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Es ist eine uralte Geschichte: Da haben Menschen gesehen, daß und wo ihre Welt krank ist, ihre Gesellschaft, vielleicht auch sie selbst. Sie haben nach Lösungen gesucht und auch Wege dazu gefunden. Sie haben um ihre Verwirklichung gekämpft und – verloren. Die Gruppen wurden zerschlagen, viele wichtige Mitglieder ermordet, es gab Überläufer und Wegläufer.

Und dann fangen einige an zu erzählen, dies sei nicht das Ende, sondern erst der Anfang! Die Niederlage sei unvermeidlich gewesen, sie sei die Basis, aus der Erfahrung und Kraft für einen neuen Kampf wachsen. Die Geschichte des lateinamerikanischen Widerstandes ist voll von solchen Erfahrungen. Manchmal beendet nicht einmal der Tod das Wirken von Menschen: José Martí, Augusto César Sandino, Che Guevara, Alaïde Foppa, Oscar Arnulfo Romero und viele andere haben nach ihrem Tod eher an Kraft und Einfluß gewonnen als verloren.

Deutsche Linke haben oft Schwierigkeiten, sich auf einen solchen Ansatz einzulassen. Zu oft haben wir erlebt, wie eine “Jetzt-erst-recht”-Position auf ein einsichts- und einfallsloses Anrennen gegen Mauern hinauslief. Zu oft wurden Niederlagen in Siege umgefälscht und damit jede Chance verspielt, zu lernen und wirklich neu anzufangen.

Das war nicht immer so. Rosa Luxemburg sprach in ihrem letzten Artikel vom 14. 1. 1919 davon, “der ganze Weg des Sozialismus… (sei) mit lauter Niederlagen besät”. Aber genau daraus würden für heute “historische Erfahrung, Erkenntnis, Macht, Idealismus geschöpft”. Allerdings nur unter der Bedingung, daß ein wirklich entschlossener Kampf geführt werde.

Die Geschichte von der Niederlage, die nicht das Ende ist, ist die Geschichte von Tod und Auferstehung, sagen die ChristInnen. Es ist die Geschichte von Ostern: von Ostern ohne Glockengeläut und Triumph, ohne Halleluja und neue Frühjahrsgarderobe.

Es ist zunächst nicht mehr als ein Wollen, daß die Niederlage nicht das Ende sei, ein Suchen nach einem neuen Anfang und das Wissen darum, daß “die Freiheit immer in der Zukunft liegt”, wie es in einem unserer Beiträge heißt. Genau hier setzt die Befreiungstheologie an. Sie will die geschichtlich-wirkliche Befreiung der Opfer eben dieser wirklichen Geschichte. Sie unterscheidet sich da in gar nichts von den Bewegungen, die überhaupt nicht daran denken, für ihren Kampf irgend einen Gott zu bemühen. Aber ihre AnhängerInnen zeichnen sich oft dadurch aus, daß sie noch Hoffnung ausstrahlen, wenn andere resignieren.

Die meisten von uns ila-Leuten teilen die religiösen Überzeugungen der Befreiungs­christInnen nicht. Das ist auch nicht nötig, denn es geht nicht um die Art der Motivation, sondern um die Inhalte und Ziele  kollektiven emanzipatorischen Handelns: wenn Menschen gemeinsam etwas wirklich wollen, dann ist ihnen nichts unmöglich!

die Redaktion