Wieder Ärger ums Wasser

Herr Fernández, können Sie uns kurz die hauptsächlichen Ziele Ihrer Organisation erläutern?

Nach den Protesten in Cochabamba im April 2000 musste das Unternehmen Aguas del Tunari, eine Aktiengesellschaft der internationalen Konsortien Bechtel, Edison und Aguas del Abengoa, das Land verlassen. Die Bevölkerung Cocha-bambas hatte Tariferhöhungen um 45 Prozent hinnehmen müssen, einige Wirtschaftszweige sogar bis zu 300 Prozent. Zudem bemächtigte sich der Konzern der Wasserressourcen, die sich vorher als Gemeineigentum in Obhut der Wasserkomitees befanden. Deshalb gründeten wir unsere Vereinigung, die sich im November 2004 auch auf nationaler Ebene organisierte. Unsere Arbeit konzentriert sich darauf, die Bräuche und Gewohnheiten der Wasserbewirtschaftung, die Teil unserer Kultur als Nachfahren der Inka sind, zu bewahren. Historisch gesehen haben die Völker Boliviens verschiedene Formen der Wassernutzung entwi-ckelt, die es zu verteidigen und auszubauen gilt.

Die internationalen Konzerne verlangten nach ihrer Vertreibung aus Cochabamba finanzielle Entschädigungszahlungen. Wie ist der momentane Stand der Verhandlungen?

Nach dem Rauswurf von Bechtel leitete der Konzern ein Gerichtsverfahren beim Centro Internacional de Resolución de Controversas de Inversión (Schiedsgericht für internationale Investitionsangelegenheiten), einem verlängerten Arm der Weltbank, gegen den bolivianischen Staat ein. Aufgrund zahlreicher internationaler Kampagnen zog Bechtel aus Angst vor Rufschädigung seine Klage zurück. Die spanische Firma Abengoa jedoch stellt weiterhin 25 Millionen US-Dollar Schadenersatzforderungen als Entschädigung für die Gewinnerwartungen der vertraglich festgelegten 40 Jahre. Allerdings ergibt diese Forderung wenig Sinn, da kaum nennenswerte Investitionen getätigt wurden. Außerdem hat der Konzern einen Konflikt provoziert, der schließlich Todesopfer forderte. Wenn also jemand berechtigt ist, Entschädigungen zu fordern, dann sollten wir das sein, die Betroffenen.

Wie funktioniert derzeit die Wasserversorgung in Cochabamba?

Nach dem Wasserkrieg haben die Bauern- und indigenen Gemeinschaften entschieden, die Trinkwasser- und Bewässerungssysteme dem Wesen nach gemeinschaftlich und sozial zu organisieren. In Cochabamba haben wir beispielsweise beschlossen, dass es eine öffentlich-soziale Betreibergemeinschaft geben soll. Wir sind gerade dabei, die Firma neu aufzubauen, die im Besitz der Gemeinde und auch in den Händen der Bevölkerung bleiben soll. Wir glauben, dass die Partizipation der Gesellschaft für die Bereitstellung eines guten Services und das Aushandeln gerechter Tarife von besonderer Bedeutung ist.

Was ist der Beweggrund Ihrer Reise durch Europa?

Ich versuche, Kontakt zu verschiedenen sozialen Organisationen, Parlamentsabgeordneten usw. aufzunehmen, um den internationalen Druck zu verstärken. In einem Brief mit zahlreichen UnterzeichnerInnen (mehr als 600 Personen und mehr als 200 Organisationen) fordern wir die spanische Regierung und die Firma Abengoa auf, ihre Forderungen zurückziehen. Außerdem wollen wir der spanischen Regierung klar machen, dass ein spanischer Konzern keine Forderungen an Bolivien stellen kann. Spanien und Europa schulden dem Land Bolivien eine Menge, da sie über Jahre unsere Ressourcen ausgebeutet haben, die die Entwicklung in Spanien und Europa wesentlich voran brachten. Deshalb ist es unverantwortlich, dass ein armes Land wie Bolivien mit einer immens hohen Auslandsverschuldung mit 25 Millionen US-Dollar belastet werden soll. So wird ein weiterer Beitrag zur Verschärfung der Armut geleistet.

