Im Workshop medizinische Versorgung betonte Dr. Gisela Penteker (IPPNW/PICUM) in ihrem Einführungsreferat, dass es das „Problem“ der Menschen ohne Papiere in allen europäischen Ländern gebe. „In Italien und in den Niederlanden z.B. wurden vom Gesetzgeber Wege gefunden, wie die medizinische Versorgung für PatientInnen und BehandlerInnen gleichermaßen gefahrlos und mit öffentlichen Mitteln gewährleistet werden kann.“ Die deutsche Regierung hingegen betätige sich auf EU-Ebene häufig als Scharfmacherin und sorge dafür, dass besonders restriktive und menschenverachtende Lösungen zum EU-Standard werden. Die TeilnehmerInnen dieses Workshops forderten die Stadt Bonn auf, ihrer menschenrechtlich und humanitär begründeten Verpflichtung nachzukommen und eine ausreichende Gesundheitsversorgung für illegalisierte Menschen sowie die Finanzierung der vorgeschriebenen Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen für die Kinder sicherzustellen indem sie das Sozialamt anweist, anonyme Krankenscheine auszustellen. Des weiteren wurde, analog dem Beispiel der Stadt München, eine kommunale Regelung über die Ausstellung von Geburtsurkunden für die neugeborenen Kinder illegalisierter Eltern gefordert. Die meisten Standesämter prüfen den Aufenthaltsstatus und informieren das Ausländeramt. Um dieses Risiko zu vermeiden, verzichten die Eltern oft auf eine Geburtsurkunde. Das Kind ist damit nicht nur ohne Aufenthaltsstatus, bürokratisch betrachtet existiert es nicht.
Im Workshop Zugang zu Bildungseinrichtungen betonte Heiko Kauffmann (Pro Asyl/Aktion Courage): „Alle Kinder, auch Kinder ohne deutschen Pass, müssen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung erhalten ohne dass sie und ihre Eltern mit Abschiebung oder sonstigen Sanktionen rechnen müssen.“ Die Stadt Bonn wurde aufgefordert, die Kinder illegalisierter Menschen bei der Wahrnehmung ihres Grundrechts auf Bildung zu unterstützen. Das an alle Träger von Tageseinrichtungen für Kinder in Bonn gerichtete Schreiben des Amts für Kinder, Jugend und Familie vom 28. April 2005, das zur Denunziation illegalisierter Kinder aufforderte, möge die Stadt umgehend zurückziehen und die Träger von Kindergärten und Schulen informieren, dass sie nicht verpflichtet sind, Nachweise zum aufenthaltsrechtlichen Status der Kinder zu verlangen (www.medinetzbonn.de, Solidarität mit Kindern ohne Aufenthaltsstatus).
Im Workshop Rechtssicherheit für humanitär motivierte Helfer informierte die Rechtsanwältin Barbara Pitzen über das Aufenthaltsgesetz. Es sieht die Strafbarkeit von Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt für alle Personen vor, die Menschen ohne Papiere unterstützen, unabhängig von den Motiven der Unterstützung. Damit schwebt das Damoklesschwert eines Ermittlungsverfahrens oder gar einer Bestrafung auch über Menschen, die sich aus humanitären Gründen für Menschen ohne Papiere engagieren. Die Stadt Bonn wurde aufgefordert, evtl. auch unter Einschaltung des Deutschen Städtetags, bei den zuständigen gesetzgebenden Instanzen darauf zu drängen, im Wege einer Gesetzesänderung oder einer entsprechenden Durchführungsverordnung humanitär begründete Hilfe für Menschen ohne Papiere von der Strafbarkeit auszunehmen.
Zur Umsetzung der Resolutionen der einzelnen Workshops beschlossen alle TeilnehmerInnen des Kongresses einstimmig: „Von der Stadt Bonn fordern wir, die Einrichtung eines Runden Tisches zu unterstützen. Er soll die konkrete Hilfe für Menschen ohne Papiere, wie sie auf dem heutigen Kongress diskutiert und beschlossen wurde, voranbringen und koordinieren.“ Albrecht Kieser von „kein mensch ist illegal“ Köln moderierte eine dichte und spannende Veranstaltung mit einigen eindrucksvollen Redebeiträgen. In einem sehenswerten kulturellen Rahmenprogramm wurden die Benefiz-Ausstellung von Silke Putz1 und der ausgezeichnete Kurzfilm „Paloma“ von Simon J. Paetau2 gezeigt.
Es ist zu hoffen, dass der Kongress nicht nur eine gute Veranstaltung war, sondern auch in der Lokalpolitik Wirkung zeigen wird und die geforderte Unterstützung für den Runden Tisch nicht auf die lange Bank geschoben wird. Sicher ist, dass die veranstaltenden Gruppen die Situation der Menschen ohne Papiere weiter thematisieren und auf Veränderungen drängen werden.
Die VeranstalterInnen planen eine Dokumentation des Kongresses. Sobald diese erscheint, werden wir in der ila darauf hinweisen.