgebildeten Kampf zwischen den Geschlechtern zu verstehen.
Die Cumbia Villera besingt die städtische Gewalt, Drogen- und Alkoholmissbrauch und Polizeiwillkür. Die Lieder sind Alltagschroniken der Armen in den Villas Miserias, den Elendsvierteln von Groß-Buenos Aires. Das wird sowohl in den Titeln der Lieder als auch in den Namen der Gruppen deutlich. Los Pibes Chorros (Die Diebe), Flor de Piedra (als piedra, Stein, werden auch Kokain-Kristalle bezeichnet), Yerba Brava (Marihuana), El Punga (Der Dieb) und andere singen „Das Lied des Bullen“, „Finger am Abzug“, „Tumberos“ (Knackis), „Ich will Vitamine“ (Kokain), „Trottoircowboys“, „Zwischen vier Mauern“ (im Knast). Wir wollen zunächst die Texte der Cumbia Villera genauer untersuchen und dann die kognitiven und emotionalen Reaktionen darauf, wie sie in Interviews mit Fans dieser Musik zum Ausdruck kommen.
In dem eingangs zitierten Lied erzählt ein offensichtlich heterosexueller Mann von einer Frau, die die Männer sexuell erregt. Die Sexualität wird aus der Sicht des Mannes beschrieben. Die Sicht der Frau, der es ja auch darum gehen könnte, sich auszudrücken oder andere Frauen zu erregen, bleibt ausgeblendet. Der einzige Platz, den dieses Lied der Frau gewährt, ist Sexobjekt des Mannes zu sein. In der Mehrzahl der Cumbia-Villera-Texte sind die Wünsche der Frau unsichtbar, werden unterdrückt und einzig und allein vom Mann definiert. Der Text legt die Frau eindimensional auf das Interesse an flüchtigem Sex fest; andere Interessen, wie z.B. das Tanzen zu genießen oder eine Beziehung zu suchen, werden ignoriert. Auch wenn sie weiß, dass ihr Ansehen unter den Freundinnen und ihr Wert auf dem Heiratsmarkt damit geschmälert werden, gibt sich María Rosa den Männern hin; ihr Ruf ist ihr egal. Sich hingeben, entregarse, bedeutet darüber hinaus im argentinischen Spanisch Analverkehr, also Sex ohne Zeugung. Das macht ihre Haltung noch negativer und sie selbst zu einer leicht zu habenden Sexbesessenen.
Ein weiteres Element ist die Reduzierung der Frau auf ein Stück Unterwäsche, womit sie vollends verdinglicht wird. Das Höschen ist die Metapher für die Körperöffnungen, in die der Mann eindringen will beim erlaubten vaginalen ebenso wie beim unerlaubten analen Koitus. In den sozialen Schichten, in denen die Cumbia Villera so beliebt ist, gibt es aber auch die tugendhafte Frau, das genaue Gegenteil von María Rosa mit dem locker sitzenden Höschen. Damit werden aber auch die männlichen Absichten paradox: Indem er hinter dem leichten Mädchen her ist, entwertet er sich als Eroberer der Gefühle. Wie selten zuvor in der argentinischen Volksmusik sind die Texte der Cumbia Villera direkt, aggressiv, frauenfeindlich, kurz „symbolischer Terrorismus.“
Eine gründlichere Interpretation muss aber auch Fragen stellen wie: Wer genießt da eigentlich? Und wenn es am Ende María Rosa selbst ist? Diese gewagte Interpretation wird von anderen Texten unterstützt. So heißt es in dem Lied „Man sieht deinen Tanga“ der Gruppe Damas Gratis: „Du tanzt im Minirock, da muss ich lachen. Weil man deinen Tanga sieht und du nicht warten kannst. Man nimmt dich an der Hand und bringt dich in ein Hotel. Du machst es nicht für Geld, sondern aus Vergnügen. Laura, immer wenn du tanzt, sieht man deinen Tanga. Und wie schnell du bist, wie schnell du deinen Tanga ausziehst. Du lässt dein Höschen runter. Und du machst es von vorne und von hinten, von vorne und von hinten.“ Da ist es wieder, das Bild vom leichten Mädchen, das nicht warten kann. Und hier ist ganz klar, dass sie es ist, die nicht warten kann. Sie ist nicht nur aktiv, sondern ihr einziges Motiv ist die Lust, und das auch noch umsonst. Hier beschreibt die männliche Stimme nicht ein passives Objekt, sondern eine Potenz. Das „da muss ich lachen“ deutet wahrscheinlich auf den männlichen Versuch hin, diesen Schlag wegzustecken und den Schein von Kontrolle zu wahren.
