Im Ch. Links Verlag ist nun in der mit dem ITB Berlin Award prämierten „besonderen Reiseführer Reihe“ auch ein Zentralamerikaband erschienen. Autor ist der Wiener Journalist Ralf Leonhard, der von 1982 bis 1996 für verschiedene Medien in Zentralamerika tätig war, unter anderem von 1985 bis 1996 für die taz.

Wie zu erwarten und erhofft, geht es in diesem Buch nicht um Tipps für Übernachtungen oder Fährverbindungen und weniger um Essen und Trinken für die Touristinnen, sondern vor allem um die Lebensbedingungen der dort aufgewachsenen und arbeitenden Menschen. Dabei könnten faszinierende Naturlandschaften und ein großes kulturelles Erbe über eine – bis auf Belize – spanisch geprägte, oft blutige Kolonialgeschichte und überwiegend oligarchische Verhältnisse mit einer meist extrem ungleichen Verteilung des regional begrenzten Reichtums hinwegtäuschen. Und so sehr die kleinen Staaten Zentralamerikas von Europa aus als Bananen- oder Kaffeerepubliken wahrgenommen werden könnten, so sehr unterscheiden sie sich doch voneinander. Es liegen Welten zwischen dem gebirgigen Guatemala mit seinen antiken wie lebendigen Zeugen der Mayakultur einerseits und dem tropischen Panama mit seinem Bankenzentrum andererseits. Auch Nachbarn wie Costa Rica und Nicaragua liegen ethnisch, historisch und wirtschaftlich weit auseinander. Ihre historisch gewachsenen Rivalitäten sind heute noch äußerst präsent und spürbar.

Angesichts der auch in der jüngeren Vergangenheit blutgetränkten Berge und Täler scheint ein „unschuldiger Tourismus“ für solidaritätsbewegte Menschen kaum möglich. Das hindert dennoch viele junge Menschen zwischen Schule und Erwachsenwerden, oft die Kinder der alt gewordenen Solidaritätsbewegten, nicht daran, nach Mittelamerika zu reisen, um vor exotischer Kulisse und an phantastischen Stränden massenhaft andere Jugendliche aus ganz Europa zu treffen. Andere wollen mehr über die Region wissen und kommen, um ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Praktikum zu machen.

Wer bereit ist, sich vor einer Reise in diese Länder mit den Lebensbedingungen der Menschen vor Ort und der jüngeren Vergangenheit auseinanderzusetzen, für den hat Ralf Leonhard ein ebenso fundiertes, wie gut zu lesendes Buch geschrieben. Dabei hilft auch die Ländergliederung mit prägnanten Zuschreibungen wie Honduras als Inbegriff der Bananenrepublik, Nicaragua mit einer „verewigten“ Revolution und jetzt einer gelenkten Demokratie, Costa Rica für den Ökotourismus und Wellenreiten, Panama als Mekka für Briefkastenfirmen und Belize als karibische Exklave. Nicht fehlen darf dabei das ewige Projekt eines Nicaraguakanals zwischen den Extremen Wahn oder Erlösung?

Erzählt werden auch die Geschichten und Mythen um die „Helden und Halunken“ wie William Walker, Augusto C. Sandino, Carlos Fonseca und Óscar Arnulfo Romero. In einem weiteren Kapitel wird die Situation der Frauen zwischen extremen Gewaltverhältnissen, rigoroser Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und einer engagierten Frauenbewegung in Nicaragua, El Salvador oder Guatemala beschrieben.
Auch das widersprüchliche Verhältnis der Zentralamerikaner zu den USA, eine über Jahrhunderte aufgebaute Hassliebe, wird in einem eigenen Kapitel thematisiert. Das Recht zur militärischen Intervention hat sich Washington im Falle von Panama sogar vertraglich absichern lassen. Aber auch ohne Vertrag werden Rebellionen oder missliebige Regime in Zentralamerika gern als Bedrohung für die Sicherheit der USA gedeutet. So sind die Nachwirkungen der bewaffneten Übergriffe, die Nicaragua in einen jahrelangen Contrakrieg gezwungen haben, die die Bevölkerungen von El Salvador und Guatemala Hunderttausende Menschenleben gekostet und Honduras in den Flugzeugträger der USA verwandelt haben, heute noch allgegenwärtig.

Aber auch vom deutschen Wesen und Unwesen in Zentralamerika bis zu den Auseinandersetzungen in den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist die Rede. Auch hier kann Leonhard, der viele der geschilderten Ereignisse selbst miterleben durfte oder musste und viele der handelnden Personen kennengelernt und interviewt hat, noch einmal den Verlauf gut zusammenfassen, „mit der Zeit als Zeuge der Wahrheit“.

Viele Leserinnen und Leser der ila waren wahrscheinlich damals in Solidaritätskomitees engagiert, sind zum Brigadeeinsatz nach Nicaragua gereist oder haben zumindest in den Medien den Konflikt verfolgt, der auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges auch in fast jeder Gemeinde und im „Hohen Haus“, im Bundestag, ausgetragen wurde. Für sie und die, die vor oder seit 30 Jahren enger mit den politischen Veränderungen speziell in dieser Region befasst sind, ist es ein gut und kenntnisreich geschriebener „Stand der Dinge“, auch zu den Ländern, die einmal mit deutlich mehr Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft verbunden waren.

Für Leserinnen, die sich warum auch immer auf den Weg machen wollen, ist es ein guter Einstieg und bildet eine solide Grundlage bei der Vorbereitung einer Reise in diese Länder – außer für Tipps für billige Übernachtungen oder günstige Mit-„Travels“, die letztlich auf Kosten der Bevölkerung gehen.