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In vorbildlicher Zusammenarbeit mit CIA und Pentagon putschte sich am 11. September 1973 in Chile das Militär an die Macht. Ziel dieser Allianz war der Sturz der demokratisch-sozialistischen Regierung unter Salvador Allende und die Zerschlagung sämtlicher Volksorganisationen des Landes, deren Widerstandskräfte einer „kostengünstigen“ Modernisierung der chilenischen Wirtschaft im Weg standen. Der Angriff der Militärs auf die chilenische Bevölkerung war derart brachial, daß eine Million ChilenInnen ins Ausland fliehen mußten. Mehrere Tausend kamen auch in die BRD, in der sich zu jener Zeit eine breite empörte Öffentlichkeit gegen den Terror der Militärs und für eine Aufnahme der bedrohten Menschen einsetzte. Die zeitweilig große deutsche Chile-Solidaritätsbewegung war entstanden.

Am 26. Mai 1993 – in Chile war die Militärjunta seit 1989 durch eine gewählte bürgerliche Regierung abgelöst worden – beschloß in Deutschland der Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Änderung des Grundgesetzes zur Abwehr unerwünschter Hilfesuchender aus der Fremde. 20 Jahre nach dem blutigen Weltmarktputsch wären heute nur noch ein paar hundert ChilenInnen in die BRD gelangt – jene Männer und Frauen nämlich, die in die deutsche Botschaft hatten fliehen können bzw. direkt aus dem Gefängnis in die BRD abgeschoben wurden. All die Flüchtlinge, die über andere Wege aus Chile geflohen sind, wären auf ihrer Flucht durch „sichere Drittländer“ gekommen und hätten damit keine Chance mehr gehabt, in der Bundesrepublik Schutz vor dem Militärregime zu finden.

Damals waren es vor allem die Interessen chilenischer, US-amerikanischer, europäischer, japanischer und weiterer Kapitalgruppen, die in Chile, aber auch in zahlreichen anderen Staaten Lateinamerikas auf jene mit Terror und Vertreibung verbundenen sozialen und politischen Veränderungen gedrungen hatten. Die vielen Millionen GegnerInnen oder Opfer dieser „Strukturanpassungen“ wurden zu Flüchtlingen. Asyl ist deshalb auch, vielleicht sogar vor allem eine wirtschaftliche Angelegenheit.

Die Änderung des Asylrechts im deutschen Grundgesetz ist einerseits konsequente Politik im Sinne multinationaler Wirtschaftsinteressen, andererseits eine Verbeugung vor dem Druck einer breiten Schicht von offen oder heimlich zur Gewalt bereiten RechtsbürgerInnen in dieser Republik. Das politische Spektrum dieses Lumpenbündnisses reicht von ganz arm bis ganz reich, ebenso wie von ganz Reps über CSU/CDU bis ganz SPD.

Dabei hätte es viele und gute politische Gründe gegeben, dem vereinten Druck von rechter Gewalt und rechtem Bürgertum zu widerstehen – leider aber fiel die SPD mal wieder um (wie schon wiederholt in der Geschichte). Ihr Fraktionschefchen Hans-Ulrich Klose machte den Kniefall vor Kapital und Reaktion zur Überlebensfrage für seine Partei.

 Drei Tage nach der faktischen Abschaffung des Asylrechts zeigte die militante Rechte, daß sie sich damit längst nicht zufriedengibt. In Solingen ermordete sie durch einen Brandanschlag fünf Menschen. Angesichts solcher menschenverachtenden Brutalität bleibt nur Trauer und Wut.

die Redaktion

P.S. Noch mehr Wut: Am 28. Mai fällte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes ein skandalöses Urteil zum § 218. Abtreibungen werden danach in den meisten Fällen illegal sein und darüber hinaus nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt werden. Stellvertretend für die vielen empörten Stimmen über das Karlsruher Urteil sei an dieser Stelle Peggy Parnass zitiert: „Als das Urteil gesprochen wurde, habe ich keine Silbe verstanden, obwohl ich Gerichtsreporterin bin. Inzwischen weiß ich: ein Schweineurteil unter Schweinevoraussetzungen. Sieben Richter, nur eine Richterin, schon das ist ein Skandal. Hier diktieren Männer die Bedingungen für unser Leben. Und ich hab’ die Schnauze voll davon, daß Frauen vom Staat immer wieder dazu gezwungen werden, sich irgendwelchen Männern zu beugen.

Wenn all dies doch wenigstens neu wäre. Schon 1871 trat der §218 in Kraft, 1920 brachte die SPD einen Antrag gegen den Paragraphen ein. 50 Jahre später noch mal, weil sich nichts geändert hatte. Bevor wir es taten, zeigten sich in Frankreich 200 der prominentesten Frauen des Landes wegen ihrer Abtreibung an, konnten nicht bestraft werden, wir zogen nur nach. Wie gesagt, alles ist nicht neu, alles zum Erbrechen. Ich setze mich nicht für das werdende, sondern für das vorhandene Leben ein. Wenn man sich in der Welt umguckt, weiß man, damit nimmt man es nicht so genau. Unsere Ärzte können frohlocken. Nicht mehr die 170 Mark der Krankenkassen, sondern wieder Schwarzmarktpreise. Also wie immer: Begüterte bevorzugt. Doch wie auch immer – preiswert oder unerschwinglich – keine Frau treibt aus Jux ab.“