Anlässlich des hundertsten Geburtstags der Escuela Superior de Guerra, der wichtigsten militärischen Bildungseinrichtung des Landes, fand vom 20. bis 24. April in Bogotá ein internationaler Kongress statt. Sein Motto: „Risiken, Sicherheit und Verteidigung im 21. Jahrhundert. Herausforderungen an die institutionelle Legitimität“. Diskutiert wurden dabei die Themen „Die Streitkräfte im Dienst eines Gesellschaftsprojekts“, „Justiz, Streitkräfte und Kommunikation“ und „Ethische Herausforderungen für die bewaffneten Auseinandersetzungen in gegenwärtigen Gesellschaften“. Ausgerichtet wurde der Militärkongress von einem Absolventenverband der genannten Kriegshochschule, der mit spanischem Kürzel ASOCACI heißt, seit 37 Jahren besteht und von einem General geleitet wird. Auf dem Faltblatt der Veranstaltung wurde die Teilnahme internationaler Experten angekündigt, die Liste wird von den Nobelpreisträgern Desmond Tutu und Amartya Sen angeführt. Als deutsche Referenten wurden General Stephan Kretschmer, Personalchef der Bundeswehr, Ernst-Christoph Maier, Direktor des sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr, sowie der Bonner Juraprofessor Matthias Herdegen genannt. Im aktualisierten Programm tauchen die Namen von Tutu, Sen, Kretschmer und Herdegen nicht mehr auf. Als deutsche Referenten und Kommentatoren sind Wolf-Dieter Grabendorff, ehem. Direktor der Ebert-Stiftung in Bogotá, Dieter Fleck und Bundeswehroberst Karl Trautvetter aufgeführt.
Der Kongress wurde laut Faltblatt nicht nur von dem Verteidigungsministerium, der Kriegshochschule und der Militäruniversität Nueva Granada getragen. Zu den Unterstützern zählten auch das (links regierte) Rathaus von Bogotá, die französische Botschaft, die Stiftung Charles Leopold Mayer (eine französische NRO), die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Nationaluniversität. Das Bogotá-Büro der Ebert-Stiftung und ASOCACI bereiteten den Kongress über ein Jahr mit thematischen Gesprächskreisen vor, deren Resultate in einem gemeinsamen Paper veröffentlicht sind. In einem Schreiben vom 18. Juni 2008, in dem er den Kongress autorisiert, berichtet der Oberkommandierende der Streitkräfte, General Freddy Padilla, vom Besuch einer europäischen Delegation, bestehend aus einem französischen General a. D., einem Bundeswehroberst und den Vertretern zweier Friedensorganisationen aus Frankreich im Mai 2008. Diese hätten ihn von dem Vorhaben überzeugt. Er sehe die Konferenz als eine Gelegenheit, dass „Kolumbien von der militärischen Institutionalität aus zur Welt spreche“. Ihre Botschaft müsse „höchst patriotisch, die Menschenrechte verteidigend und dezidiert ethisch“ sein. Die Veranstaltung solle als eine „Hommage der Gesellschaft für ihre Streitkräfte“ wahrgenommen werden. Deshalb müsse die Teilnahme vieler gesellschaftlicher Sektoren gewährleistet sein. Der Brief endet mit dem bizarren Satz, dass die kolumbianische Armee „die erste Armee in der Geschichte sein werde, die einen Krieg mit der vorrangigen Sorge für die Achtung des Humanitären Völkerrechts“ gewinnt. (Neben anderen Menschenrechtsverbrechen wird derzeit wegen der gezielten Tötung von 1666 Zivilisten ermittelt, die von Armeeangehörigen ermordet und als „gefallene Guerilleros“ präsentiert wurden.)
Über die Ergebnisse des Kongresses gibt die Website des Veranstalters wenig Auskunft. Die „Pluralität von Meinungen“ und eine „breite Debatte“ über die Rolle der Streitkräfte hätten die Veranstaltung geprägt, sagt das knappe Schlussdokument. Mindestens 800 Personen hätten teilgenommen. Unter „Einige Schlussfolgerungen“ finden sich allgemeine Formulierungen wie: „Sicherheit ist die Verpflichtung von allen.“ „Die Legitimität der Streitkräfte ist zu verstehen als deren Wahrnehmung und Akzeptanz durch die Zivilbevölkerung.“ „Kolumbien braucht kein Friedensabkommen, um schon heute ein Post-Konflikt-Verhalten an den Tag zu legen.“ Auch: Gewalt habe in der politischen Praxis nichts zu suchen, Konflikte sollten angemessen gelöst werden, „ohne Notwendigkeit, uns zu töten“. (Eine wunderbare Selbstverpflichtung für Militärs!)
Seit 2003 arbeitet das kolumbianische Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung, FESCOL, mit der Escuela Superior de Guerra zusammen. Diese ist Teil des Programms „Colombia Internacional“ (www.colombiainternacional. org), das einen Beitrag zur Bildung der Zivilgesellschaft bezüglich der internationalen Einbettung Kolumbiens leisten will. Zu diesem Zweck wurde ein Bündnis von elf Institutionen gebildet, zu denen neben der Friedrich-Ebert-Stiftung und den politikwissenschaftlichen Instituten einiger Universitäten auch das kolumbianische Außenministerium und das „Zentrum für Strategische Studien über Sicherheit und Verteidigung“ (CEESEDEN) der Escuela Superior de Guerra gehören. Letzteres berät die Militärspitze und das Verteidigungsministerium. Stellt sich die Frage: Warum holt – ausgerechnet in Kolumbien – eine deutsche Stiftung bei einem Programm für die Zivilgesellschaft eine militärische Einrichtung mit ins Boot? Warum baut sie dafür eine zivil-militärische Forschungsfamilie auf?
Es dürfte ein Novum sein, dass sich eine SPD-nahe Stiftung an den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag einer Kriegsakademie in Kolumbien beteiligt hat. Die ethische Frage bleibt: Tragen derartige zivil-militärische Partnerschaften nicht dazu bei, die kriminellen Strukturen und die Menschenrechtsverbrechen von Kolumbiens Armee zu bagatellisieren?