Eine Sache sind die Frauen, die auf ihre Unterhosen reduziert werden, und eine ganz andere die Frauen, die den herrschaftlich gewährten Platz als Sexualobjekt nicht einnehmen, sondern sich auflehnen, i h r e n Genuss wollen. Ein anderes als das männliche Frauenbild erscheint auch in den Liedern der Frauen-Bands. Die Gruppe La Piba besingt ihre Vorliebe für die flüchtige Beziehung, also für etwas, das historisch Privileg der Männer war. Sie singen zum Beispiel: „Und das hier ist für alle Mädels, die sich nicht festlegen wollen, die Abwechslung wollen. Du wirst doch nicht etwa heiraten wollen?“ Oder: „Mama, da läuft nichts. Das ist nur so was Flüchtiges. Hey Alter, du glaubst doch nicht, dass wir uns verloben.“ Auch der Gegensatz zwischen Mutter und Tochter, zwischen Verlobung und One-Night-Stand zeigt die aktive Rolle der Frau. In anderen Liedern besaufen sich Frauen, stehlen, handeln mit Drogen, machen also das Gleiche wie die Männer, erleben insofern eine Vermännlichung. Indem die Frauen zeigen, dass sie genauso männlich sein können, wenn es um Kriminalität und Vergnügen geht, fordern sie eine Macht ein, von der sie bislang ausgeschlossen waren. Und das jagt den Männern den Schreck in die Knochen, ihre Vorherrschaft zu verlieren, es mit einer Weiblichkeit zu tun zu bekommen, die ihrer Kontrolle entgleitet.
Der Prozess, in dem die Frauen aktiv werden und sich ein neues Machtverhältnis herausbildet, wird noch sichtbarer in den Interviews, die wir mit Cumbia-Villera-Fans geführt haben. Mit dieser noch laufenden Untersuchung soll überprüft werden, ob hinter der aggressiven Frauenfeindlichkeit tatsächlich der Konflikt steckt, der durch die Aktivierung der Frauen hervorgerufen wird. In einer analogen Untersuchung über die Texte von Salsa-Liedern haben junge Frauen auf die Fragen der Forscherin Frances Aparicio[fn]Listening to Salsa, Gender, Latin Popular Music, and Puerto Rican Cultures, Wesleyan University Press 1998[/fn] fast übereinstimmend geantwortet: „Wenn wir tanzen gehen, singen wir zum Vergnügen mit. Aber im Grunde machen uns diese Texte total wütend, weil sie über alle Frauen schlecht reden.“ Ganz ähnlich werden von den Frauen, die wir befragt haben, die Texte der Cumbia Villera abgelehnt, weil sie ihre Würde verletzten, sie erniedrigten, sie ärgerten und beleidigten und nur peinlich seien. Die Ablehnung geht Hand in Hand mit einer relativen Akzeptanz. Diese zweite Dimension im Umgang der Frauen mit den Liedtexten nimmt verschiedene Formen an. Eine davon besteht darin, den Texten zu unterstellen, dass sie nicht ganz ernst gemeint seien. Werden die Texte abseits der Spielerei auf dem Tanzboden gehört, sind sie beleidigend, machen wütend, erklären die interviewten jungen Frauen, geht jedoch das Tanzen los, lassen sie sich auf den Arm nehmen: Das sei doch nur Spaß.
Wenn die Frauen das ungute Gefühl beim Hören solcher Texte vermeiden wollten, müssten sie dem Tanzsaal fernbleiben und nur romantische Cumbias hören. So aber schlucken sie die Kröte, indem sie aus der Beleidigung einen Witz machen. Eine andere Art des Umgangs mit dem Sexismus der Cumbia Villera besteht darin, die Wut in Scham zu verwandeln. Mariana, eine der befragten Frauen, sagt: „Die Texte sind der Terror. Man schämt sich. ‚Schwanzlecken’ und diese ganzen Sachen, ich will da gar nichts mehr sagen, weil es mir peinlich ist.“ Sie fühlt sich gar nicht persönlich angegriffen, sondern findet, dass die Moral verletzt wird, dass die Texte die Grenzen des Erlaubten überschreiten. Lorena, eine weitere Interviewpartnerin, meint diesbezüglich: „Das ist nicht zum Hören, das ist zum Tanzen.“
Hier wird auch die Dichotomie zwischen Tanzen und Hören deutlich. Das selektive Hören erlaubt es den Frauen, die erniedrigenden Elemente der Cumbia Villera, die Texte, auszublenden und die musikalischen Aspekte, den Rhythmus und das Arrangement, zu betonen. So entkommen sie der ideologischen Zwickmühle. Die bereits zitierte Frances Aparicio beschreibt diese Strategie, bezogen auf die frauenfeindlichen Texte der Salsa, folgendermaßen: „Mit der Unterscheidung zwischen Musik und Text wählen die Konsumentinnen strategisch zwischen den Formen und den sozialen Kontexten des Hörens und des Tanzens und so können sie tanzen und mitsingen und gleichzeitig abseits des Festes die Texte analysieren und ablehnen.“ Die Frauen nehmen den Widerspruch wahr und überwinden ihn, indem sie ihre Identität aufspalten. So sagt Lorena: „Die Mädels tanzen am liebsten Villera. Die Cumbia Norteña ist mehr zum Hören. Zur Villera kommen wir vor allem wegen der Jungs.“ Auf der einen Seite hören die Frauen zu Hause am liebsten Cumbia Norteña, weil sie sich mit deren romantischen Themen identifizieren können, auf der anderen Seite zieht sie die Cumbia Villera an, denn die wird getanzt und dabei kann man Männer kennenlernen. So müssen diese Frauen ihre Identität aufspalten, für einen Moment die Frau von der Tänzerin trennen. Um als Frau mit Männern in Kontakt zu kommen, muss sie sich in ein Szenario begeben, in dem sie als Nutte definiert, auf ihren Hintern reduziert, als sexuell aktiv, leicht zu haben und lasterhaft betrachtet wird.