Sie waren auch auf dem Alternativen Weltwasserforum vom 17. bis zum 20. März in Genf. Was waren die Ergebnisse dieses Forums?

Auf diesem Alternativen Weltwasserforum wurde eine Erklärung mit vier fundamentalen Prinzipien verabschiedet: Der Zugang zu Wasser als ein Menschenrecht, das Wasser als ein öffentliches Gemeingut, Finanzierung und Investitionen durch die öffentliche Hand und die Demokratisierung und Mitbestimmung der BürgerInnen bei der Wasserpolitik. Zusätzlich konnten wir durch die Partizipation zahlreicher Organisationen, die sich ebenfalls für das Recht auf Wasser für alle einsetzen, verschiedene Aktionsformen und Erfahrungen anderer Länder kennen lernen. Zum Beispiel die Erfahrung Uruguays, wo die Menschen in einem Plebiszit mit großer Mehrheit für die Anerkennung des Wassers als ein öffentliches Gut stimmten. Organisationen aus Afrika berichteten darüber, wie die Privatisierung des Wassers dort viele Menschen von der Versorgung ausschließt. Das hauptsächliche Ziel der Konzerne ist die Gewinnmaximierung und nicht die Dienstleistung für die Bevölkerung. Daher kam es auch in Afrika zu zahlreichen Protesten, die sich gegen die Privatisierung richteten.

Was ist das Ziel Ihres Besuches in Deutschland? 

Nach Deutschland bin ich wegen eines speziellen Falles gekommen. Wir haben in Bolivien bezüglich des Wassers einen Vorschlag ausgearbeitet, um die sozial-öffentlichen Betreibergemeinschaften zu stärken. Die bolivianische Regierung machte ebenfalls einen Vorschlag, der sich in insgesamt 50 Punkten von dem unsrigen unterschied. Um diese Differenzen zu einem Konsens zu bringen, initiierten wir 2001 einen Marsch von Cochabamba nach La Paz. In 14 Tagen legten wir 400 Kilometer zu Fuß zurück, um uns mit der Regierung an einen gemeinsamen Verhandlungstisch zu setzen. In 38 Punkten wurden wir uns einig und die Regierung verpflichtete sich dazu, eine Gesetzesverordnung über das Trinkwasser zu erlassen. Einige Monate später verabschiedete sie jedoch den Vorschlag der deutschen GTZ und nicht die Vereinbarung, auf die wir uns geeinigt hatten. Deshalb meinen wir, dass wir im Prinzip nicht mit der bolivianischen Regierung hätten verhandeln müssen, sondern mit der GTZ. Sie hat einen immensen Einfluss auf die Politik rund um den Aufbau des Trinkwasser- und Abwassersystems. 

Die GTZ beurteilt das neue öffentlich-soziale Betreibermodell in Cochabamba als ineffizient und nicht tragfähig. Wir haben lange darüber diskutiert, welche Verwaltungsform die beste ist, aber für die GTZ drückt sich Effizienz lediglich in wirtschaftlichen Begriffen aus, wohingegen für uns ebenso gemeinschaftliche und soziale Werte eine Rolle spielen. Sie hat eine sehr monetaristische Sichtweise und sagt die Finanzierung nur zu, wenn die Firmen als gemischte öffentlich-private Unternehmen aufgebaut werden. Sie diktiert uns, dass wir unser soziales und gemeinschaftliches Modell aufgeben und es stattdessen gegen ihr Modell tauschen. Dies bedeutet, dass wir uns in die Industrie- und Handelskammer eintragen lassen müssten und somit einen anderen Rechtsstatus erhielten. Schließlich müssten wir das Wasser in Abhängigkeit der Vorschriften des Handelsgesetzbuches behandeln. Praktisch heißt das, das Wasser zu privatisieren.

