Eine Offenbarung für alles, was mich als Frau ausmachte, war diese Epoche“, findet eine andere Frau, die ihren Namen nicht gedruckt sehen möchte, „es war eine Entdeckung meiner Fähigkeiten, wie ich sie nutzen und entwickeln konnte.“ Und Margarita Cordero, die 20 Jahre danach die Berichte zahlreicher Mitkämpferinnen in einem Buch dokumentierte, glaubt generell, dass die Frauenbeteiligung am Aprilaufstand „eine Transformation unserer Sicht über uns selbst und die der Männer über uns auslöste“.
Die Beteiligung an der Verteidigung des Aufstandes der konstitutionellen Militärs hat alle Frauen gezeichnet: Emma Távarez, die mittlerweile verstorbene Schwester des 1J4-Gründers Manolo; Brunilda Amaral, die Monate nach dem Ende des Aufstandes von Polizisten bei Studentenprotesten so schwer verletzt wurde, dass sie heute im Rollstuhl sitzt; Hilda Gautreaux, die immer wieder öffentlich Zeugnis über ihre Erfahrungen ablegt; Cristina Díaz, die Kommandantin eines Bezirks in der befreiten Zone wurde; Piky Lora, gestorben, die als einzige Frau zur Guerilla des 1J4 und zu dessen Militärkommando gehörte; Aniana Vargas, die revolutionäre Legende der Bewegung, die im Dezember 2003 starb und trotz ihrer schweren Krebserkrankung über Jahrzehnte mit den Bauern gegen die umweltzerstörerischen Begehrlichkeiten einer Bergwerksfirma kämpfte; Somnia Vargas, die Ausbilderin an der Militärakademie – um nur ein paar wenige, herausragende Frauen zu nennen.
„Wir sind Ausnahmen gewesen“, glaubt Magaly Pineda im Nachhinein. Die kleine, untersetzte Frau mit den lebhaften, fast schalkhaften Augen versinkt beinahe in der Sitzgarnitur auf ihrer Veranda. Die Gründerin des Centro de Investigación para la Accion Feminina (CIPAF) war wenige Monate vor den Aprilereignissen aus Puerto Rico gekommen, wo sie Soziologie und Politologie studiert hatte und in der dortigen Unabhängigkeitsbewegung aktiv gewesen war. „Ich war die einzige Frau im Direktorium des Studentenverbandes.“ Ihre Mutter war noch unter Trujillo ins Exil gegangen. „Ich war in Puerto Rico ein relativ selbständiges und selbstbewusstes Leben gewohnt. Ich ging alleine aus, diskutierte mit Männern. Ich glaubte an die freie Liebe, wie sie Alejandra Kolontai vertreten hatte. Und ich erhob meine Stimme“, beschreibt sie die Grundstimmung am Vorabend des Aprils. „Alles zusammen gefiel einigen in der Partei nicht.“ Sie sei nicht im klassischen Sinne Feministin gewesen, aber so selbstbewusst, dass sie ihren Platz eingefordert habe, erzählt Magaly, die noch am Abend des 24. April mit ihrer Freundin Sagrada Bujosa loszog, um die Forderung „Waffen für das Volk“ auf die Häuserwände zu sprühen. „Unser Aufruhr war der historischen Stunde geschuldet. Aber die Erfahrung hat uns geprägt“, meint die dreifache Großmutter. Sie hatte damals ein Verhältnis mit einem der führenden Genossen der 1J4, wofür sie sich vor der Organisation rechtfertigen musste – „nicht er“. „Ich ließ mir nichts gefallen.“ Trotz der Unsicherheit der Situation wurde sie schwanger und heiratete. „Wir leben heute noch zusammen, weil wir uns gegenseitig respektieren. Auch in den Unterschiedlichkeiten.“
„Mein Leben veränderte sich vollständig“, sagt Magalys Kampfgefährtin Sagrada Bujosa. „Ich ging an jenem Tag aus dem Haus und kehrte nie wieder zurück. Ich lebte kämpfend auf der Straße.“ Mit 13 Jahren begann sie schon gegen Trujillo zu kämpfen, ihr Bruder saß im Knast, die Mutter, die dem Zentralkomitee der 1J4 angehörte, wurde mehrmals verhaftet. „In unserer Wohnung sind die Uniformen für die Genossen genäht worden, die 1963 in die Berge gingen. Ich war mit meinen 15 Jahren damals als Botin zwischen den Zellen eingesetzt.“ Die Kommunikationswissenschaftlerin erzählt, wie sie mit anderen Frauen lernte, Molotowcocktails vorzubereiten, Sprengsätze zu bauen, Waffen blind auseinander zu nehmen und wieder zusammenzusetzen. „Die Erfahrungen des April waren für mich die Basis meiner späteren Aktivitäten innerhalb der Frauenbewegung“, sagt Bujosa. Mit ihrem Mut und Einsatz hätten sich die Frauen „Anerkennung und Respekt der Männer erobert, aber dahinter verschwand, dass wir gleichzeitig gekocht, gewaschen und gebügelt haben. Damit keine Missverständnisse entstehen“, fügt die zierliche Frau hinzu, „Waschen und Bügeln war revolutionär, daran gibt es keinen Zweifel“, sagt sie im Blick zurück. „Unser damaliges Anliegen war allerdings nicht die Befreiung der Frauen, sondern der antiimperialistische Kampf.“ Heute würde sie sich allerdings nicht mehr an einem bewaffneten Aufstand beteiligen. „Was alles passiert ist und was wir gemacht haben, das rechtfertigt auch das Ziel nicht“, sagt sie entschieden, ohne von ihrer Vergangenheit abzurücken. Dass sie in China und Cuba militärisch ausgebildet und geschult wurde, daraus macht sie keinen Hehl.