Während Lorena und Marina ihren eigenen taktischen Umgang mit der Cumbia Villera beschreiben, sprechen sie von anderen Tänzerinnen, die mit extrem kurzen Miniröcken auflaufen, gerne ihre Höschen zeigen und „verrückt“ sind. Demnach gibt es weibliche Fans der Cumbia Villera, die die Texte nicht mit knirschenden Zähnen akzeptieren, sondern sie genießen. Fernanda, eine weitere Interviewpartnerin, geht bei den Fragen zu den Liedtexten weiter: „Ich benutze die Cumbia Villera zum Tanzen. Die Texte gefallen mir nicht, wenn es heißt, wir sollen die Minitangas zeigen. Na ja, zum Tanzen schon, aber danach nicht mehr.“ Fernanda positioniert sich hier als eine Persönlichkeit, die bereit ist, einen Teil ihres nackten Körpers auf dem Tanzboden zu zeigen, es aber nicht hinnimmt, dass sie deshalb als Nutte identifiziert wird. Auch wenn sie etwas macht, was leichte Mädchen machen, ist sie keines.
Fernanda ist sich bewusst, dass sie, indem sie den Tanz genießt, eine Botschaft sendet, die sie als beleidigend erkennt. Denselben Widerspruch bringt Samanta zum Ausdruck, wenn sie auf die Frage, was sie denn beim Hören dieser Texte fühlt, antwortet: „Ich weiß nicht.“ In ihrem inneren Dialog hat die eine Samanta Gründe für das, was sie denkt, und die andere Gründe für das, was sie tut. Die Spannung bleibt bestehen, es gibt keine Lösung. Ähnlich Ana: „Die Texte der Cumbia Villera sind ganz anders als die der Norteña. Die Norteña besingt die Liebe, ist romantisch, spricht von Liebeskummer, dass er mich verlassen hat, dass ich ihn verlassen habe. Dagegen handelt die Villera davon, dass wir den Hintern bewegen, die Höschen runterlassen.“ Und wieder: „Die Villera ist zum Tanzen. Die Norteña hört man zu Hause.“ So wie zwischen Tanzen und Zuhören unterschieden wird, wird ein Unterschied zwischen Liebe und Sex gemacht.
Ana führt ein weiteres Argument ins Feld. „Vielleicht spielen sie die Cumbia Villera aus kommerziellen Gründen und nicht, weil sie ihnen gefällt. Viele der Jungs zum Beispiel von der Gruppe Supermerk2, die Cumbia Villera spielt, hören selbst keine Cumbia Villera.“ Und sie vertritt auch die Meinung, dass „die Texte der Cumbia Villera die Wirklichkeit beschreiben, denn die Mehrheit der Mädels sind Nutten – außer uns. Wir sind dezente Mädels, aber die meisten schmeißen sich da ran. Das sind die berühmten Groupies.“ Weil Ana aber selbst ein Groupie ist, zum Beispiel von Supermerk2, müssen sie und andere ihr Verhalten rationalisieren, indem sie zwischen Insider-Groupies und außenstehenden Groupies unterscheiden. Ana und ihre Freundinnen definieren sich als „ruhige Groupies“, die die Musiker von außen bewundern, denen „ein einfaches Lächeln“ genügt, um ihre romantischen Wünsche zu befriedigen.
