Ich kam nach Hause, schaltete den Anrufbeantworter ein und hörte eine finstere Stimme, die nur die folgende Nachricht auf dem Band hinterließ: „Ich werde dich töten.“ Wer mich umbringen will und warum, das weiß ich nicht.

Leider belegt Mexiko einen der ersten Plätze weltweit, was ermordete und verschwundene JournalistInnen betrifft, sodass jede Form von Bedrohung ernst genommen und angezeigt werden muss.

Es gibt viele Möglichkeiten, die Presse unter Druck zu setzen und zum Schweigen zu bringen. Die klassische Methode ist und war die der Kooptation. Dies war eine der erfolgreichsten Methoden der Partei der institutionalisierten Revolution (PRI), die mehr als 70 Jahre an der Macht war. Eine andere Form der Kontrolle der Medien bildete das staatliche Papiermonopol. Unbequemen Medien wurde einfach kein Papier verkauft. Staatliche (öffentliche) Anzeigen zu erhalten, macht auch heute noch den Unterschied zwischen Überleben und Dichtmachen eines Presseorgans aus. „Ich zahle doch nicht, damit ich angegriffen werde“, erklärte der frühere Präsident López Portillo in Anspielung auf sein Verständnis von der Arbeit der Presse.

Die Gründung aller privaten Radio- und Fernsehkanäle basierte grundsätzlich auf dem Austausch von Gefälligkeiten mit dem jeweiligen Präsidenten. Im Austausch für die millionenschweren Verträge für Regierungsanzeigen, neue Sendefrequenzen und Stationen vermieden diese Medien jede Art von Berichterstattung, die den Präsidenten verärgern könnte.

Kritische JournalistInnen wurden entlassen, von keiner anderen Zeitung, keinem anderen Sender angestellt, ihnen wurden alle möglichen Steine in den Weg gelegt, aber nur ganz selten wurden sie ermordet, wie der Journalist Manuel Buendía zu Beginn der 80er-Jahre.

Die Presse stand in diesen Jahren und Jahrzehnten unter staatlicher Kontrolle. Es gab zwar Organisationen der JournalistInnen, die jedoch in Wirklichkeit nur als Bühne fungierten, um unterwürfigen, regimetreuen JournalistInnen Preise zu verleihen. Die kritischen Stimmen waren marginalisiert und erreichten nur eine kleine Gruppe in der Öffentlichkeit.

Ende des 20. Jahrhunderts erlebte Mexiko äußerst gewaltsame Perioden, unendliche unerfüllte Versprechen und etliche Finanzkrisen, die die Ersparnisse eines ganzen Lebens vernichteten, ebenso wie die Schuldenkrisen, die kleine Unternehmen in den Bankrott trieben, während sich die Konzentration des Reichtums fortsetzte.

Die PRI verlor 2000 die Präsidentschaftswahl, doch die Menschen, die auf die rechtskonservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) gesetzt hatten, erlebten enttäuscht und frustriert die Wiederholung der bisherigen Politik. Die Übergangsphase des Wechsels von der PRI zur PAN brachte für die autonome Presse eine kleine Öffnung. Auch die neuen Technologien halfen, unbequeme Informationen zu verbreiten. Die PAN besaß weder die Struktur noch die Strategie, um wie ihre Vorgänger die Medien, aber auch das organisierte Verbrechen zu kontrollieren. Radio und Fernsehen verfolgten weiterhin die Politik des „gegenseitigen Vorteils“. Darüberhinaus versuchte Vicente Fox als Präsident (2000-2006) zwei Gesetzesänderungen zugunsten der großen Fernsehsender durchzusetzen. 

In der Geschichte Mexikos gab es zwei Wunder, die Erscheinung der Jungfrau von Guadalupe im 16. Jahrhundert und die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, das „Gesetz Televisa“ für nicht verfassungsgemäß zu erklären. Televisa bildet zusammen mit TV Azteca eine Art mexikanisches Fernsehmonopol und ist gleichzeitig Teil der tatsächlichen Macht in Mexiko. Und der Gesetzesentwurf war, wie der Name bereits ausdrückt, eine Art maßgeschneiderte Machterweiterung für den Sender.