Als der Kampf im September dann beendet gewesen sei, sei die Mehrzahl der Frauen wieder ins Private zurückgekehrt. „Ich konnte nicht mehr in die ‚Normalität’ zurück. Wir hatten gelernt, wozu wir in der Lage waren“, formuliert Bujosa ähnlich wie Magaly Pineda, mit der sie später in CIPAF zusammenarbeitete. Bujosas damaliger Lebensgefährte wurde in den siebziger Jahren erschossen. Die Gruppe hatte versucht den bewaffneten Kampf gegen den autokratischen Regenten der Dominikanischen Republik, Joaquín Balaguer, in die Städte zu tragen. Bujosa blieb bis Ende der siebziger Jahre, was im klassischen Sinne „politisch aktiv“ genannt wird. „Damals war ich schon Mitglied der Federación de Mujeres Dominicanas. Allerdings hatte die Föderation Dominikanischer Frauen keine Gender-Perspektive. Es war wie bei einem Schuh, in den wir geschlüpft waren und mit dem wir uns auf neuem Boden bewegten“, beschreibt Bujosa blumig die Entwicklung von einigen Frauen ihrer Generation. „Die Aprilrevolution war der Anstoß für unsere spätere Beteiligung in der Frauenbewegung, sie war wie ein Vorzimmer, das wir erst danach betreten haben.“
Auch CIPAF-Mitgründerin Pineda fand nach Zwischenstationen in maoistischen Gruppierungen zum Feminismus. Ihr Mann saß für fünf Jahre im Knast. „Und ich hatte endlich Zeit mich um meine Interessen zu kümmern.“ Sie gründete eine alternative Schule, in der beim Fahnenappell nicht mehr zur Nationalhymne am Morgen stramm gestanden werden musste, wo die Kinder lernen sollten zu denken und nicht zu gehorchen. Magaly Pineda begann die Bücher der US-Feministinnen zu lesen, weil ihr ein Journalist gesagt hatte, sie werde sich darin wiederfinden. „Im Widerspruch zu den machistischen Parteien entwickelte sich meine feministische Position. Aber die Bücher haben mir geholfen sie zu formulieren und weiter auszuarbeiten.“ Pineda begann unter Pseudonym Beiträge in einer der dominikanischen Abendzeitungen zu publizieren, bot als Soziologiedozentin in der Freien Universität von Santo Domingo, der Universidad Autónoma de Santo Domingo (UASD), Vorlesungen über Feminismus und Frauenbefreiung an. „Ich saß in Magalys Vorlesungen“, erzählt Nelsy Aldebot. Die heutige Englischprofessorin an der Autonomen Universität von Santo Domingo und Reiki-Meisterin gehört zu den Gründerinnen der Frauenbewegung aus den unruhigen und studentenbewegten siebziger Jahren. Nelsy Aldebot ging mit ihren Eltern nach New York, studierte, wurde aktiv in der Solidaritätsarbeit mit den politisch Verfolgten in ihrer Heimat und Mitglied der dominikanischen Volksbewegung. In ihrem Marxismusstudienkreis lasen die Mitglieder Engels und irgendwann „brachten wir unsere Ideen auf einen sehr knappen Nenner: Alle Sozialisten müssen auch feministisch sein – zum Schrecken vieler Genossen.“
Die Konflikte waren vorprogrammiert. „Wir wollten nicht mehr die Frauenarbeit für die Parteien machen, denn das hieß nur, Frauen für die politischen Ziele zu funktionalisieren. Die Parteichefs interessierten sich nicht wirklich für die Lage der Frauen.“ Der Bruch kam dann endgültig mit dem Lateinamerikanischen Feministischen Kongress in Bogotá. „Faktisch wurde ich wegen meiner Kritik am Machismus in der Partei ausgeschlossen.“ Die Mutter von zwei Töchtern, von denen eine inzwischen auch schon Mutter geworden ist, lernte Aniana Vargas kennen, eine Legende der Aprilrevolution, die im Dezember 2003 an Krebs starb. „Sie war Ende der 70er Jahre schon schwer krank und wir saßen an ihrem Krankenbett und diskutierten.