Die Insider-Groupies sind dagegen genau die leichten Mädchen, die in den Texten der Cumbia Villera beschrieben werden. Sie sind auf Sex mit ihren Idolen aus. Anas Freundin Julia beschreibt, was sie unter ruhigen Groupies versteht: „Wir folgen verschiedenen Gruppen, aber von außen, ohne ‘was zu tun. Es gibt andere, die steigen auf die Bühne und wir wissen schon, was dann passiert. Die treiben es dann eine nach der anderen mit jedem Bandmitglied und dann geht es weiter zur nächsten Band. So geht das jede Nacht. Es geht ihnen gut. Uns geht es auch gut, aber auf unsere Art. Wir sterben für ein einfaches Lächeln. Sonst nichts.“ Elena schlussfolgert, dass sie und ihre Freundinnen, die sich in den Texten der Cumbia Villera nicht wiederfinden, sich daran auch nicht stören, denn damit sind ja andere gemeint. Und weshalb sollten die Texter die Mädels nicht als Huren beschreiben, wenn sie es doch sind? Carolina ist anderer Meinung: „Ich finde das schlecht. Weshalb müssen die uns angreifen.“
Flavia zählt ebenfalls zu den Frauen, die die Villera-Texte als Angriff auf a l l e Frauen empfindet. „Damas Gratis, Pibes Chorros, Supermerk2 zum Beispiel erniedrigen die Frauen. Die überschreiten die Grenzen mit ihren Texten. Da fühle ich mich schlecht. So was tanzt man, aber sobald du so was zu Hause in Ruhe hösrst, merkst du, dass du dich damit als Frau selbst umbringst. OK, der Rhythmus geht in die Beine, aber wenn du mal auf die Texte achtest, würdest du dich am liebsten umbringen.“ Wieder finden wir in den Kommentaren dieser Gruppe von Interviewten die Gegensätze Tanzen/Hören, öffentlicher Tanzsaal/privates Zuhause, Vergnügen/Entspannung. Wenn Liliana sagt „…und außerdem gehen wir da hin, um die Jungs zu sehen“, und Noelia bestätigt, dass „viele von denen wirklich toll sind“, dann wird die Frauenfeindlichkeit der Texte nicht nur, wie wir bereits gesehen haben, durch die Musik relativiert, sondern auch durch die Interpreten, die in Wirklichkeit gar nicht sagen, was sie zu sagen scheinen, und wenn, dann auf jeden Fall im Spaß.
Unsere Feldforschung zu Cumbia-Villera-Tänzerinnen hat eine weitere Dimension der Beziehung zwischen Musik und Identität offenbart: Bestimmte Identitäten werden nur virtuell ausgelebt, finden aber nie Eingang in das tägliche Leben. In diesem Sinn interpretieren wir einige Aussagen unserer Interviewpartnerinnen dahingehend, dass sie die Identitäten, die die Cumbia Villera anbietet, akzeptieren, aber eben nur als virtuelle Möglichkeit, die auf der Tanzfläche spielerisch ausgelebt werden kann. Manche Frauen erlauben sich also, bei Musik und Tanz eine Identität als Hure auszuprobieren, die sie im alltäglichen Leben nie und nimmer akzeptieren würden. Andere akzeptieren auch nicht im virtuellen Feld, was sie im Alltag nicht hinnehmen, sondern identifizieren sich nur mit bestimmten Teilen eines Liedes.
Malvina Silba, Soziologin beim Nationalen Rat für Wissenschaftliche und Technische Forschung (CONICET), vertritt die Auffassung, dass die Frau in der Cumbia Villera sich selbst als Frau, ihren Körper, ihre Anatomie, ihre Bewegungen und ihre Unnahbarkeit feiert. Jenseits des zerstückelnden Blickes der Männer rekonstruieren sich die Frauen im Tanz als ganze, wobei die Feier ihrer Unnahbarkeit ihnen jenen Anteil an Macht zurück gibt, den der männliche Diskurs ihnen nehmen will. Wenn das so ist, dann schreitet die Identifizierung fort zu einer radikalen Art, die Texte der Cumbia Villera „als Frauen zu hören“. Die Tänzerinnen konzentrieren sich dann auf einige Verse, die ihnen die Möglichkeit geben, ihre Weiblichkeit zu feiern, verwerfen jene, die sie als Huren beschreiben, und vergessen wieder andere schlicht. Die Frauen, die die Angebote der Cumbia Villera teils ablehnen, teils annehmen oder neu verhandeln, praktizieren eine besondere Form der „produktiven Lust“, wie es Frances Aparicio in Bezug auf die Salsa nennt: „Das Gefühl einer produktiven Lust, die die Frauen genießen, wenn sie ihre Art des Hörens praktizieren, erlaubt es ihnen, der Salsa einen befreienden Sinn zu geben, erlaubt es den Frauen in Lateinamerika, mit den Männern, mit denen sie leben, Machtverhältnisse auszuhandeln.“ In diesem Sinn verwandeln auch die Frauen, die wir interviewt haben, die ursprünglich frauenfeindlichen Texte in produktive Momente ihres Alltags.