Die Bestechung von JournalistInnen bildete ab 2000 nicht mehr die erste Option, sondern die letzte. Obwohl die kriminellen Kartelle nach und nach die Macht in verschiedenen Regionen des Landes übernahmen und JournalistInnen bedrohten, folterten, töten oder verschwinden ließen, kam der Großteil der Aggressionen gegen JournalistInnen von staatlichen Funktionären der verschiedenen Ebenen, deren Korruptheit und Verbindung zum organisierten Verbrechen in den Medien öffentlich gemacht wurde.

2012 gewann die PRI erneut das Amt des Präsidenten, begleitet von einer Flut von Wahlbetrugsbeschwerden und -beschuldigungen. Doch die PRI konnte im Gegensatz zu den „goldenen Regierungsjahrzehnten“ nicht mehr die Kontrolle über die Medien herstellen. Zwar wechseln Geldbündel und Begünstigungen wie früher die interessierten Seiten, doch heute gibt es das Internet, das von der Regierung nicht kontrolliert werden kann. Viele mutige und bescheidene Medien verfolgen ihre eigene Agenda, ihre selbstbestimmten Schwerpunkte. 

Doch gleichzeitig mit den neuen Möglichkeiten für die Informationsarbeit verschärft sich die Gewalt gegen JournalistInnen. Jesús Lemus, Journalist aus Michoacán, der drei Jahre unschuldig im Gefängnis saß und dort täglich brutal gefoltert wurde, erklärte in einem Interview mit Radio Nederland, dass es heute unzählige Möglichkeiten gibt, JournalistInnen anzugreifen. Hier seine bedrückenden Einschätzungen. Die Angriffsmethode light ist eine Diffamierungsklage, die verbunden ist mit einem hohen Preis, was Zeit, Geld, Anstrengungen und Nerven betrifft. Die mit der Klage verbundene Zermürbung, die Monate, manchmal Jahre dauert, ist riesig. Eine andere Strategie der Einschüchterung sind die Drohungen per Post, Telefon oder E-mail. Es gibt viele makabre Formen, eine Drohung zu unterstreichen: ein menschlicher Kopf als „Geschenk“, ein Haustier, das umgebracht wird. Viel schlimmer ist es, wenn deine Kinder für Stunden oder Tage entführt werden, um zusätzlichen Druck auszuüben.

Um die Drohung gegenüber einer Kollegin zu unterstreichen, wurden die Verteiler der Zeitschrift, für die sie arbeitete, entführt, tagelang gefoltert und danach freigelassen, um die Nachricht zu überbringen, dass die Drohung ernst gemeint ist.

Viele KollegInnen wurden gefoltert und bedroht. Nur wenige machen eine Anzeige. JedeR hat eine persönliche Vorgehensweise. Einige beenden ihre journalistische Arbeit nach der ersten Bedrohung. Dass dies keine Garantie ist, am Leben zu bleiben, zeigt die Ermordung einiger JournalistInnen noch Jahre nach der Bedrohung. Andere wurden ohne vorausgegangene Bedrohung umgebracht.

Es gibt zur Zeit nur zwei Möglichkeiten für JournalistInnen, Schutz in Mexiko zu bekommen, eine auf Bundesebene, die andere in Mexiko-Stadt. Der Schutzmechanismus auf Bundesebene, so die Einschätzung mehrerer KollegInnen im Exil, ist unzureichend oder bringt nichts. Ein Kollege aus Tamaulipas, der eine Zeitung und Website herausgab, wurde entführt und acht Tage und Nächte lang gefoltert, um ihn zu zwingen, die kritische Website einzustellen. Der Journalist überlebte und verließ mit seiner Familie Tamaulipas. Obwohl er offiziell im Schutzprogramm des Bundes nach Mexiko-Stadt kam, erhielt er keinerlei Hilfe. Seine Familie und er überleben dank der Solidarität anderer KollegInnen.

Ob und wie die Schutzmechanismen von Mexiko-Stadt funktionieren, werde ich persönlich feststellen müssen. Hoffentlich sind sie wirksam.