“ Es bildete sich ein „Komitee zum Zusammenschluss der dominikanischen Frauen“. „Natürlich haben die Frauen der Aprilrevolution einen Eindruck bei mir hinterlassen“, lacht die heute 53-Jährige und kramt eine alte Seminararbeit aus ihren Schränken, die sie während einiger Studiensemester in den Niederlanden über die Rolle der Frauen in der Aprilrevolution geschrieben hat. „Ich war ein vierzehnjähriges Mädchen und sah plötzlich Frauen mit einem Gewehr auf den Schultern marschieren. Ich hatte damals kein feministisches Bewusstsein. Aber intuitiv wusste ich, das durchbricht alles, was bisher da war“, sagt Nelsy Aldebot. „Es war wie eine Erleuchtung, eine Inspiration für mein ganzes Leben.“ Als ihre Eltern sie aus der Kampfzone aufs Land brachten, sei sie im Garten des Hauses marschiert. „Ich wollte so sein wie diese Frauen.“ Die Jahre erst haben viele Frauen des April und die damals Heranwachsende zusammengebracht. „Auch wir haben erst unseren Weg durch machistische Organisationen und Parteien gemacht.“
Der Einfluss, den die Frauen des April auf ihre Politisierung hatten, lasse sich nicht „quantifizieren, aber wir fanden uns dann in den Koordinierungstreffen der verschiedenen feministischen und Frauengruppen des Landes wieder“. Die Rolle der Frauen der Aprilrevolution sei es gewesen, so glaubt sie heute, zu zeigen, dass Frauen mehr als nur den Haushalt machen können. „Wir als Feministinnen haben erkannt, dass wir keine Frauenorganisation sein wollten, wie die Politikgruppen das meinten, sondern dass wir uns von der machistischen Bevormundung befreien mussten.“ Wichtig findet Nelsy Aldebot, dass begriffen wird, dass die Frauen Rollen eingenommen haben, „die im Widerspruch zu den patriarchalen Grundvoraussetzungen der dominikanischen Gesellschaftsordnung standen“. Von ihnen sei eine Signalwirkung ausgegangen. „Man kann durchaus in dem damaligen Bruch der sozialen Rolle der Frauen die Geburt des dominikanischen Feminismus sehen“, sagt Nelsy, die 1984 zu den Gründerinnen des Frauengesundheitszentrums Colectiva Mujer y Salud gehörte. „Für mich jedenfalls war es für mein Leben prägend.“
Auch Sergia Galván war von den April-Frauen beeindruckt. „Sie spielten eine Schlüsselrolle beim Entstehen der dominikanischen Frauenbewegung. Ihre Persönlichkeit, ihr Denken und ihr kämpferisches Verhalten haben uns jüngere Frauen motiviert und uns als Beispiel gedient.“, artikuliert die heutige Koordinatorin der Colectiva. „Was die Frauen für die Entwicklung und die Demokratisierung des Landes geleistet haben, ist enorm. Keine hat danach – mit wenigen Ausnahmen – die Arme vor der Brust gekreuzt und nichts mehr gemacht. Ich bewundere ihre persönliche Kraft, ihr Denken und ihr kämpferisches Verhalten.“ Galván lebte weit von der Hauptstadt entfernt. Zehn Jahre war sie am 24. April alt. „Aber ich kann mich noch an die Radiomeldung erinnern, in der die Einnahme der Altstadt durch verfassungstreue Militärs gemeldet wurde. Es war eine Moderatorin und die Stimme ist mir im Bewusstsein geblieben. Damals war eine Frau am Mikrofon eine Sensation.“
Allein die Aufzählung, wo heute diese Frauen des April gesellschaftlich aktiv seien, zeige deren Einfluss, glaubt Galván: Margarita Cordero habe in die Zeitungen und elektronischen Medien einen feministischen Blickwinkel gebracht. Magaly Pineda sitze heute in der UN-Kommission „Jahrtausendprojekt“, eine von 24 Frauen, die daran arbeiteten, in dieser Studie einen Gender-Blickwinkel zu entwickeln; Lourdes Contreras leite das „Zentrum für Gender“ an einer der Universitäten des Landes. Sagrada Bujosa habe bis vor kurzem im Frauenministerium gearbeitet. „Die Frauen des April haben Stereotypen gebrochen und neue Rollen übernommen, für die Beteiligung der Frauen in den Parteien gekämpft, der sozialen Bewegung des Landes Kraft gegeben und der feministischen Bewegung in der Dominikanischen Republik die Grundlagen geschaffen“, versichert Sergia Galván. Und Nelsy Aldebot ergänzt: „Die Saat dieser Frauen ist aufgegangen – auch wenn der Machismus noch immer herrscht.“