In Bolivien haben wir uns bereits mit den höchsten VertreterInnen der GTZ getroffen und haben die gesamte Problematik erläutert. Wir haben sie gebeten, die Gesetze Boliviens zu achten und die vorhandenen Betreibermodelle zu respektieren. Was die GTZ vorhat, ist illegal, da gemischte öffentlich-private Unternehmen in den Gemeinden gegen unser Gesetz verstoßen. Das haben wir in Bolivien bekannt gemacht und haben Briefe nach Deutschland gesandt, mit dem Ergebnis, dass drei parlamentarische VertreterInnen nach Bolivien kamen. Jeweils eine/r von den Grünen, von der SPD und der CDU. Wir haben ihnen die Problematik erläutert, aber wie man sieht, gab es einen radikalen Einstellungswandel in der GTZ in den letzten Monaten seit Januar. Deswegen bin ich hier, um sie zu bitten, dass sie ihre Einstellung ändern und uns keine Politik der Privatisierung aufzwingen mögen.

Was wird passieren, wenn die Gespräche nicht zu einer gemeinsamen Lösung führen werden?

Es gab in den letzten Gemeindeversammlungen zahlreiche Stimmen, die direkte Aktionen gegen die GTZ gefordert haben. Uns scheint dies jedoch nicht die angemessene Lösung zu sein. Wir glauben an eine Verständigung, so dass sie unsere Modelle respektieren und akzeptieren.

Haben die momentanen Ereignisse in La Paz und El Alto mit demselben Problem zu tun oder hatten die Proteste andere Ursachen?

Die Proteste in La Paz und El Alto richteten sich gegen den französischen Konzern Suez, der aufgrund der Erhöhung der Anschlussgebühren einen großen Teil der BewohnerInnen von dem Recht auf Wasser ausschloss. Außerdem wurden Viertel von der Versorgung abgeschnitten, die nach Meinung des Konzerns nicht rentabel genug waren. Die Pro-teste führten schließlich dazu, dass der Präsident Carlos Mesa den Vertrag mit dem französischen Konzern kündigte. Er sagte daraufhin öffentlich, dass der Konzern das Land verlassen müsse. Aber im März veröffentlichte die deutsche Botschaft eine Erklärung, in der sie Forderungen stellte und klar machte, dass der französische Konzern das Land nicht verlassen und mit 35 Prozent am neuen Konzern in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft beteiligt werden sollte. Andernfalls würde die GTZ ihre Unterstützung für den Aufbau der Wasserversorgung in La Paz als auch für El Alto aufkündigen. Das ist eine Erpressung, die im Widerspruch zu der vom Präsidenten im Januar abgegebenen Regierungserklärung steht. Wir fragen uns also, wer in Bolivien überhaupt regiert. Ist es der Präsident oder die Internationale Entwicklungszusammenarbeit?

Mir erscheint es ziemlich merkwürdig, warum sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit für einen französischen Konzern engagiert. Wie erklären Sie diese Tatsache?

Wir vermuten, dass die deutsche Kooperation im Sinne einer internationalen Wasserpolitik handelt. Es ist ein Engagement, das den Prozess der Wasserprivatisierung weiter voranbringt. Ich sage das deshalb, weil führende MinisterInnen und PolitikerInnen aller Länder auf dem zweiten Weltwasserforum beschlossen haben, das Wasser zu privatisieren. Es ist also eine internationale politische Richtlinie. In Bolivien ist es die GTZ, die diese Vorgaben in die Tat umsetzt und forciert. Im Endeffekt legen die bilateralen Abkommen zwischen Bolivien und Deutschland, die angeblich auf Kooperation und Unterstützung beruhen, Verwaltungsmodelle fest, die begünstigen, dass sich die internationalen Konsortien der Wasserversorgung bemächtigen. Das ist unsere Schlussfolgerung daraus.

 

P.S. Schriftlich teilte uns Omar Fernández später mit, dass das Treffen mit den VertreterInnen von BMZ, der GTZ und der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) keine neuen Ergebnisse brachte. Die deutsche Seite halte starr an ihrer Politik und ihrem Verwaltungsmodell fest. Sie betonte, dass sie sich nicht in die inneren Angelegenheiten Boliviens einmische und lediglich Beratungsfunktionen wahrnehme. Nach seiner Rückkehr nach Bolivien brach in Llallagua ein neuer Konflikt aus, in dem Nachbarschaftsräte nach zahlreichen Vertragsbrüchen die Wasserwerke besetzten. Die Betreibergesellschaft wurde von der GTZ ins Leben gerufen und folgte dem Modell einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Ein Ende des Konflikts ist demnach nicht abzusehen.